Berlin. Der Terror wird langsam zum Alltag. Bei „Hart aber fair“ war damit erneut die Diskussion um die Positionierung der Muslime verbunden.

Der Terror wird auch in Europa langsam zum Alltag. Allein am Montag ereigneten sich in den Hauptstädten des Kontinents gleich zwei Anschläge. In Paris fuhr ein mutmaßlicher Islamist in einen Polizeiwagen. In London attackierte ein mutmaßlich islamfeindlicher Angreifer Muslime mit einem Lieferwagen. Die Vorfälle mehren sich – und verändern dabei schleichend unsere Gesellschaft.

Diesem Aspekt ging am Montagabend auch „Hart aber fair“ nach. Was bedeutet es für das kollektive Bewusstsein, wenn ständig Attentate stattfinden? Was kann man gegen die damit verbundenen Gefühle tun? Und hört das auch wieder auf? So lauteten einige der Fragen, die Frank Plasberg seinen Gästen stellte.

Der Psychologe

Dietmar Heubrock hatte für den psychologischen Teil zum Teil klare Antworten parat. „Wir haben uns schon ein bisschen an die Terrorlage gewöhnt“, sagte der Psychologe. So sei etwa zu erklären, dass sich viele Menschen bestens an die Bilder vom 11. September 2001 erinnern könnten, während viele die Anschläge aus der jüngeren Vergangenheit schon wieder vergessen hätten. „Das ist nicht kaltherzig, sondern notwendig, um handlungsfähig zu bleiben“, befand Heubrock. Zugleich verwies der Psychologe darauf, dass sich Wahrnehmung von Bedrohungen ständig änderten. Kürzlich sei noch die Angst vor den Antänzern umgegangen, jetzt sei es der Terrorismus.

Auf dieser Grundlage warb Heubrock darum, die Sicherheitskräfte besser auf die neuen Formen des Terrors vorzubereiten. So könne es durchaus passieren, dass auch Frauen und Kinder zu Attentätern werden. Daher müssten Polizisten bereit sein, im Zweifel auch gegen solche Ziele ohne zu zögern vorzugehen.

Die Muslima

Über Lamya Kaddor wurde in der Diskussion erneut die Verbindung zu den Muslimen hergestellt. Müssen sich diese nicht eindeutiger vom islamistischen Terror distanzieren? Diese Frage wird in Deutschland spätestens seit der Absage von Rock am Ring geführt. Zu der unter anderem von der Islamwissenschaftlerin Kaddor initiierten Demo, bei der sich Muslime zu dem Thema positionierten, kamen am Sonntag statt der erwarteten 10.000 nur rund 1.000 Teilnehmer.

„Ich war schon vorher enttäuscht“, sagte Kaddor dazu. Sie habe tagelang versucht, die Religionsverbände, allen voran Ditib, zu mobilisieren. Das sei am Ende gescheitert. Die Obergrenze der Teilnehmer von 10.000 habe sie schon „mächtig unter Druck gesetzt“, räumte Kaddor ein. Allerdings sei die bloße Diskussion der Zahl fehlgeleitet. „Der Geist war auf dieser Demo wunderbar, ich lasse mir das nicht kaputtreden.“

Die Betroffene

Dass die Attentäter es im Idealfall selbst bei direkt Betroffenen nicht erreichen, dass die Lebensweise geändert wird, belegte Julia Schmitz, die den Anschlag auf das Pariser Bataclan überlebt hat. „Wir gehen nach wie vor auf Konzerte“, sagte Schmitz über sich und ihren Mann. Kurz vor dem Angriff hatten sich die beiden in den oberen Teil des Konzertsaales begeben. Von dort hatten sie hinter eine Feuertür flüchten können, wo sie ausharrten, bis alles vorbei war.

Allerdings sind die Geschehnisse auch an Schmitz nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Der Anschlag habe der Angriff bei ihr dazu geführt, dass sie jetzt genauer hinschaue, sagte Schmitz. „Ich bin interessierter als vorher, das ist ein Riesenthema für uns.“

Der Terrorexperte

Die mitunter ausgewogensten Standpunkte nahm schließlich der Journalist Georg Mascolo ein. „Man muss damit rechnen, dass die Anschläge immer perfider werden“, sagte der Terrorexperte. Schließlich werde auch und gerade mit psychologischen Wirkung der Taten kalkuliert. Daraus ergebe sich ein beliebiges Muster, dass es so schwierig mache, sich darauf einzustellen: „Es kann jeden und überall treffen.“

Zugleich prognostizierte Mascolo, dass diese Art des Terrors möglicherweise noch lange weitergehen wird. Allerdings dürfe man nicht schwarzmalen. So seien viele negative Szenarien, die etwa nach dem 11. September prognostiziert worden waren, nicht eingetreten. Damit verknüpfte Mascolo den vielleicht besten Ansatz im Umgang mit der derzeitigen Situation: „Man muss wachsam und beunruhigt sein. Gleichzeitig sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass das gerade die Spitze der Entwicklung ist.“

Die aktuelle Ausgabe von „Hart aber fair“ gibt es in der ARD-Mediathek.