Berlin. „Spaltet Religion die Welt?“, fragte Sandra Maischberger in ihrem ARD-Talk. Es gab einige steile Thesen – und eine kleine Wutrede.

Heiner Geißler, inzwischen auch schon 87 Jahre alt, ist einmal auf einem Jesuitenkolleg zur Schule gegangen. Er gehört seit Jahrzehnten zur CDU, die das Christliche im Namen trägt. Heute sagt er: „Ich habe den Glauben total verloren.“ Nicht den Glauben an Gott, wohlgemerkt, aber den Glauben an die Kirche mit ihren „Dogmen, die irgendwelche Theologen erfunden haben“. Mit Gott werde ja „so viel Missbrauch getrieben“, so Geißler.

Das kann man wohl sagen! In Ägypten werfen IS-Attentäter Sprengsätze in koptische Kirchen – Dutzende sterben. In Myanmar sind Zehntausende Mitglieder der muslimischen Minderheit der Rohingya auf der Flucht vor der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung. Und in Europa ziehen Terroristen von Paris über Berlin und Brüssel bis Manchester eine blutige Spur – und berufen sich dabei auf Allah. Gewalt und Vertreibung im Namen der Religion ist heute grausamer Alltag.

Muslime unter Druck, sich abzugrenzen

Weil die ARD gerade ihre Themenwoche „Woran glaubst Du?“ aufführt, fragte Sandra Maischberger ihre Gäste: „Spaltet Religion die Welt?“. Nun, jedenfalls spaltete sie ihre Talkrunde. Denn direkt neben Heiner Geißler saß Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Muslima.

Die Muslime, auch in Deutschland, stehen angesichts der islamistischen Terrorwelle immer mehr unter dem Druck, sich abzugrenzen. Für Hübsch ein ganz wunder Punkt. „Tag und Nacht muss ich mich rechtfertigen“, redete sie sich bei Sandra Maischberger in Rage, „in jeder Talkshow.“ Das sei „öde, ein erbärmliches Niveau. Irgendwann wird man müde“. Sie fordere schließlich auch nicht, „dass, nachdem jeden Tag drei Flüchtlingsheime angezündet werden, die Deutschen auf die Straße gehen“.

Glauben als Streitthema bestens geeignet

Khola Maryam Hübsch (li.) stritt mit Heiner Geißler (M.) bei Sandra Maischberger über Gott und die Welt.
Khola Maryam Hübsch (li.) stritt mit Heiner Geißler (M.) bei Sandra Maischberger über Gott und die Welt. © imago/Klaus W. Schmidt | Klaus W. Schmidt

Hübsch findet: Der Islam bringt nicht das Unheil in die Welt. Kriege und Gewalt seien vor allem die Folge „wirtschaftlicher Interessen“ und der verbreiteten „sozialen Ungleichheit“. Das brachte dann wieder Heiner Geißler ins Spiel, der das ganz anders sah: „Die Welt ist vollkommen in Unordnung.“ Und wer sorgt dafür? Geißler: „Der Islam richtet nur Unordnung an.“ Früher hätte das Christentum das „genauso gemacht“. Immerhin. Die Talkrunde zeigte schnell: Zwar bekennen sich in Deutschland immer weniger Menschen zu einer Religion – aber als Streitthema ist der Glauben bestens geeignet. Und mangelnde Kenntnisse über Religion werden durch umso größeren Eifer ausgeglichen. Selbst die Moderatorin und bekennende Atheistin Angelika Kallwass hatte etwas Transzendentes beizutragen: „Das Jenseits ist eine wunderschöne Idee.“

Käßmann: Aus Christentum „keine sonnige Geschichte machen“

Das war Kallwass dann fast schon einig mit dem Publizisten und Hardcore-Katholiken Martin Lohmann, für den das Christentum vor allem „eine Religion des Friedens“ ist. Und die Kreuzzüge? Nun ja, da sei wohl „einiges schiefgelaufen“. Das war auch der protestantischen Ex-Bischöfin Margot Käßmann zuviel. Man solle aus dem Christentum „keine sonnige Geschichte machen“, mahnte sie.

Gegen Ende zerfaserte die Diskussion dann doch arg: Abtreibung, Beschneidung, Kirchensteuer, konfessionelle Kindergärten und das Kreuz auf dem Berliner Stadtschloss – alles wurde angerissen, nichts wirklich beleuchtet. Ganz zum Schluss durfte Martin Lohmann dann noch schnell erklären, um was es an Fronleichnam geht. Moderatorin Maischberger ließ das alles geschehen – sie hatte wohl irgendwann während der 75 Minuten den Glauben an eine fruchtbare Debatte verloren.

Die komplette Sendung von Sandra Maischberger ist hier abrufbar.