Berlin . Die Partei erlebt einen rasanten Aufstieg in den Umfragen. Rechtsradikale strömen in die Partei. Wie weit geht der Einfluss des Kreml?

Den Klingelbeutel braucht die Partei nicht. Die Spenden kommen wie von selbst zur Alternative für Deutschland (AfD). Allein in den vergangenen drei Wochen im Jahr 2015 waren es nach Informationen unserer Redaktion 3,1 Millionen Euro. Frisches Geld, auch neue Mitglieder, bessere Umfragen sowieso – und mehr Anfeindungen denn je, auch das.

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter warf der AfD vor, sie lasse sich von russischen Kräften finanziell unterstützen. Dahinter vermutet er sogar Kreml-Chef Wladimir Putin persönlich. „Aus meiner Sicht ja, er unterstützt rechtsradikale Netzwerke“, versicherte Kiesewetter im Deutschlandfunk. Sicherheitskreise bestätigen dies gegenüber unserer Redaktion. Und im Auswärtigen Ausschuss wird der russische Beitrag diskutiert, „allerdings nicht offen, sondern in geschlossener Sitzung“, wie der CDU-Außenpolitiker erzählt.

Partei in der „Embryophase“

Parteien, die zu schnell wachsen, sind durchaus für manipulative Einflüsse anfällig. Die Strukturen können mit dem Wachstum nicht Schritt halten. Erst vor drei Jahren entstand die Partei. Noch immer sei man in der „Embryophase“, erzählt ein AfD-Funktionär. Schon mehrere Neugründungen in der Politik sind nach kurzer Zeit an Zwist, Intrigen und Unprofessionalität zerbrochen: zum Beispiel die Schill-Partei in Hamburg und zumindest Teile der Piratenpartei.

Schneller Erfolg kann auch ein Fluch sein. Nach jedem Wahlsieg müssen Abgeordnetenplätze, Referentenstellen und Fraktionsbüros besetzt werden. Dafür aber fehlt der AfD in vielen Landesverbänden das Personal. Wer mit AfD-Politikern spricht, der hört das Unbehagen darüber, wer gerade alles in die Partei dränge. Es sind Leute mit viel Zeit, aber wenig Politikerfahrung, die einen Weg hin zu Professionalität und Geschlossenheit erschweren. Und es sind vor allem: Radikale.

Die Parteispitze will bürgerlich wirken

Die Parteispitze will nicht als „radikal“ gelten, nicht als populistisch. In der AfD wissen sie um den Imagewert der „Bürgerlichkeit“. Und anders als die Neonazi-Partei NPD sind Sympathisanten der AfD zumindest besser gebildet und verdienen auch mehr, wie der Leipziger Sozialpsychologe Elmar Brähler im Gespräch mit unserer Redaktion sagt. Gleichzeitig stellt sich die Partei aber auch gegen den „Mainstream“. Sie sieht sich als Gegenöffentlichkeit, und das Instrument dazu ist der Bruch mit den etablierten Parteien. Ein schmaler Grat.

Da ist Björn Höcke, Thüringens Fraktionschef, der über „Reproduktionsstrategien“ der Afrikaner fabuliert. Zu Kundgebungen der AfD in Erfurt kamen auch bekannte Neonazis. Die AfD verbietet zwar NPD-Plakate, aber die Parolen auf den Transparenten sind oft die gleichen. Parteifunktionäre sagen zudem, jedes neue Mitglied werde überprüft: Wer vorher in einer rechtsextremen Partei war, wird nicht aufgenommen. Und da ist ein Mann wie Alexander Gauland – früher in der CDU, heute protegiert er Leute wie Höcke.

Gauland trimmt AfD auf russlandfreundlichen Kurs

Gauland, der die AfD in Brandenburg anführt, gilt auch als Motor einer russlandfreundlichen Politik. Immer wieder betont Gauland, wie wichtig Russland für den Frieden sei. Kriegspolitik sieht er nicht so sehr beim Völkerrechtsbruch der Regierung von Wladimir Putin auf der Krim, sondern in Merkels „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland. Wut gegen Amerika und Nato, Verständnis für Russland – das kommt bei vielen gut an. Die Kritik an der Ukraine-Politik der EU gehört zur DNA der AfD. Auch sie verhalf zum Aufstieg, zumindest zum Wahlerfolg von Gauland und Co. in Brandenburg. Der Bundeschef der „Jungen Alternative“, Markus Frohnmaier, kritisiert Merkel im russischen Fernsehen oder trifft sich mit der Partnerorganisation der Putin-Partei. Russlanddeutsche unterstützen die AfD.

