Berlin. Der Münchner „Tatort“ hätte ein spannendes Psychogramm werden können. Der Stoff war interessant – die Umsetzung dann allerdings nicht.

Dieser Star-Architekt, das kann man nicht anders sagen, hat einen Schlag bei Frauen: Thomas Jacobi führt eine Beziehung mit Verena Schneider. Und mit Andrea Slowinski. Außerdem mit Julia Stephan. Ebenso mit Anna Marie Fritsch. Und, tatsächlich, auch noch mit Heike Gonzor. Das Pikante an diesem amourösen Durcheinander: Zumindest vier der fünf Frauen glauben zunächst an die Exklusivität ihrer Liaison.

Bis es kracht – und die Fassade schlagartig bröckelt. Verena Schneider erfährt von Andrea Slowinski, zofft sich in der Nacht mit ihrem Liebhaber Jacobi – und am nächsten Morgen entdeckt die Nachbarin schließlich ihre Leiche in der Garageneinfahrt. Später wird auch noch Andrea Slowinski tot aufgefunden. Der Frauenheld Jacobi rückt schnell ins Zentrum der Ermittler Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec).

Im „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ hätte der Regisseur mit dieser Ausgangslage von Verlangen, Eifersucht, den Abgründen der Liebe und männlicher Eitelkeit erzählen können. Doch anstatt diese Gefühle zum Klingen zu bringen, bleiben die Figuren im zweiten „Tatort“ des Regisseurs Rainer Kaufmann seltsam blass und blutleer. Die Auflösung ist so originell wie Toastbrot.

Die größten Klischees

Nicole Büchner (Hanna Scheibe) ist eine Stalkerin wie aus dem Bilderbuch. In der Einführungsszene beobachtet sie Jacobi, um dessen Aufmerksamkeit sie buhlt, aus einem Gebüsch heraus. Es ist dunkel, sie blickt in sein beleuchtetes Architektenbüro, und steckt sich aufgekratzt eine Zigarette nach der anderen an. Der Klangteppich der Szene: Schräge Streicherklänge, Dissonanzen. So wird auch noch dem letzten „Tatort“-Zuschauer klar, dass Büchner ein offenbar gestörtes Verhältnis zu Jacobi hat.

Thomas Jacobi (Martin Feifel) und Nicole Büchner (Hanna Scheibe), die um seine Aufmerksamkeit buhlt.
Thomas Jacobi (Martin Feifel) und Nicole Büchner (Hanna Scheibe), die um seine Aufmerksamkeit buhlt. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden

Und das männliche Objekt der Begierde? Der kommt als dezent antrainierter Künstlertyp daher, weißes Leinenhemd mit Mao-Kragen, haut auf den Tisch, und stößt auch mal ein Urmensch-artiges Gebrüll aus, wenn es denn sein muss. Natürlich fährt er keinen normalen Sportwagen, sondern etwas Ausgewähltes: Ein britisches Fabrikat des Herstellers Jensen, mächtiger Motor, bordeauxrot. Damit röhrt er auch zu seiner Frau Andrea Slowinski.

Und die Stalkerin Nicole Büchner tuckert mit ihrem Kleinwagen hinterher. Damit ist das Machtverhältnis eindeutig geklärt.

Erwartbare Dialoge

Die Dialoge strotzen nicht gerade vor Einfallsreichtum. Viele sind erwartbar, dass einem die Füße auf dem Sofa einschlafen. Eine Kostprobe?

Nicole Büchner: „Wenn ich dich anrufe, drückst du mich weg, das geht jetzt schon seit sechs Wochen so, meinst du ich merk’ das nicht?“ Thomas Jacobi: „Ich hab viel zu arbeiten“. Sie: „Du fehlst mir.“ Er: „Du fehlst mir auch. Aber ich habe im Moment einfach im wahrsten Sinne des Wortes zu viele Baustellen.“ Sie: „Zu viele Baustellen? Genau das ist es, du vögelst in der Gegend rum und machst noch nicht mal vor meiner besten Freundin Halt.“ Er: „Also, wenn du doch ein Problem damit hast, dass ich so wenig Zeit für dich haben, dann müssen wir es lassen Nicki“ (...) Sie: „Ich liebe dich“.

Die München-Szene

Die Wohnungsnot in München ist groß, klar. Aber so groß, dass eine Wohnung, in der eine alte Frau gestorben ist, keine anderthalb Tage leersteht, bevor sich die ersten Interessenten im Treppenhaus drängen? Möglich in der „Tatort“-Welt. „Hey, hinten anstellen“, rufen die Wartenden Leitmayr und Batic zu, die sich an der Schlange vorbeimogeln.

