Mainz. Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz steht und wählt die 55-jährige Malu Dreyer zur Regierungschefin. Der SPD hilft das jedoch kaum.

Um 12.32 Uhr schlingt Alexander Schweitzer die Arme um seine Chefin und reißt sie in die Höhe. Der Zweimetermann und SPD-Fraktionschef im Mainzer Landtag ist nicht der einzige, der Malu Dreyers Frisur und Garderobe an diesem Mittag in Gefahr bringt. Begeistert feiern die Genossen ihre neue, alte Ministerpräsidentin. Begeistert und erleichtert – weil es keine Zitterpartie, keinen holprigen Start in die zweite Amtszeit gab: Die 52 Abgeordneten der Mainzer Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen haben Malu Dreyer offenbar geschlossen zur Regierungschefin gewählt.

Anders als Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, der bei seiner Wiederwahl als Ministerpräsident in der letzten Woche sechs Gegenstimmen aus den Reihen seiner grün-schwarzen Koalition bekommen hatte, lief bei Dreyer alles glatt: „Es wird eine schöne Zeit“, strahlt die 55-Jährige nach ihrer Wahl. Das Votum sei „ein ganz starkes Vertrauenszeichen“. Auch FDP-Landeschef Volker Wissing trägt an diesem Tag ein breites Lächeln spazieren – der „liebe Volker“, wie Dreyer den neuen Wirtschaftsminister nennt, wird ihr Stellvertreter. Wissing und Justizminister Herbert Mertin sind die einzigen FDP-Minister in Deutschland. „Alles gut?“, fragt Dreyer und legt ihm die Hand auf die Schulter. „Alles gut“, sagt Wissing.

Neue Forsa-Umfrage sieht die SPD bei 19 Prozent

Für die SPD dagegen ist gar nicht alles gut an diesem Mittwoch. Es ist ein Tag mit Licht und Schatten. In einer neuen Wählerumfrage landen die Sozialdemokraten bundesweit erneut unter der 20-Prozent-Marke: Nachdem die Meinungsforscher von Insa die SPD bereits mehrmals bei 19,5 Prozent sahen, fiel die Partei jetzt auch in einer Forsa-Umfrage im Vergleich zur Vorwoche um zwei Punkte auf 19 Prozent ab. Die Union dagegen behauptete sich bei 34 Prozent, die Grünen gewannen einen Punkt auf 14 Prozent hinzu, die Linke blieb stabil bei neun Prozent, die FDP verlor einen Punkt auf sieben Prozent, die AfD landete bei elf Prozent.

Malu Dreyers makellose Wiederwahl kann da kaum trösten: Die SPD steckt in einem historischen Umfragetief fest, wenig geändert hat sich auch an den schlechten Beliebtheitswerten von Parteichef Sigmar Gabriel: Selbst unter den SPD-Wählern würden sich laut Forsa-Umfrage deutlich mehr für Angela Merkel (42 Prozent) als für den eigenen Spitzenmann (34 Prozent) entscheiden. Andere SPD-Kandidaten hätten jedoch noch weniger Chancen.

Dreyer ist ein Lichtblick für die SPD

In den Ländern dagegen reagieren etliche starke SPD-Ministerpräsidenten – und bestätigen ein Muster: Parteiübergreifend beliebte Landesväter und Landesmütter haben einen Amtsbonus – unabhängig davon, wie ihre Partei ansonsten dasteht. Das kennen auch die Grünen: Sie dümpeln bundesweit knapp über der Zehn-Prozent-Hürde – Winfried Kretschmann dagegen konnte bei der Landtagswahl am 13. März über 30 Prozent einfahren.

Marie-Luise „Malu“ Dreyer ist deswegen ein Lichtblick für die SPD, der Beweis, dass die Sozialdemokraten Aufholjagden schaffen, dass sie gewinnen können. Im Wahlkampf hatte die 55-Jährige innerhalb von vier Monaten einen Rückstand von elf Prozent gegenüber ihrer CDU-Herausfordererin Julia Klöckner aufgeholt. „Es ist schon ein schwerer Tag“, sagt die 43-Jährige am Mittwoch, nachdem sie Dreyer gratuliert hat. „Aber so ist Demokratie nun mal.“

Dreyer will in Mainz bleiben – sie zieht es nicht nach Berlin

Doch so sehr Dreyer an diesem Tag strahlt – sie ist nicht die Rettung der SPD. Sicher: Sie ist beliebt, sie hat das Zeug zur Landesmutter, sie polarisiert nicht und hat recht geräuschlos die Ampel von SPD, FDP und Grünen geschmiedet. „Sie können sich auf mich verlassen“, sagt sie und weiß, dass ihr viele das abnehmen. Sie kann sich sogar leisten, bei der Ernennung ihres Kabinetts ein paar Namen zu vergessen, sich charmant zu entschuldigen und dann zu seufzen: „Oh, ich hab‘s geschafft.“ Auch ihr offener Umgang mit ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung hat ihr zusätzliche Sympathien eingebracht. Doch Erfolg in ihrem kleinen Vier-Millionen-Einwohner-Land, bedeutet nicht zwangsläufig Erfolg im Bund.

Hinzu kommt: Dreyers Einfluss als siegreiche Wahlkämpferin und wiedergewählte Landeschefin ist zwar gewachsen, doch sie hat bislang keine Ambitionen erkennen lassen, künftig in Berlin eine wichtigere Rolle zu spielen. Im Gegenteil: „Wir wollen fünf Jahre zusammen regieren – vielleicht sogar noch länger“, sagt sie mit Blick auf ihre beiden Koalitionspartner. Und verhält sich damit wie ihre Parteikollegin Hannelore Kraft im Nachbarland Nordrhein-Westfalen. Auch die sagt: Berlin? Nein, danke.