Berlin. Sex, Erpressung, Mobbing: Im 40. „Tatort“ mit Moritz Eisner ermittelt er mit seiner Kollegin in einer Polizeischule. Darum geht es.

Der 40. Fall von Sonderermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) führt ihn an der Seite von Kollegin „Bibi“ Fellner (Adele Heuhauser) dorthin, wo die beiden Beamten einst selbst begonnen haben: zurück in die Polizeischule. Doch trotz der Jubiläumsfolge haben die Figuren wenig zu feiern in diesen knapp 90 Minuten: Sie bewegen sich durch ein nebliges, düsteres Wien, hinter jeder Ecke lauert eine Gefahr oder zumindest die Einsamkeit.

Worum geht es?

Der Tatort ist das Haus des Leiters der Wiener Polizeischule Peter Kralicek. Er und seine Frau werden tot aufgefunden. Zunächst deutet alles darauf hin, dass der Chef-Ausbilder nach einem Ehestreit seine Frau erschlug und sich im Anschluss selbst mit seiner Dienstwaffe erschoss. Doch die Obduktion zeigt: Es ist nicht die Munition aus der Pistole des Schulleiters, sondern eine Spezial-Munition mit der gerade ein Test beim Ministerium läuft. Ein Zivilist kann also nicht der Täter sein.

Das schränkt den Kreis der Verdächtigen mit einem Schlag ein; ermittelt wird nun in den eigenen Reihen. Deshalb entscheidet der Chef des Ermittlerduos Ernst Rauter (Hubert Kramar), dass die beiden verdeckt weiterermitteln: Bibi“ wird als neue kommissarische Leiterin an die Polizeischule versetzt. Der stellvertretende Schulleiter Thomas Nowak (Simon Hatzl) versucht sie herauszumobben. Denn er hat ein dunkles Geheimnis: An der Schule werden brutale Sex-Videos gedreht. Und damit hängen auch die beiden Mordfälle zusammen.

Worum geht es noch?

„Bibi“ Fellner stellt sich dem Ausbilder der Polizeischule Thomas Nowak vor.
„Bibi“ Fellner stellt sich dem Ausbilder der Polizeischule Thomas Nowak vor. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican

Um Einsamkeit im Alter. „Bibi“ Fellner sitzt in der Eingangsszene nachts alleine im Licht ihres Laptops am Schreibtisch. Geöffnet ist eine Website für Partnervermittlung. „Sexuelle Vorlieben?“, liest sie laut vor. „Ja, sind die deppert?!“ Trotzdem legt sie sich ein Profil an. Unterschwellig belastet ihre Unzufriedenheit über die Folge hinweg auch das Verhältnis zu Eisner. Als der ihr die Tür öffnet und im Hintergrund seine neue Liebschaft, Samy Graf, erscheint, reagiert „Bibi“ stutenbissig. So richtig gönnt sie den beiden nicht ihre Liaison.

Der Konflikt setzt sich fort. Am Tatort geraten die beiden Ermittler hart aneinander, sie fetzen sich so laut über Privates, dass alle Welt es mitbekommt. Die theatralische Szene hat aber auch ihr Gutes: Später dient der Streit als Erklärung, warum „Bibi“ aus dem Ermittlerduo ausschert und als Interims-Chefin bei der Polizeischule anheuert.

Wo liegt der größte Konflikt?

Thomas Nowak ist Gruppeninspektor an der Polizeischule, der tote Schulleiter war sein direkter Vorgesetzter. Die Beziehung zwischen ihm und „Bibi“ ist ein Pulverfass. Wie ein scharf abgerichteter Schäferhund verteidigt Nowak sein Revier.

Übelster Sexismus inklusive. Als er sie das erste Mal in ihrem neuen Büro besucht, schüchtert er sie mit den Worten ein: „Genau das ist das Problem, heutzutage wird nicht mehr danach entschieden, ob jemand kompetent ist oder über die entsprechenden Dienstjahre verfügt. Früher da hätte eine wie du dem Chef einen blasen müssen, um weiterzukommen.“ Aber heutzutage erledige das ja ganz einfach die Frauenquote. „Bibi“ allerdings weiß sich zu wehren.

Gibt es etwas zu lachen?

Ja, zum Glück. Schön schrullig ist das Nachbar-Ehepaar, das Haus an Haus mit den Opfern wohnt. Die Ermittler nehmen am Wohnzimmer-Tisch Platz, die Ehefrau serviert Kuchen. Der Gastgeber reicht eine lange Liste mit gestohlenen Gegenständen herüber, denn auch bei ihm wurde eingebrochen.