Vor der Haustür fragt der Makler: „Sie haben Ihre Papiere ausgefüllt?“. Die Ermittler zeigen ihre Dienstausweise und erkundigen sich nach der Todesursache. „Herzinfarkt, vorletzte Nacht“, so der Makler. Die Ermittler: „Und da sind schon so viele Leute da?“ Der Makler trocken: „Ja, lieber Mann, wir sind in München.“

„Tatort“: Der Architekt und die Frauen

Der „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ erzählt von einem Star-Architekten und seinen amourösen Verstrickungen. Auch Kommissar Batic kommt auf seine Kosten.
Der „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ erzählt von einem Star-Architekten und seinen amourösen Verstrickungen. Auch Kommissar Batic kommt auf seine Kosten. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Die Psychologin Dr. Julia Stephan ist die einzige von Thomas Jacobis Geliebten, die von den anderen Bekanntschaften weiß. Sie führt eine polyamore Beziehung mit dem Star-Architekten.
Die Psychologin Dr. Julia Stephan ist die einzige von Thomas Jacobis Geliebten, die von den anderen Bekanntschaften weiß. Sie führt eine polyamore Beziehung mit dem Star-Architekten. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Jacobi macht reinen Tisch vor Dr. Slowinski, allerdings nur was Verena Schneider betrifft. Von den anderen drei Frauen erfährt die langjährige Partnerin nichts.
Jacobi macht reinen Tisch vor Dr. Slowinski, allerdings nur was Verena Schneider betrifft. Von den anderen drei Frauen erfährt die langjährige Partnerin nichts. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Kommissar Leitmayr versucht seinen Freund und Kollegen Batic zu erreichen – der liegt allerdings gerade mit seiner Affäre im Bett.
Kommissar Leitmayr versucht seinen Freund und Kollegen Batic zu erreichen – der liegt allerdings gerade mit seiner Affäre im Bett. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Leitmayr hat weniger Freude: Er muss bei einem Umzug helfen.
Leitmayr hat weniger Freude: Er muss bei einem Umzug helfen. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Die Ermittler müssen zwei Mordfälle aufklären. Zunächst wird Verena Schneider tot in der Einfahrt zu Garage eines Mehrfamilienhauses aufgefunden.
Die Ermittler müssen zwei Mordfälle aufklären. Zunächst wird Verena Schneider tot in der Einfahrt zu Garage eines Mehrfamilienhauses aufgefunden. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Wenig später der zweite Fund: Auch Dr. Slowinski liegt regungslos in ihrer Wohnung. Schnell nehmen Leitmayr und Batic den Architekten ins Visier.
Wenig später der zweite Fund: Auch Dr. Slowinski liegt regungslos in ihrer Wohnung. Schnell nehmen Leitmayr und Batic den Architekten ins Visier. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Die beiden Kriminalhauptkommissare auf dem Weg zu Thomas Jacobi.
Die beiden Kriminalhauptkommissare auf dem Weg zu Thomas Jacobi. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Batic und Leitmayr im Büro des Architekten, der so erfolgreich ist, dass er sich vor Projekten kaum retten kann.
Batic und Leitmayr im Büro des Architekten, der so erfolgreich ist, dass er sich vor Projekten kaum retten kann. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Doch der Druck auf Jacobi wächst, als die Kommissare immer mehr über seine zahlreichen Liebschaften erfahren.
Doch der Druck auf Jacobi wächst, als die Kommissare immer mehr über seine zahlreichen Liebschaften erfahren. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Nicole Büchner stellt Thomas Jacobi nach. Sie will nicht wahrhaben, dass Jacobi die Beziehung nicht fortführen möchte.
Nicole Büchner stellt Thomas Jacobi nach. Sie will nicht wahrhaben, dass Jacobi die Beziehung nicht fortführen möchte. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Kriminalhauptkommissar Batic mit einer Glasfigur mit dem Gesicht von Jacobi in der Hand. Das Selbstbildnis schenkt der Architekt seinen Freundinnen.
Kriminalhauptkommissar Batic mit einer Glasfigur mit dem Gesicht von Jacobi in der Hand. Das Selbstbildnis schenkt der Architekt seinen Freundinnen. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Eine von fünf Geliebten: Heike Gonzor. Als sie von den anderen Beziehungen erfährt, sitzt der Schock tief.
Eine von fünf Geliebten: Heike Gonzor. Als sie von den anderen Beziehungen erfährt, sitzt der Schock tief. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
Auch die Büro-Mitarbeiterin Anna Marie Fritsch hat ein besonderes Verhältnis zu Thomas Jacobi. Und ein Geheimnis.
Auch die Büro-Mitarbeiterin Anna Marie Fritsch hat ein besonderes Verhältnis zu Thomas Jacobi. Und ein Geheimnis. © Bayerischer Rundfunk | Hendrik Heiden
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Die Auflösung der Mordfälle

Das größte Problem dieses „Tatorts“: Die Auflösung der Morde an den beiden Frauen Andrea Slowinski und Verena Schneider wirkt doch arg an den Haaren herbeigezogen.

Für Mord Nummer eins an Verena Schneider hätten einige Figuren Motive gehabt, vor allem die anderen Frauen eben das klassische Motiv Eifersucht. Dagegen wirft die Tat des tatsächlichen Mörders, der Nachbar Max Heimerl (Wowo Habdank), Fragen auf.

Genauso wie der Mord am zweiten Opfer, Andrea Slowinski. Dass ausgerechnet die unscheinbare Büro-Mitarbeiterin Anna Marie Fritsch den zweiten Mord begangen haben soll, strapaziert die Logik.

Da helfen auch ihre weiteren Ausführungen nicht. „Ich wollte Ihnen nur helfen“, sagt die Mitarbeiterin den Tränen nahe. „Ich hab ihr Telefongespräch gehört, wollte nicht zulassen, dass Sie durch eine Lüge in Schwierigkeiten kommen.“ Ein Mord aus Hilfsbereitschaft? Das ist in etwa so plausibel wie eine leidenschaftliche Liebesaffäre aus Nettigkeit.