Die deutschen Sicherheitsbehörden beobachten eine Einflussnahme des Kremls und russischer Netzwerke auf deutsche Protestbewegungen – vor allem auf Protest von rechts. Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter zieht zwar eine direkte Linie zum Kreml – Belege blieb er bislang allerdings schuldig. In der AfD nennt man diese Vorwürfe „haltlos“ und „absurd“. Gleichwohl steckt die Partei in einem Zwiespalt. Das Verständnis für Putins Politik beschert ihr weiteren Zulauf. Es könnte sie allerdings auch in die Isolation treiben.

Erfolg mit radikalen Äußerungen

Die vergangenen Tage zeigten, wie die AfD Politik macht: Wie viel Erfolg sie mit radikalen Äußerungen in Zeiten von Flüchtlingskrise und islamistischer Bedrohung hat, in Zeiten von Pegida und nach der Silvesternacht von Köln. Die vergangene Woche zeigt aber auch, wie fragil die Partei ist. Nicht zum ersten Mal.

Noch im Sommer 2015 lag die AfD bei drei Prozent. In wenigen Wochen hatte sich die Führung zerlegt. Der Gründer und Frontmann einer vor allem eurokritischen AfD, Bernd Lucke, trat zurück. Mit ihm verließen fast 5000 Mitglieder die Partei – darunter Nationalliberale und Konservative. Gemäßigte, Leute, die Geld in die Partei gebracht hatten. Rechts war die AfD immer schon. Mit Luckes Abgang war auch das bürgerliche Image einer „Professorenpartei“ dahin. Der Rechtsaußen-Flügel hatte sich an der Spitze durchgesetzt. Seitdem verschärft die AfD ihre Rhetorik, sie provoziert, eskaliert. Sie malt Drohszenarien aus und sieht sich zugleich als Partei einer Bürgerbewegung, die dem Wandel der Moderne die Reaktion entgegensetzt: Volk statt Fremde, Abendland statt Islam, alte Tugenden statt Homo-Ehe. Vor allem fand sie mit der Flüchtlingskrise ein neues Thema mit frischem Erregungspotenzial.

Das Radikale fasziniert offenbar viele Deutsche. Die Entfremdeten finden eine neue politische Heimat: Ex-CDU-Anhänger, die das Konservative in der Union vermissen, Ostdeutsche, die sich abgehängt fühlen vom Westen, neidisch sind und sich bevormundet fühlen, wie der Sozialpsychologe Elmar Brähler erklärt. Bürger, die sich in Massenmedien und Politik nicht mehr wiederfinden. Und Menschen mit rassistischen Vorurteilen.

Womöglich ist das Potenzial noch größer

In halb Europa sind die Rechtspopulisten derzeit auf dem Vormarsch. Der Front National in Frankreich, die Schwedendemokraten und die dänische Volkspartei in Skandinavien, die FPÖ in Österreich. Ihre Vorstellung von Migrationspolitik setzt die deutsche Asylpolitik unter Druck. Und ihre Wahlerfolge sind nicht zuletzt auch Rückenwind für die AfD in Deutschland.

Wahlforscher wie Jürgen W. Falter von der Universität Mainz halten das Potenzial der AfD sogar für größer als aktuelle Umfragen wiedergeben. Auch in der CDU-Spitze geht man davon aus, dass viele AfD-Wähler sich gegenüber Umfrageinstituten nicht „outen“ wollen. Mittlerweile hat die Partei auch wieder 21.000 Mitglieder und damit den Abgang von Luckes Leuten ausgeglichen. Und die politische Eskalation ist durch die AfD bis in die gesellschaftliche Mitte vorgedrungen.

Parteichefin Petry berauscht sich an den steigenden Umfragen

Nachdem Parteichefin Frauke Petry Waffengewalt gegen Asylsuchende an der deutschen Grenze als letztes Mittel nicht ausgeschlossen hatte, steht sie unter Druck. Von den Medien fühlt sie sich in die Ecke gedrängt, Grüne und SPD-Politiker riefen gar nach dem Verfassungsschutz. Kritik kam auch aus den eigenen Reihen: von Unverständnis über Irritationen und Verärgerung. Einige verteidigten Petry. Manche waren wütend – und doch nahmen sie die Chefin öffentlich in Schutz. Schließlich steht der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt an.

Die Hoffnung auf einen Wahlerfolg lässt die Führung wieder zusammenrücken. Vor Kurzem hat Petry ein Bild auf ihrem Facebook-Profil gepostet. Es zeigt bunte Balken, dazu Zahlen – die aktuelle Wahlumfrage der ARD. Der hellblaue Balken auf dem Diagramm gehört zu ihrer Partei. Er steht bei zwölf Prozent, mehr als Linkspartei oder Grüne. Zwölf Prozent, ein Rekordwert. Was fällt Petry dazu ein? „Anmerkung: Bisher“, schreibt sie – und setzt einen Smiley dahinter.