Berlin. Hat Europa in Syrien zu lange weggeschaut? In der Diskussion zu diesem Thema kam es bei „Hart aber fair“ zu einem heftigen Streit.
Jahrelang ist nichts substanzielles unternommen worden, um das Sterben in Syrien zu beenden. Jetzt hat ausgerechnet der vielkritisierte Donald Trump mit den Angriffen gegen einen Militärflugplatz des syrischen Regimes zumindest ein Zeichen gesetzt. Der Schritt mag auch dazu dienen, von internen Querelen abzulenken und Nordkorea zu erschrecken – dennoch hat der US-Präsident damit mehr getan, als etwa sein Vorgänger.
Zugleich wirft Trumps Vorgehen auch ein Licht auf die hiesige Haltung. Die Europäer wollen sich trotz der immer neuen Übergriffe gegen die syrische Zivilbevölkerung militärisch weiter raushalten. „Werden wir schuldig durch Wegschauen?“, fragte passend dazu Frank Plasberg in „Hart aber fair“.
Der große Disput
Auf diese Frage lieferte die Runde keine eindeutige Antwort. Dafür gab es einen handfesten Streit zwischen dem früheren Oberstleutnant Ulrich Scholz und dem Vorsitzenden der „Bild“-Chefredaktionen, Julian Reichelt. Auslöser waren Äußerungen von Scholz, wonach längst nicht erwiesen sei, was genau sich bei der Freisetzung des Giftgases abspielte. „Der Angriff auf das Gaslager war den Amerikanern bekannt“, behauptete der frühere Nato-Planungsstabsoffizier unter Berufung auf persönliche Kontakte zur CIA. Schließlich würden die USA und Russland ihre Ziele in Syrien absprechen, die von der russische Luftwaffe wiederum an die des syrischen Regimes weitergegeben würde.
Damit gab Scholz im Prinzip die russische Version des Geschehens wieder – und brachte Reichelt in Rage. Die Ausführungen seien im besten Fall eine Verschwörungstheorie und im schlimmsten Fall Propaganda, ärgerte sich der „Bild“-Chef. „Entweder ist es uninformiert und dumm oder es ist gelogen.“ Weder sei es wahr, dass Russland seine spezifischen Ziele weitergebe. Noch sei das Giftgas vor Ort gewesen. Später krachte es zwischen den beiden erneut, als es um die Frage ging, inwieweit die Anti-IS-Koalition bei ihren Luftangriffen Kollateralschäden toleriert. „Sie gehen unter die Gürtellinie“, warf Scholz da seinem Widersacher vor, als der ihm erneut Dummheit unterstellte.
Die beste Analyse
Bei so viel Streit konnte beinahe untergehen, dass die Diskussion durchaus auch präzise Analysen bot. Etwa von Kristin Helberg, die schlüssig herleitete, warum Assad nur vordergründig das Problem ist. Dieser habe viel Macht an vom Iran geführte schiitische Milizen, Warlords und die Russen verloren, führte die Syrien- Expertin aus. Viel entscheidender sei, dass sein Regime tief im Staat verwurzelt sei. Für eine Zukunft Syriens, sagte Helberg, sei daher entscheidend, dass dieses System von der Staatlichkeit getrennt werde.
Doch was kann man tun? Wichtigste Voraussetzung ist, darüber war sich die Runde weitgehend einig, dass die Russen ihre Unterstützung für das Regime einstellen. Helberg war in dieser Hinsicht erstaunlich optimistisch. Putin habe seine Ziele in Syrien erreicht, sagte die Journalistin. Er habe sich Stützpunkte am Mittelmeer gesichert und den USA gezeigt, dass er ein ernstzunehmender Akteur auf der Weltbühne sei. „Nun hat er ein großes Interesse daran, das Land wieder zu verlassen.
Der Bericht aus der Realität
Am Ende wurde deutlich, dass Syriens Fluch vor allem darin besteht, von der großen Weltpolitik heimgesucht worden zu sein. Über die globalen Spielchen von Russland und dem Iran auf der einen und den USA, der Türkei und den Golfstaaten auf der anderen Seite kann leicht vergessen werden, dass dieser Konflikt Millionen Menschen betrifft.
Für diese Perspektive war es gut, dass zwischendurch mit Katharina Ebel ein Gast zu Wort kam, der aus der syrischen Realität berichten konnte. „Die Menschen wollen einfach nur Frieden“, sagte die Syrien-Koordinatorin der SOS-Kinderdörfer auf die Frage, wie die Syrer die jüngsten Entwicklungen aufgenommen hätten. Besonders stark seien die Kinder betroffen. Viele seien monatelang alleine gewesen und würden nicht mehr sprechen. Die Kleineren würden nichts anderes als Krieg kennen. Sollte irgendwann endlich einmal Frieden im Land einkehren, findet sich hier eine der riesigen Herausforderungen für die Zukunft von Syrien: „Diese Kinder müssen über Jahre betreut werden“, sagte Ebel.
Die komplette Sendung in der ARD-Mediathek.
US-Militärschlag gegen syrische Armee