Berlin. Sat. 1 holt mit der Kinder-Talentshow „Little Big Stars“ Thomas Gottschalk zurück auf den Bildschirm. Richtig rund läuft es nicht.
Wir wissen, was Frank Elstner am Sonntag getan hat. Nein, anders: Wir wissen, was er am Sonntag nicht getan hat. Nämlich Daumen drücken. Dabei hatte der 75-Jährige dies Kollege Gottschalk versprochen, zum Start seiner neuen Sat.1-Show „Little Big Stars“.
Sieben Stunden Zeit bleiben bis zur Premiere, da schickt Elstner um 13:02 Uhr seine guten Wünsche: „Lieber Thomas, ich drücke dir für heute Abend ganz fest die Daumen! Dein Frank Elstner.“ Was zwischen 13:02 und 22:30 Uhr im Hause Elstner passiert ist, bleibt für immer ein Rätsel. Doch eines ist sicher: Seine Daumen hat Gottschalks Kompagnon für dessen Kinder-Talentshow nicht gedrückt. Oder nicht fest genug. Denn „Little Big Stars“ war leider so… lala.
„Little Big Stars“ überzeugt nicht wirklich
Dabei ist das gar nicht Gottschalks Schuld. Nach Jahren des ziellosen Umhertingelns von Sender zu Sender moderiert er mit der Show ein Format, das durchaus funktionieren kann. Siehe USA, wo das Vorbild „Little Big Shots“ bereits in der zweiten Staffel läuft und für den wichtigsten aller TV-Preise, den Emmy, nominiert war.
Und dennoch will die Premiere der deutschen Ausgabe mit den Auftritten von sieben Jungen und sieben Mädchen nicht recht überzeugen. Das Problem sind nicht die Rahmenbedingungen: Es gibt keine Jury, keinen Wettbewerb, keinen Gewinner. Das Problem sind – die Kinder.
Gottschalk bremst Bemühen
Wie so oft bei ähnlichen Formaten stehen am Sonntagabend junge Menschen auf der Bühne, die – egal ob i-Dötzchen oder Teenager – über ein besonderes, um nicht zu sagen: gesteigertes – Selbstbewusstsein verfügen. Beispiel Ceyda, die auf ihrem Kunstrad eine Akrobatik vollführt, die viele Kinder nicht einmal am Boden hinbekommen – etwa einen Kopfstand auf dem Sattel.
Das ist eindrucksvoll, keine Frage, wäre da nicht die altkluge Art des Mädchens, das „schon immer mal einen Promi interviewen wollte“. Ein Glück trifft sie auf Gottschalk, der ihr gesteht, dass seine berufliche Laufbahn einst als Deutsch-Lehrer begann. „Ich würde dich aber nicht ernst nehmen“, kommentiert Ceyda. Sie klärt den Moderator lieber selbst auf, wie ihr Sport funktioniert. „Aber nicht in diesem belehrenden Ton“, bremst Gottschalk ihr Bemühen. Wo er Recht hat…
„Eins will ich noch sagen: Du bist nett, witzig und toll“
Ähnlich ambitioniert – oder nur aufgedreht? – sind Alejandro und Valeria. Die Geschwister, gekleidet wie bei der Heiligen Kommunion, begeistern als Mini-Mozarts. Vierhändig spielen sie am Klavier, als hätten sie noch nie im Leben Lego gesehen (Was sein könnte, tanzen die zwei doch auch noch Flamenco). Die Komposition stammt aus der Verfilmung von „Harry Potter“, einem Roman, den sie in Deutsch, Französisch, Spanisch „und ein bisschen Italienisch“ lesen könnten, beherrschen sie doch alle Sprachen.
Gottschalk, den Alejandro zum Trio an den Flügel bittet, zeigt sich angetan: „Ich habe schon mit Lang Lang gespielt, aber noch nicht mit Kurz Kurz.“ Auch der Junge ist vom Moderator mehr als begeistert: „Eins will ich noch sagen: Du bist nett, witzig und toll.“ Schade nur, dass das so ganz und gar auswendig gelernt klingt.
