Berlin. Trotz Mehreinnahmen: Fachleute von SPD und CDU warnen vor Steuersenkungen und verweisen auf hohe Ausgaben für Flüchtlinge und Rente.

Der Wirtschaft geht es gut, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 25 Jahren nicht und in den Kassen von Bund, Ländern und Kommunen landen immer mehr Steuereinnahmen. Das werden die Experten, die die Entwicklung der Staatseinnahmen für die Zukunft schätzen, am Mittwoch bestätigen. Eine Entlastung der Bürger ist dennoch nicht in Sicht.

Der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus (CDU), dämpft jedenfalls Hoffnungen auf Steuersenkungen: „Nicht alles, was wünschenswert erscheint, ist angesichts begrenzter finanzieller Spielräume auch bezahlbar“, sagte er unserer Redaktion. Der Bund müsse mit seinen Finanzen genauso haushalten wie die Bürgerinnen und Bürger. Die Einnahmen des Bundes lägen zwar auf einem höheren Niveau, „doch haben wir dafür auch eine Reihe von Aufgaben vor der Brust: finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen, Reform der Alterssicherung, Innere und Äußere Sicherheit. Hier müssen wir priorisieren“, sagte Brinkhaus. Die Koalition habe ja einige Entlastungen auf den Weg gebracht wie zuletzt die Erhöhung des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und eine Entlastung bei der sogenannten kalten Progression.

Zu viele Risiken, zu viele offene Fragen

Auch der SPD-Finanzpolitiker Johannes Kahrs sieht keinen Spielraum für Steuersenkungen. Das sei schon daran zu erkennen, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für 2018 pauschale Kürzungen von gut acht Milliarden Euro eingeplant habe. Die Integration von Flüchtlingen werde Geld kosten, aber auch die Pläne für die Rente. „Es gibt zu viele Risiken und zu viele offene Fragen“, sagte Kahrs.

Die Wissenschaft ist sich uneins, wie mit höheren Steuereinnahmen umzugehen ist. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, empfiehlt, mehr in Bildung und Infrastruktur zu investieren, und fordert: „Arbeit sollte nicht länger stärker besteuert werden als Einkommen aus Kapital und Vermögen.“ Es brauche mehr Steuergerechtigkeit. Sein Kollege Clemens Fuest vom Ifo-Institut meint dagegen: „Bei den derzeit sehr hohen Steuereinnahmen besteht die Gefahr, dass immer mehr Geld für zweifelhafte Zwecke wie etwa Kaufprämien für Elektrofahrzeuge ausgegeben wird.“ Die Politik sollte das Problem der kalten Progression noch wirksamer angehen und einen „Steuertarif auf Rädern“ einführen. Dieser verhindere, dass durch Inflation und reales Wirtschaftswachstum mehr Steuerzahler in einen höheren Tarif rutschen würden, so Fuest.