Berlin. Arte beleuchtet am Dienstag die Probleme, die Massen-Tourismus mit sich bringt. „Tourismus extrem“ ist ein sehr kritischer Themenabend.

Venedig ist schön, keine Frage. So schön, dass pro Jahr 30 Millionen Touristen die Stadt besuchen. Das sind im Durchschnitt täglich anderthalbmal so viele Besucher wie Venezianer, die in den historischen Vierteln leben. Wenn dann alle gleichzeitig über den Markusplatz laufen, hat das mit Authentizität nur noch wenig zu tun. Die Stadt der Brücken und Kanäle verliert durch den touristischen Massenansturm ihre Atmosphäre und wirkt nur noch wie ein überdimensionierter Erlebnispark – weshalb die Frage eines Gastes gar nicht so absurd ist wie sie im ersten Augenblick klingt: „Um wie viel Uhr schließt Venedig?“

Städtetourismus ist ein Milliardengeschäft

Lange kann das nicht mehr dauern, dann wird die weltberühmte Lagunenstadt tatsächlich im Meer versinken. Den Eindruck bekommt man jedenfalls bei den Bildern der Touristenflut. Ein großer Teil der Besuchermassen kommt mit dem Kreuzfahrtschiff. Mit der tonnenschweren Masse ihres Gewichts verdrängen die riesigen Dampfer aber jedes Mal Tausende Kubikmeter Wasser, das die auf Pfählen erbaute Stadt immer weiter unterspült … Was Wunder, dass sich Widerstand organisiert und in den Gassen plötzlich Graffitis à la „Touris go home!“ auftauchen.

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    So heißt auch die erste von zwei Reportagen, mit denen der heutige Arte-Themenabend die Touristik-Branche unter die Lupe nimmt. Zu Wort kommen vor allem Bürgermeister, Soziologen und Umweltaktivisten, die sich mit Folgen des Booms befassen: Weil in vielen Städten immer mehr Wohnungen in Feriendomizile umgewandelt werden, steigen die Mieten. Auch der urbane Raum verändert sich, und auf längere Sicht ändert sich sogar die Bevölkerungsstruktur – alles zugunsten eines reinen Dienstleistungsstandorts.

    Metropolen werden von Touristen überrannt

    Venedig ist kein Einzelfall. Auch das spanische Barcelona und Dubrovnik in Kroatien werden von Kurztrip-Touristen überrannt: Barcelona rechnet mit zehn Millionen Besuchern, das kleine Dubrovnik mit 1,7 Millionen Touristen pro Jahr. Mit 400 Milliarden Euro Umsatz jährlich ist der europäische Städtetourismus ein Riesengeschäft. Aber nicht die Kommunen und ihre Bewohner profitieren davon. Es sind in erster Linie anonyme Privatinvestoren.

    Inzwischen ist der Tourismus nicht nur zum wirtschaftlichen Konfliktfeld geworden. Auch Terroristen suchen ganz gezielt Urlaubsziele als Anschlagsorte aus. Das zeigt die anschließende Dokumentation „Im Fadenkreuz des Terrors“, die die Folgen terroristischer Anschläge auf den Massentourismus erkundet. Es ist ein Teufelskreis, bei dem keine Lösung möglich scheint: Bleiben die Touristen aus Angst weg, schwächelt die Wirtschaft in den Urlaubsländern. Verarmt die Bevölkerung, haben Terroristen noch leichteres Spiel bei der Radikalisierung. Alleine in der Türkei hängt jeder zwölfte Job direkt oder indirekt vom Tourismus ab, in Tunesien sogar jeder siebte und in Ägypten jeder achte.

    Fazit: Ein kritischer Themenabend, der mit vielen Details und Zusammenhängen die Auswüchse einer Branche beleuchtet.

    Dienstag, 18. Apirl, ab 20.15 Uhr, Arte