Berlin. Dieses Jahr schieben die Bundesländer 18.000 Asylbewerber ab. Doch laut Polizei-Gewerkschaft gibt es noch 190.000 Ausreisepflichtige.

Die Zahl der Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern aus Deutschland ist in den vergangenen Monaten deutlich nach oben gegangen. Bis Ende November wurden 18.363 Fälle gezählt. Das geht aus einer Aufstellung des Bundesinnenministeriums hervor, über die dpa berichtet. 2013 waren es lediglich 10.884 Abschiebungen gewesen.

Doch dieser Anstieg ist nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) bei weitem nicht genug. Die Länder müssten abgelehnte Asylbewerber „viel konsequenter abschieben“, sagte GdP-Vizechef Jörg Radek dieser Zeitung. Die Zahlen seien 2015 zwar auf 18.000 gestiegen, doch gebe es insgesamt 190.000 Ausreisepflichtige.

Warnung vor einem Rückstau

Der Personenkreis werde potenziell noch weiter wachsen, weil im laufenden Jahr mehr Migranten denn je gekommen seien, warnte Radek. Wenn Bund und Länder jetzt nicht handelten, „entwickelt sich ein Rückstau“, sagte er. Ländern wie Bremen und Thüringen warf er „einen mangelhaften politischen Willen“ vor, abzuschieben.

Die Länder sollten nach Radeks Ansicht abgelehnte Asylbewerber auch deshalb abschieben, weil die Flüchtlingsheime und Erstaufnahmelager an eine Kapazitätsgrenze stießen. Die Enge führe zu mehr Spannungen und Massenschlägereien wie zuletzt in Hamburg, in der Folge auch zu mehr Polizeieinsätzen. Die Situation drohe sich zu verschärfen, wenn nicht gegengesteuert werde. „Wenn sie großzügigere Räume haben, dann haben wir auch weniger Polizeieinsätze für die Kollegen“, erläuterte Radek.

Radek fordert mehr Personal für die Bundespolizei

Vom Bund forderte Radek mehr Personal für die Bundespolizei. Sie übernimmt einen Großteil der Rückführungen mit dem Flugzeug. Im Regelfall werden die Asylbewerber gruppenweise abgeschoben. Für solche so genannte Sammelrückführungen, die aus etwa 250 Personen bestehen, werden eigens Flugzeuge gechartert.

Zur Begleitung auf einem Flug würden „gut und gern 30 Beamte eingesetzt“, so Radek. Einzelrückführungen sind die Ausnahme und kommen nur bei einer „Gefährdungsprognose“ in Frage, also wenn erwartet wird, dass der Asylbewerber Widerstand leistet. „Da wird gespuckt, getreten und gebissen – dann kommen schon mal pro Fall vier Polizisten zum Einsatz.“

Seit es in den 90er-Jahren zu zwei Todesfällen kam, gilt bei der Bundespolizei der Grundsatz: keine Rückführung um jeden Preis. „In der Regel haben wir es mit friedlichen Leuten zu tun“, sagte Radek.

Die im Sommer neu geschaffene Abschiebehaft für abgelehnte Asylbewerber ist bisher noch nicht angewandt worden. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Die Regelung zum Ausreisegewahrsam gilt seit Anfang August: Ein abgelehnter Asylbewerber, der im Verdacht steht, sich der Abschiebung zu entziehen – also etwa unterzutauchen, kann bis zu vier Tage in Gewahrsam genommen werden.

Grüne fordern von Juncker Verfahren gegen Deutschland

Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, hält die Regelung für rechtswidrig. „Um Handlungsfähigkeit in der Migrationspolitik zu simulieren ist der Bundesregierung jedes Mittel recht – und sei es noch so untauglich und rechtswidrig“, sagte Beck. „Mit großem Trara hat die Bundesregierung im Sommer die Einführung eines neuen Ausreisegewahrsams verkündet, der faktisch auch ohne Haftgrund zur Vorbereitung der Abschiebung verhängt werden kann.“ Haft ohne Haftgrund verstoße jedoch gegen die Vorgaben des EU-Rechts.

Volker Beck und Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik in der Grünen-Fraktion, haben deshalb einen Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschrieben. In dem Brief, der dieser Zeitung vorliegt, ersuchen sie die EU-Kommission um die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik.

In einer Bundestagsdebatte Anfang Juli hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Ausreisegewahrsam verteidigt. Es könne nicht sein, dass Ausreisepflichtige dauerhaft im Land bleiben, sagte der CDU-Politiker damals. „Da macht sich der Rechtsstaat lächerlich.“

Es kommen weniger Menschen über die Grenze nach Bayern

Unterdessen wurde bekannt: Die Zahl der eingereisten Migranten hat sich im Dezember im Vergleich zum Vormonat mehr als halbiert. Aus einer Statistik der Bundespolizei, die Reuters vorliegt, geht hervor: Bis Sonntag, den 20. Dezember, wurden bei Kontrollen 73.500 Migranten gezählt. Im Vormonat waren es im selben Zeitraum schon 170.000 gewesen.

Die Zahlen im Dezember variieren bisher zwischen 2000 und 5000 Einreisen pro Tag. Am Sonntag wurden knapp 3500 Migranten gezählt, davon 3066 in Bayern. Anders als noch im Vormonat führt die Bundespolizei seit Anfang Dezember Flüchtlinge, die dabei sind, in ein anderes Land auszureisen, gesondert auf. Von den 73.500 festgestellten Personen im Dezember betrifft dies rund 6000 Menschen, die sich meist auf dem Weg per Zug oder Fähre nach Skandinavien befanden. Netto beläuft sich die Zahl der Einreisen damit im Dezember bislang auf rund 68.000.

Bis Ende November kamen 965.000 Flüchtlinge nach Deutschland

Die Zahlen der Bundespolizei basieren auf stichprobenartigen Kontrollen in den Grenzregionen. Die Länder wiederum führen in der Datenbank Easy die von ihnen registrierten Flüchtlinge auf. Demnach kamen bis Ende November 965.000 Menschen ins Land. Die Marke von einer Million ist damit inzwischen deutlich überschritten worden.

Als Gründe für den Rückgang gelten die winterlichen Temperaturen und das Wetter in der Ägäis, weswegen viele Menschen die Bootsüberfahrt von der Türkei nach Griechenland scheuen. Zudem hat die Türkei die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt.