Essen. Die „Alfa“-Partei von Bernd Lucke gibt es seit 100 Tagen. Doch die Partei hat Sorgen. Es gibt einen anderen Verein mit gleichem Namen.

100 Tage nach Gründung der neuen Partei „Alfa“, muss die politische Vereinigung von Ex-AfD-Chef Bernd Lucke nun um ihren Namen kämpfen. Ein Verein mit 11.000 Mitgliedern bundesweit macht Lucke den Namen „Alfa“ streitig. „Wir haben jetzt Klage vor dem Landgericht Augsburg eingelegt“, erklärte am Montag Claudia Kaminski, Bundesvorsitzende von „ALfA“. Das ist die Abkürzung für Aktion Lebensrecht für Alle.

„Als überparteiliche und überkonfessionelle Lebensrechtsorganisation legen wir Wert darauf, nicht mit der von Herrn Professor Lucke gegründeten Partei und den von ihr vertretenen Ansichten und Positionen in Verbindung gebracht zu werden“, erklärt Kaminski. „Die ALfA wirft der Partei vor, durch den widerrechtlichen Gebrauch der Kurzbezeichnung ALFA ihre Rechte zu verletzten und gegen das Namensrecht zu verstoßen.“

Alfa-Partei zählt inzwischen 2500 Mitglieder

Eigentlich störe man sich nur an der Abkürzung Alfa, sagte die stellvertretende Vorsitzende Alexandra-Maria Linder bereits im Juli, unmittelbar nach Gründung der Alfa-Partei. Deshalb hatte Linder anfangs eine gütliche Einigung versucht. Aber von der Partei sei eine Antwort auf mehrere Kontaktversuche bis heute ausgeblieben.

Auch gegenüber der Presse ist man bei Alfa wortkarg: „Wir bestätigen, dass von der Gegenseite im Nachgang zur einstweiligen Verfügung Klage in der Hauptsache beim Landgericht erhoben wurde“, sagt Alfa-Sprecher Christian Schmidt. „Weitere Kommentare geben wir darüber zur Zeit nicht.“

2500 Mitglieder zählt man bei der Alfa inzwischen. „Etwa 30 Prozent sind ehemalige AfD-Mitglieder“, sagt Sprecher Schmidt. Seit August hat die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ Landesverbände unter anderem in NRW, Berlin und Bayern gegründet. Als nächste sollen Sachsen-Anhalt, Hessen, Thüringen und Brandenburg folgen. Alle sollen selbstverständlich weiterhin unter „Alfa“ firmieren. Der Name sollte klanglich nah an der AfD liegen, aus der Parteigründer Lucke nach einem Disput mit seiner AfD-Nachfolgerin Frauke Petry ausgetreten war. Und der Parteiname war gewählt worden, um möglichst weit vorne auf den Wahlzetteln zu stehen. Dabei half, laut Alfa-Sprecher Schmidt, auch eine Agentur für Namensfindung. Die habe im Vorfeld angeblich „auch namensrechtlich alles geprüft“.

„Vor dem Fortschritt steht der Aufbruch und nicht umgekehrt!“

Auch der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. in Münster ist über die Lucke-Partei verärgert. Von rechtlichen Schritten nimmt man jedoch Abstand, sagt Vorstandsvorsitzende Ellen Abraham auf Anfrage. Aber auch sie hat bis heute keine Antwort auf ihre briefliche Bitte an Lucke vom 22. Juli, „dass Sie einen Ausweg aus diesem Parteinamen-Dilemma finden“.

