München. Beate Zschäpes Erklärung im NSU-Prozess ist offiziell für Mittwoch angekündigt. Doch die Angeklagte macht es wieder einmal spannend.

Ein halbes Dutzend Kamerateams friert am Dienstagmorgen am Stiglmaierplatz vor dem Münchner Justizzentrum. Die Schalte zum „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF ist bereits absolviert. Jeder noch so nebengeordnete Nebenklägeranwalt wird von den Journalisten abgefangen, um irgendetwas dazu zu sagen, was Beate Zschäpe wohl mitteilen werde.

Doch wird sie überhaupt etwas mitteilen? Seit Wochen ist eine Erklärung der Hauptangeklagten im NSU-Prozess angekündigt, seit Wochen kommt immer wieder irgendetwas dazwischen. Die Befangenheitsanträge der Verteidigung von Ralf Wohlleben. Die neuerlichen Misstrauensanträge Zschäpes gegen ihre alten drei Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. Oder der Urlaub vom Hermann Borchert, dem neuesten ihrer inzwischen fünf Verteidiger, der hinter ihrer neuen Strategie stecken soll.

Diese Strategie hatte Mathias Grasel – er ist Verteidiger Nummer vier – am Montag im „Bayerischen Rundfunk“ präzisiert. Beate Zschäpe, sagte er, wolle sich nach vier Jahren des Schweigens „zu allen Anklagepunkten“ äußern: „Ziel der Erklärung wird sein, einige Umstände in das Verfahren einzuführen, die bei der Bewertung der Tat- und Schuldfrage letztendlich für das Gericht von Bedeutung sind. Das heißt konkret: Was war das Wissen von Frau Zschäpe? Worin war sie involviert, worin nicht? Wovon hatte sie keine Kenntnis?“

Keine Zeugen für Mittwoch und Donnerstag geplant

An diesem Dienstag könnte es also losgehen. Theoretisch. Das Gericht hat nur einen Polizisten als Zeugen geladen, der etwas zu den Ausweisen und Bahncards der mutmaßlichen NSU-Terroristen sagen soll. Kleinkram also. Für die Verhandlungstage am Mittwoch und Donnerstag sind gar keine Zeugen eingeplant.

Doch Beate Zschäpe macht es wieder einmal spannend. Am Montagnachmittag verschickte das Oberlandesgericht ein Fax an alle Prozessbeteiligte. Darin wird der Inhalt eines Anrufs von Hermann Borchert bei Gericht wiedergegeben. Seiner Mandantin gehe es „physisch und psychisch schlecht“, habe der Anwalt berichtet. Die Worte „Heulkrampf“ und „Nervenzusammenbruch“ seien gefallen.

Deshalb, so habe Borchert angekündigt, solle die Erklärung erst am Mittwoch verlesen werden. Tags darauf benötige seine Mandantin dann Erholung. Er könne „sich vorstellen, dass sie zum Arzt gehen“ werde. Die Verhandlung am Donnerstag solle bitte ausfallen.

Ein Zusammenbruch ist Zschäpe nicht anzusehen

Am Dienstag ist Zschäpe allerdings nichts von Krämpfen oder Zusammenbrüchen anzusehen. Um 9:43 Uhr erscheint sie im Gerichtssaal, als sei nichts geschehen, im schwarzen Anzug, die Haare zum Zopf gebunden.Wie der Auftritt einer Diva. Ihre drei alten Anwälte schaut sie nicht einmal an, dafür schwatzt sie mit Grasel, scherzt mit einem Verteidiger Wohllebens und zeigt den Fotografen ausschließlich ihren Rücken.

Der Saal ist proppenvoll, jeder Platz auf der Besuchertribüne besetzt. Die Angehörigen von Mehmet Kubasik aus Dortmund sind da, er war im Sommer 2006 eines der letzten Mordopfer, die dem NSU zugerechnet werden. Auch die Eltern von Halit Yozgat, der im selben Jahr in Kassel erschossen wurde, sitzen im Saal A 101, in dem sich die etwa 100 Prozessbeteiligten an diesem Tag zum immerhin 248. Mal versammelt haben.

Doch sie alle sind umsonst gekommen, vorerst jedenfalls. „Die Einlassung ist nicht für heute sondern für morgen vorgesehen“, teilt Grasel in amtlichem Ton mit. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl verzieht nicht einmal das Gesicht, lässt es sich aber nicht nehmen, die Hauptangeklagte anzusprechen. „Frau Zschäpe, wie geht es Ihnen heute?“, fragt er freundlich. „Gut“, sagt leise die Angeklagte – was, wenn auf der Pressetribüne richtig mitgezählt wurde, ihr drittes öffentliches Wort in zwei Jahren Prozessdauer ist.

Zschäpe beantwortet Fragen nicht selbst

Grasel fügt noch an, dass Zschäpe nach der Verlesung der Erklärung „einen schriftlichen Fragenkatalog“ des Gerichts beantworten werde. Ob denn die Angeklagte selbst antworten werde, fragt Götzl nach. „Nein, die Beantwortung werde ich übernehmen“, sagt der Anwalt. Er denke auch nicht, dass dies ad hoc sein werde“. Dann wiederholt er die Bitte Borcherts, den Verhandlungstag am Donnerstag ausfallen zu lassen. „Ich denke, dass die Belastung nach der Erklärung einigermaßen groß sein wird.“

Danach passiert nicht mehr viel. Der Zeuge ist binnen einer halben Stunde befragt, danach verliest das Gericht einige Anträge und Artikel, die zu einem Beweisantrag gehören. Nebenher wird noch bekanntgegeben, dass ein Antrag Zschäpes vorliegt, auch Borchert als Pflichtverteidiger zu bestellen. Bisher fungiert er nur als ihr Wahlverteidiger. Das heißt, sie muss ihn selbst bezahlen, wobei niemandem in München so recht klar ist, wovon eigentlich.

Ralf Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders sagt noch auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters, dass „eine Einlassung“ ihres Mandanten zwar geplant sei, sie jedoch „noch keinen Termin“ nennen könne. Diese Woche werde es aber in jedem Fall nichts mehr.

„Ich glaube nicht, dass die Wahrheit gesagt wird“

Am Mittag ist auch dieser 248. Verhandlungstag vorbei. Vor dem Gerichtsgebäude herrscht vor allem Ratlosigkeit. Dass Zschäpe nur die Fragen der Richter beantworten wolle, sei „ein Schlag ins Gesicht der Opfer“, sagt Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler unserer Zeitung. Er denke nicht, dass die Erklärung eine große Bedeutung für den Prozess haben werde.

Ähnlich formuliert es Gamze Kubasik, die Tochter Mehmet Kubasiks, die mit Mann und Baby nach München gekommen ist. „Ich glaube nicht, dass die Wahrheit gesagt werden wird“, sagt sie in die Kameras. Was an diesem Tag in ihr vorherrsche, sei insbesondere ein Gefühl: „Enttäuschung“.