Nürnberg. Ein Krimi als klischeedurchtränkte Sozial-Schlaubergerei: Der neue Franken-„Tatort“ meint es besonders gut und scheitert grandios.
„Ich bin Polizist geworden, um die Schwachen zu beschützen“, sagt der nette Kommissar von nebenan. So eine druckreife Stellenbeschreibung wie die von Felix Voss hat man lange nicht mehr gehört, aber Deutlichkeit gehört zu den liebsten Tugenden deutscher Fernsehkrimis. Und Schwache, die ausgerechnet im puppigen Bamberg drangsaliert werden und so gerne beschützt würden, gibt es in den folgenden anderthalb Stunden zuhauf.
Ein Molotow-Cocktail schlägt im Flüchtlingsheim ein, eine Afrikanerin erstickt in der Vorratskammer, die plötzlich verriegelt war. Der Franken-„Tatort: Am Ende geht man nackt“ will uns das Elend von Flüchtlingen im Wartestand auf deutschem Boden vorführen. Er meint es so richtig gut.
„Tatort – Am Ende geht man nackt“
Allee Klischees werden bedient
Voss (Fabian Hinrichs) lässt sich mit erfundener Tschetschenien-Herkunft ins Übergangsheim einschleusen, um mal eine Innenansicht zu bekommen. Und stößt auf alle Typen und Phänomene, auf die man vorher Wetten abgeschlossen hätte: den verschlossenen, jungen Syrer Basem (Mohamed Issa), dem sich Voss brüderlich andient, die arabische Großschnauze Said (Yasin El Harrouk), der man die Lust auf krumme Touren sofort anmerkt, die furchtbar nette Helferin (Jule Gartzke), die sich ehrenamtlich engagiert, „weil es unanständig wär’, es ned zu tun“. Dazu: arme Asylbewerber, deren Anträge verschlampt wurden, schluchzende Familienväter, die ihre Kinder nicht nachholen dürfen und ein bisschen Folklore beim gemeinsamen Kochen am Abend.
Das wäre in seiner Klischeehaftigkeit erträglicher, wenn nicht alle pausenlos so redeten, als gelte es, einen Volkshochschulkurs zum Flüchtlingsdasein aufzuführen. Als Ganove Said zum Klauen aufruft, herrscht ihn ein Mitbewohner tatsächlich an: „Warum willst du die Hand beißen, die uns füttert?“ Für den Jung-Nazi (Frederik Bott), den sie auf der Wache verhören, hat Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt den Satz reserviert: „Die Kanaken nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“ Selbstverständlich darf der Rassist im Maßanzug als Regisseur des Terrors nicht fehlen: Hans Brückner stattet ihn mit der gewünschten Widerwärtigkeit aus.
Dagmar Manzel sorgt für einen kleinen Lichtblick
Alles ist überdeutlich und frei von Zweifeln: Markus Imboden, gewiss nicht der untalentierteste Regisseur, beerdigt den Film unter den vielen guten Absichten. In der derzeitigen Stimmungslage mag das Unterfangen an sich löblich sein. Aber mit so vielen Plattitüden scheitert man schrecklich.
Auch Fabian Hinrichs reizt als edler Polizeiritter Voss die idealistische Sozial-Schlaubergerei bis über die Schmerzgrenze hinweg aus: Am Ende wird er den seelisch angeknacksten Basem adoptieren wollen, da streckt man endgültig die Waffen. Die wunderbare Dagmar Manzel tapert als warmherzige Kommissarin hilflos durch den Wald aus erhobenen Zeigefingern, Eli Wasserscheidt und Andreas Leopold Schadt als Assistenten, die fürs Lokalkolorit stehen, bleiben so blass, dass sie wenigstens nicht unangenehm auffallen. Das ist schon viel in diesem Film.
Fazit: Krimi als Nachhilfeunterricht. Furchtbar bemüht.
• Sonntag, 9. April, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort: Am Ende geht man nackt“