Auswendig gelernt
Bleibt die Frage: Ist es gerechtfertigt, über Kinder zu klagen, die in einer mit viel Tamtam aufgezeichneten TV-Show etwas kecker wirken als Gleichaltrige? Die den einen oder anderen lustigen Satz aus Mamas und Papas Feder aufsagen? Wahrscheinlich nicht. Dennoch wirkt der Nachwuchs in Sendungen wie „Kinderquatsch mit Michael“ (Schanze, lief von 1991 bis 2003) irgendwie natürlicher.
Aber das liegt vielleicht auch an der heutigen Zeit, in der Zehnjährige wie Angelina aus Norwegen schon Youtube-Stars sind und sich über mehr Follower als Angela Merkel freuen. Angelina, deren Auftritt bei „Little Big Stars“ ihr wohl 73. war, singt Songs wie „I Put A Spell On You“ – und das so gut wie Annie Lennox selbst. Ein Profi, durch und durch. Da wirkt Helena, das Mädchen, das für Angelina vom Deutschen ins Norwegische übersetzt, regelrecht verschüchtert. Sie fragt Gottschalk flüsternd, ob sie nach ihrem Einsatz nun wieder hinter die Bühne gehen solle.
„Wo kommst du her?“ „Ja.“
Aber nicht alle Kinder machen den Eindruck, als sei die Show von Anfang bis Ende vorgeschrieben. Turn-Ass Ali (5) antwortet auf sämtliche Fragen recht einsilbig. Gottschalk: „Wo kommst du her?“ Ali: „Ja.“ Gottschalk: „Wann hast du gemerkt, dass du stärker bist als andere Kinder?“ Ali: „Ja.“ Wenigstens verrät der Spross noch das Geheimnis seiner Stärke: Fleisch, Milch, Müsli und Fruchtsalat seien sein Geheimnis. Zum Beweis hangelt er sich im Nu eine Stange rauf.
Ob diese sportliche Höchstleistung viele Gleichaltrige verfolgend durften, ist fraglich. Schließlich ist morgen wieder Schule. Vielleicht wollten viele Eltern aber ohnehin lieber die deutsche Erstausstrahlung von „Shades of Grey“ auf ProSieben sehen. Oder die „Honigfrauen“ im ZDF, geschweige denn den „Tatort“ aus Wien.
Schwacher Start – mit Ausnahmen
Festzuhalten bleibt, dass „Little Big Stars“ auf Dauer nur funktionieren kann, wenn die Auftritte der Kinder so natürlich wie möglich herüberkommen. Wie etwa bei Malaika, der Cheerleaderin, die einmal Pastorin werden möchte.Und Koch Tibo (6), der Nudel-Erbsen-Aufläufe gerne mit Mehlwürmern aufpeppt. Oder aber mit Show-Acts, die so spannend sind wie der von Jonas. Der Zehnjährige kann mehr als 2000 Zahlen nach dem Komma von Pi aufsagen. Im Studio darf er sich an den ersten 50 versuchen, und jeder Nenner sitzt. Mathe ist „eben einfach der Hammer“.
Der Hammer waren auch die Auftritte der jungen Schlangenbeschwörerin Thamiya sowie der Jung-Rockerin Eduarda (7), die extra für ihr Schlagzeug-Solo aus Brasilien angereist ist. Besonders freuen dürfte sich Gottschalk über Ringer Liam, der ihn „zuerst auf 30 und dann auf 35“ schätzt.
Damit kann der 66-Jährige doch zufrieden sein. Einen guten Job hat er ohnehin gemacht, spontan sein, das kann er. Egal, ob er neben Jennifer Lopez oder Seifenblasen-Virtuose Felix (8) auf dem Sofa sitzt. Jetzt heißt es nur Daumendrücken für die Quote. Frank Elstner, Sie sind gefragt.
Die Karriere von Thomas Gottschalk