Abraham liefert darin eine Loriothafte Namens-Interpretation, die Lucke nahelegt, er hätte seine Partei zum Beispiel besser „ALFO“ nennen sollen: „Vor dem Fortschritt steht der Aufbruch und nicht der Fortschritt vor dem Aufbruch! Aus dem Akronym ALFA hätte dann allerdings schnell das Akronym ALAF werden können. Das galt es sicherlich zu verhindern. Da Aufbruch Voraussetzung für Fortschritt ist, hätte das Akronym aus der Allianz für Aufbruch und Fortschritt auch gut ALFO lauten können. Damit wäre verhindert worden, dass die Partei mit ihrem Namen in die ALFA-Szene rutscht.“

Der Bundesverband Alphabetisierung betreut unter anderem das „Alfa-Telefon“ für die anonyme Beratung von Menschen, die nicht schreiben und lesen können. „Daran haben wir die Markenrechte“, berichtet Abraham. „Für unsere Fachzeitschrift ALFA-Forum besteht der grundsätzliche Titelschutz für Publikationen“, sagt sie. Auch Abraham befürchtet, „in einen Topf geworfen (zu) werden“ mit der ALFA-Partei.

Lucke-Partei hat Markenrecht für „Alfa“-Namen beantragt

Der Lebensrecht-Verein und die Alfa-Partei haben inzwischen Markenrechte auf die Abkürzung Alfa angemeldet. Beim Lebensrechtsverein hatte man bei der Gründung 1977 schlicht die Notwendigkeit dafür nicht gesehen, war aber jetzt immerhin gut sechs Wochen schneller mit der Anmeldung als die Alfa-Partei. „Der ‘Zeitrang’ des Antrags kann später wichtig werden in einem eventuellen Streit um eine Marke“, sagt ein Sprecher des Deutschen Marken- und Patentamts (DPMA) in München. Beide Anträge werden noch geprüft, ist dem Online-Register zu entnehmen. „Das kann einige Monate dauern“, sagt der Sprecher. Eine Eintragung scheint wohl für beide erstmal nicht unwahrscheinlich und würde beiden Kontrahenten weitere Rechtswege eröffnen, heißt es: „Wir verleihen nicht das Recht, einen Namen zu benutzen, sondern das Recht, andere von der Nutzung eines Namens auszuschließen“.

Viele Parteien haben ihre Logos oder auch Wahlslogans marken- und bildrechtlich schützen lassen. Mit dem Wort „Alfa“ gibt es aktuell um die 50 Einträge, die geschützt sind. Darunter etwa Name, Schriftzug und Logo des italienischen Autoherstellers Alfa Romeo. Der jedenfalls hätte beim Deutschen Patent- und Markenamt rechtlich keine Handhabe, sich gegen die Alfa-Partei zu wehren, erklärt man in München. Das geht nur, wo sich der Markenschutz auf den gleichen „Waren- und Dienstleistungssektor“ bezieht und sich deshalb zum Beispiel eine Verwechslungsgefahr ergeben könnte.

Mehr Zeit für Parteinamen nehmen

Die Leute um Gründer Bernd Lucke hätten sich indes wohl mehr Zeit nehmen sollen für die Auswahl des Parteinamens, meint Sybille Kircher, Geschäftsführerin der Düsseldorfer Kommuniaktionsagentur Nomen, wo man Namen kreiert, etwa für Autos, Lebensmittel oder Kosmetik. „Das Kreative macht nur etwa ein Viertel einer Namensfindung aus“, sagt Kircher. Einen Großteil der Zeit nehme es in Anspruch, mögliche negative Assoziationen zu prüfen und mögliche ähnliche Rechteinhaber. Denn ein Rechtsstreit kann teuer werden.

„Wir werden diesen Rechtsstreit gewinnen“, glaubt Alfa-Sprecher Christian Schmidt. Mit einem Eilverfahren war der Verein Aktion Lebensrecht für Alle jüngst vor Gericht in Augsburg gescheitert. Doch die Vereins-Vorsitzende Claudia Kaminski gibt sich kämpferisch, zwischen den Zeilen hätten die Richter ihr Mut gemacht: „Wir wollen im Interesse unserer Mitglieder sowie für die Bürger und die Medien in unserem Land unterscheidbar bleiben. Das halte ich durch die unglückliche Namenswahl der kürzlich gegründeten Alfa-Partei nicht mehr für gegeben.“