Essen. „Familie ist kein Wunschkonzert“ ist ein ARD-Film über die Reise zu sich selbst. Gro Swantje Kohlhof sticht als Schauspielerin heraus.

Schon bei den ersten Bildern ahnt der Zuschauer: Diese Idylle ist eine Täuschung. Das Grün der Wiesen, das Blau des Himmels – hier, auf dieser schönen Nordseeinsel, soll unter hellem Klingen der Champagnergläser schon bald das große Familienfest steigen. Silberhochzeit der Hansens, die ihre Kinder aus Bayern eingeladen haben. Geübte Fernsehzuschauer wissen, dass auf solchen Festen gern die Fetzen fliegen. Der Titel des Films ist Motto und Fazit zugleich: „Familie ist kein Wunschkonzert.“

Ob das gut geht? Rick (Sebastian Fräsdorf), Kristin (Claudia Eisinger, li.) und Philomena (Gro Swantje Kohlhof) sind in einem schrottreifen Wagen auf dem Weg an die Ostsee.
Ob das gut geht? Rick (Sebastian Fräsdorf), Kristin (Claudia Eisinger, li.) und Philomena (Gro Swantje Kohlhof) sind in einem schrottreifen Wagen auf dem Weg an die Ostsee. © ARD Degeto/Maor Waisburd | ARD Degeto/Maor Waisburd

Bis zur Silberhochzeit, auf der ein pikantes Geheimnis gelüftet werden wird, ist es aber noch weit; die Feier spielt zunächst nur eine kleinere Rolle. Wichtiger ist der Weg dorthin. Und auf den machen sich die drei erwachsenen Töchter in einem klapprigen Feuerwehrauto. Weil sie sich kein Zugticket leisten wollten, haben sie einen jungen Mann samt Schrottkarre aufgegabelt. Rick (Sebastian Fräsdorf) macht sich gut in der Rolle des Philosophiestudenten, dem der Film sehr hübsche, aberwitzige Dialoge verdankt.

Herzstück des Films

Die Töchter sind – na klar – alle total unterschiedlich: Die Älteste, Laura (Karin Hanczewski), ist Miss Perfect, die nur Kleider und Fünfgang-Dinner im Kopf hat und kurz davor ist, einen reichen Reisebüro-Fuzzi zu heiraten. Die Mittlere, Kristin (Claudia Eisinger), ist in diesem Trio die Zielstrebige, die nur ihren Job als Raumfahrttechnikerin kennt und wohl bald schon privat in der Einsamkeit untergehen wird.

Und dann ist da Philomena, die Jüngste, die durch Zufall erfährt, dass sie nicht das wirkliche Kind dieser Familie ist. Diese Philomena ist das wahre Herzstück des Films: Gro Swantje Kohlhof gelingt es, die Sprunghaftigkeit der Gefühle angesichts der existenziellen Nachricht großartig herüberzubringen. Die junge Schauspielerin aus Hamburg hat ein Gesicht, das heraussticht: Ihr verletzlicher Blick geht direkt ins Herz. Schon im Bodensee-Tatort „Rebecca“ faszinierte sie im vergangenen Jahr als verstörtes, traumatisiertes Entführungsopfer Millionen Zuschauer.

Trennung vom Verlobten

Kristin (Claudia Eisinger), Laura (Karin Hanczewski), Rick (Sebastian Fräsdorf), Philomena (Gro Swantje Kohlhof) und Charlotte (Morgane Ferru, von links nach rechts) müssen mit ansehen, wie das alte Feuerwehrauto ausbrennt.
Kristin (Claudia Eisinger), Laura (Karin Hanczewski), Rick (Sebastian Fräsdorf), Philomena (Gro Swantje Kohlhof) und Charlotte (Morgane Ferru, von links nach rechts) müssen mit ansehen, wie das alte Feuerwehrauto ausbrennt. © ARD Degeto/Maor Waisburd | ARD Degeto/Maor Waisburd

In einer ähnlichen Rolle, als verschollene Tochter, die nach vielen Jahren wieder vor der Tür steht, stahl sie zwei Jahre zuvor im Bremer Tatort ihren Schauspielkollegen die Show. Wenn Schwestern eine Reise tun, dann soll das auch etwas bewirken. Das ist nun einmal so in diesen Glückssuchefilmen. Hier allerdings verharren die Schwestern allzu lange in ihren wie zementiert wirkenden Rollen.

Auch wenn sie über Stereotypen nicht hinauskommen, ist es schön, wenn die Luxus-Schwester sich zur Trennung vom Verlobten entscheidet und den Brillantring in die Gosse wirft wie eine Zigarettenkippe.

Fazit: Familie, Liebe, Job – der Selbstfindungstrip der drei Schwestern ist nicht frei von Klischees, wird aber souverän erzählt und glänzt mit einer starken jungen Schauspielerin.

• Freitag, 5. Mai, 20.15 Uhr, ARD: „Familie ist kein Wunschkonzert“