Eriwan/Baku/Washington. Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan flammt wieder auf. Außenminister Steinmeier fordert die Länder zu Verhandlungen auf.

Nach Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Südkaukasusregion Berg-Karabach ist die aktuelle Lage unklar. Am Sonntagvormittag sagte ein Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums, es gebe weiterhin Kämpfe mit dem aserbaidschanischen Militär an der Südgrenze der Unruheregion. Aserbaidschan kündigte am frühen Nachmittag an, die Kämpfe einstellen zu wollen. Bei den Gefechten waren am Samstag insgesamt mindestens 30 Soldaten getötet worden. Der Vorfall gilt als die heftigste Eskalation zwischen den Ex-Sowjetrepubliken seit Jahren.

Die überwiegend von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Anfang der 1990er Jahre hatte sie sich in einem Krieg für unabhängig erklärt. Ein 1994 vereinbarter Waffenstillstand ist seit Jahren brüchig. In der aktuellen Konfrontation werfen sich Armenien und Aserbaidschan gegenseitig vor, den Waffenstillstand gebrochen zu haben.

USA rufen nach Gefechten zur Zurückhaltung auf

Die US-Regierung hat die jüngste Eskalation der Gewalt im Streit um die Südkaukasus-Unruheregion Berg-Karabach „auf das Schärfste“ verurteilt. Beide Seiten müssten sich zurückhalten und an die 1994 vereinbarte Waffenruhe halten, hieß es in einer am Samstagabend (Ortszeit) verbreiteten Mitteilung von Außenminister John Kerry weiter. Der Konflikt werde sich nicht militärisch lösen lassen, sondern nur am Verhandlungstisch.

„Das sind die schwersten Kämpfe seit dem Beginn der Waffenruhe 1994“, hatte der armenische Präsident Sersch Sargsjan am Samstag in der Hauptstadt Eriwan gesagt. Die Gefechte um die Unruheregion Berg-Karabach waren in der Nacht ausgebrochen. Das Verteidigungsministerium Aserbaidschans erklärte, bei den Kämpfen seien zwölf eigene Soldaten getötet worden. Armenien sprach seinerseits von 18 Toten und 35 Verletzten.

Vereinte Nationen fordern sofortiges Ende der Kämpfe

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte von den Konfliktparteien ein sofortiges Ende der Kämpfe. Sie sollten die Waffenstillstandsvereinbarung respektieren und dringende Schritte zur Entschärfung der Lage unternehmen, hieß es in einer Mitteilung des Sprecher des UN-Generalsekretärs.

Auch die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in dem Konflikt vermittelt, verurteilte die Eskalation. Für Dienstag sei ein Treffen geplant, teilte US-Botschafter James Warlick von der Minsk-Gruppe mit. Zu dem OSZE-Gremium gehören unter anderem Russland, die USA, Deutschland, Frankreich und die Türkei.

Außenminister Steinmeier ruft zu Verhandlungen auf

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rief beide Seiten auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „In diesem Konflikt kann es keine militärische Lösung geben“, teilte der Minister mit. Wie aus dem Auswärtigen Amt in Berlin verlautete, sprach Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinem aserbaidschanischen Kollegen Elmar Mammadyarov. Am Dienstag wird demnach der armenische Präsident Sersch Sargsjan zu Gesprächen in Berlin erwartet. Deutschland hat in diesem Jahr den OSZE-Vorsitz inne.

Der russische Präsident Wladimir Putin mahnte Armenien und Aserbaidschan zur Zurückhaltung. Russland sieht sich als Schutzmacht Armeniens und hat Tausende Soldaten in dem Land mit rund drei Millionen Einwohnern stationiert. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie Chefdiplomat Sergej Lawrow führten mit ihren Amtskollegen in den Hauptstätten Eriwan und Baku Krisentelefonate.

Seit 1994 geltende Waffenruhe ist brüchig

Das überwiegend von christlichen Armeniern bewohnte Gebiet Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum muslimisch geprägten Aserbaidschan, hat sich aber Anfang der 1990er Jahre in einem Krieg mit fast 30.000 Toten von Baku losgesagt. Die seit 1994 geltende Waffenruhe ist extrem brüchig. Die Führung in Baku hat mehrfach gedroht, das abtrünnige Gebiet zurückzuerobern.

Der autoritäre aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev sprach sich in Baku für eine friedliche Lösung des Konflikts aus, warf Armenien aber vor, Berg-Karabach völkerrechtswidrig zu besetzen. Ein Sprecher des Außenministeriums teilte mit, das armenische Militär habe mit schweren Waffen Siedlungen beschossen. Auch Zivilisten seien zu Schaden gekommen. Die Armee habe einige strategisch wichtige Punkte besetzt, teilte das Verteidigungsministerium mit.

Das armenische Verteidigungsministerium sprach indes von einer Offensive Aserbaidschans mit Panzern, Artillerie und Luftwaffe. Die Streitkräfte hätten einen aserbaidschanischen Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 abgeschossen und mehrere Panzer und Drohnen zerstört. Die Behörden in Berg-Karabach berichteten von zwei getöteten Kindern. (dpa/rtr)