Berlin. Nach dem Ende der Wehrpflicht wirbt die Bundeswehr verstärkt um Nachwuchs – auch in einem Showroom in Berlin. Der ist ziemlich teuer.

Am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte, zwischen einem Schuhgeschäft und einer Apotheke, steht über einem Ladenlokal „Wir.Dienen.Deutschland.“ Im Showroom der Bundeswehr kann man nichts kaufen, aber es gibt Broschüren, Modelle von Schiffen, Videos von Übungen der Luftwaffe auf Flachbildschirmen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kam im November 2014 zur Eröffnung des Showrooms „im Herzen Berlins“. Hier können sich Menschen beraten lassen, die sich für eine Karriere bei der Armee interessieren. Die Bundeswehr will raus aus der Kaserne, den Menschen im Leben begegnen, so die Strategie. Im Kampf um die besten Köpfe des Landes muss sie sich modern aufstellen – und das kostet Geld.

Nur 1280 Bewerber im Showroom seit November 2014

Seit November 2014 hat die Bundeswehr für die Miete des Showrooms und dazugehöriger Büroräume rund 228.000 Euro Miete gezahlt – in diesem Zeitraum haben sich 2743 Interessierte dort beraten lassen, 1280 von ihnen haben sich anschließend bei der Truppe beworben. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Parlamentsanfrage hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Im Februar haben sich 267 Menschen beraten lassen. Geteilt durch die 25 Tage, an denen der Showroom von morgens bis abends geöffnet war, macht das 10,68 Interessierte pro Tag. Die Miete beträgt 14.705,89 Euro im Monat.

Die Grünen finden das unverhältnismäßig. „Der Bundeswehr-Showroom in Berlin ist ein teures Leuchtturmprojekt“, sagte Sicherheitsexperte Tobias Lindner unserer Redaktion. „Ursula von der Leyen mag stolz sein auf ihr Karrierecenter in bester Lage.“ Doch es sei nicht erkennbar, dass „die Kosten den Nutzen aufrechnen“. Lindner kritisiert: „Zudem bleibt offen, wie viele Bewerber angenommen wurden – und wie viele langfristig bei der Bundeswehr bleiben.“ Die Ministerin müsse sich neue Strategien ausdenken, um die Nachwuchsprobleme der Bundeswehr nach dem Ende der Wehrpflicht in den Griff zu bekommen. Zudem müsse sie den Bewerbern eine sinnvolle Tätigkeit zu attraktiven Konditionen bieten, sagte Lindner.

Beim Krieg im Cyberraum ist die Bundeswehr schlecht aufgestellt

2011 erlebte die Bundeswehr ihre bisher härteste Zäsur. Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt. Seitdem wird die deutsche Armee nicht mehr automatisch mit jungen Rekruten versorgt – sie muss sich um sie bemühen. Und die Konkurrenz ist groß: Die Unternehmen buhlen um die besten Köpfe. Und die Ziele sind noch größer: Die Verteidigungsministerin will die Bundeswehr zum attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland machen.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das zeigen auch die Bewerberzahlen. 2015 meldeten sich laut Verteidigungsministerium 106.205 Interessierte bei der Bundeswehr. Etwa jeder Vierte wurde eingestellt. Wirtschaftskonzerne können es sich hingegen leisten, viel mehr Bewerber abzulehnen. Zum Vergleich: 2014 stellten laut einer Studie des Jobportals Staufenbiel 249 Unternehmen in Deutschland 4924 von 169.749 Bewerbern ein – also etwa jeden 35. Interessierten.

Das Personalproblem wird sich verschärfen

Hinzu kommt: Ursula von der Leyen will wahrscheinlich noch im April aufstocken. Es könnte zu einer Vergrößerung der Bundeswehr um 7000 Soldaten und 3000 zivile Mitarbeiter kommen. Aktuell liegt die Truppenstärke bei etwa 178.000. Und: Das Personalproblem der Bundeswehr wird sich mit dem demografischen Wandel weiter verschärfen.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) sieht die Bundeswehr bei der Personalgewinnung in einer Schieflage. Er plädiert für eine Rekrutierung an vielen Standorten. „Wichtiger als ein Showroom in der Friedrichstraße ist es, dass die 16 Karrierecenter der Bundeswehr besser ausgestattet werden“, sagte Bartels unserer Redaktion. Diese spielten eine wichtige Rolle bei der Personalgewinnung. Doch eine Musterung finde nur in acht von 16 Karrierecentern statt. „Hier sollte nachgebessert werden – und nicht wie aktuell geplant reduziert.“

Und die Zeit drängt. Im Jahresbericht des Wehrbeauftragten heißt es: „Die Bundeswehr hat trotz intensiver Anstrengungen bei der Personalgewinnung erhebliche bis alarmierende Personalprobleme in einigen Verwendungsbereichen und Laufbahnen.“

Beim Krieg im Cyberraum ist die Bundeswehr schlecht aufgestellt

Besonders für den Krieg im Cyberraum ist die Truppe schwach aufgestellt. Laut Bundeswehr hat 2015 die sogenannte Bedarfsdeckung bei den IT-Feldwebeln „bei lediglich rund 38 Prozent gelegen“. Doch das Problem ist akut: Im vergangenen Jahr wurden an den zentralen Internetkonten der Bundeswehr etwa 71 Millionen „unberechtigte oder schadhafte Zugriffsversuche“ erkannt.

Deshalb wirbt die Bundeswehr aktuell um IT-Spezialisten. Die Kampagne der Werbeagentur Castenow ist betont lässig. „Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt“, so einer der Slogans. Castenow macht auch Werbung für Rewe und McDonalds. 18.000 Plakatflächen sind gebucht. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass gute Slogans den Fachkräftemangel der Bundeswehr beseitigen werden. IT-Experten können in der freien Wirtschaft meist mehr verdienen als bei der Truppe.