Die Ehefrau im breiten Wienerisch: „Du Purzel, das interessierts die Herrschaften nicht, die sind von der Mordabteilung“. Sie setzt sich, entschuldigt sich, wofür auch immer: „Tja, einer von uns beiden muss ja arbeiten.“ Er: „Ich bin dabei mich neu zu orientieren.“ Sie: „Seit vier Jahren. Das ich nicht lache??“ Frage von „Bibi“ an den Hausherrn: Hatte er ein Verhältnis mit Frau Kralicek, dem Mordopfer. „Ich, nein“. Er blickt seine Frau an. „Leider.“

Was will der „Tatort“ uns sagen?

Dass das Schweigen an der falschen Stelle ins Unglück führen kann. Phänomene wie Mobbing, entwürdigende Rituale oder sexuelle Belästigungen bringen auch immer wieder Institutionen wie die Bundeswehr in die Schlagzeilen. Der „Tatort“ versucht zu zeigen, warum besonders autoritär geführte Einrichtungen wie Polizeischulen dafür anfällig sind – und das gelingt ihm.

Die Auszubildende Katja Humbold (Julia Richter) – selbst Opfer – sagt nachdem der Sex-Video-Dreh aufgeflogen ist: „Die hätten alles mit uns machen können. Und das wussten sie.“ Und damit erklärt sich dann auch der Titel der Folge.

„Wehrlos“ im „Tatort“ aus Wien

Ein starkes Team: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin „Bibi“ Fellner (Adele Neuhauser) finden bei einem nächtlichen Einsatz den Leiter der Wiener Polizeischule erschossen im Wohnzimmer seines Hauses.
Ein starkes Team: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin „Bibi“ Fellner (Adele Neuhauser) finden bei einem nächtlichen Einsatz den Leiter der Wiener Polizeischule erschossen im Wohnzimmer seines Hauses. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Auch die Frau des Polizeischulleiters ist tot. Jemand hat ihr das Genick gebrochen. Ermitteln Fellner und Eisner in einem Beziehungsdrama? Oder steckt mehr dahinter?
Auch die Frau des Polizeischulleiters ist tot. Jemand hat ihr das Genick gebrochen. Ermitteln Fellner und Eisner in einem Beziehungsdrama? Oder steckt mehr dahinter? © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Schnell wird klar: Es muss noch jemand anderes am Tatort gewesen sein. Für Moritz Eisner (r.), hier mit Susi Freund (Michou Friesz) und Gerichtsmediziner Florian Maurer (Sebastian Wendelin), gilt es nun diese Person zu finden.
Schnell wird klar: Es muss noch jemand anderes am Tatort gewesen sein. Für Moritz Eisner (r.), hier mit Susi Freund (Michou Friesz) und Gerichtsmediziner Florian Maurer (Sebastian Wendelin), gilt es nun diese Person zu finden. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Eine Spur führt zur Polizeischule, wo der Ausbilder Thomas Nowak (Simon Hatzl) ein eisernes Regiment führt.
Eine Spur führt zur Polizeischule, wo der Ausbilder Thomas Nowak (Simon Hatzl) ein eisernes Regiment führt. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Zur Polizeianwärterin Katja Humbold (Julia Richter) hat er ein besonderes Verhältnis.
Zur Polizeianwärterin Katja Humbold (Julia Richter) hat er ein besonderes Verhältnis. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
„Bibi“ Fellner sucht Ausbilder Nowak und die Polizeianwärterin Humbold auf. Sie wurde zuvor als kommissarische Leiterin in die Schule eingeschleust.
„Bibi“ Fellner sucht Ausbilder Nowak und die Polizeianwärterin Humbold auf. Sie wurde zuvor als kommissarische Leiterin in die Schule eingeschleust. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Eisner hingegen verfolgt Spuren ins Rotlichtmilieu, unterstützt von seinem schusseligen Kriminalassistenten Manfred „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits, r.).
Eisner hingegen verfolgt Spuren ins Rotlichtmilieu, unterstützt von seinem schusseligen Kriminalassistenten Manfred „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits, r.). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Ein Gangsterpaar hat versucht, den Getöteten mit Skandalfotos aus der Polizeischule zu erpressen.
Ein Gangsterpaar hat versucht, den Getöteten mit Skandalfotos aus der Polizeischule zu erpressen. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Je tiefer Moritz Eisner und „Bibi“ Fellner in den Fall eindringen, umso mehr tun sich menschliche Abgründe auf – und zwar bei hochrangigen Beamten des Polizeiapparats.
Je tiefer Moritz Eisner und „Bibi“ Fellner in den Fall eindringen, umso mehr tun sich menschliche Abgründe auf – und zwar bei hochrangigen Beamten des Polizeiapparats. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
„Wehrlos“ ist Krassnitzers 40. „Tatort“ als Moritz Eisner.
„Wehrlos“ ist Krassnitzers 40. „Tatort“ als Moritz Eisner. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
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