Nürnberg. Ein Krimi als klischeedurchtränkte Sozial-Schlaubergerei: Der neue Franken-„Tatort“ meint es besonders gut und scheitert grandios.

„Ich bin Polizist geworden, um die Schwachen zu beschützen“, sagt der nette Kommissar von nebenan. So eine druckreife Stellenbeschreibung wie die von Felix Voss hat man lange nicht mehr gehört, aber Deutlichkeit gehört zu den liebsten Tugenden deutscher Fernsehkrimis. Und Schwache, die ausgerechnet im puppigen Bamberg drangsaliert werden und so gerne beschützt würden, gibt es in den folgenden anderthalb Stunden zuhauf.

Ein Molotow-Cocktail schlägt im Flüchtlingsheim ein, eine Afrikanerin erstickt in der Vorratskammer, die plötzlich verriegelt war. Der Franken-„Tatort: Am Ende geht man nackt“ will uns das Elend von Flüchtlingen im Wartestand auf deutschem Boden vorführen. Er meint es so richtig gut.

„Tatort – Am Ende geht man nackt“

Im „Tatort – Am Ende geht man nackt“ ermittelt Kommissar Felix Voss nach einem Brandanschlag. Er mischt sich unter die Asylbewerber.
Im „Tatort – Am Ende geht man nackt“ ermittelt Kommissar Felix Voss nach einem Brandanschlag. Er mischt sich unter die Asylbewerber. © BR | Bernd Schuller
Michael Schatz, Leiter der Spurensicherung (Matthias Egersdörfer), findet die Leiche von Neyla Mafany (Dayan Kouda), einer Asylbewerberin.
Michael Schatz, Leiter der Spurensicherung (Matthias Egersdörfer), findet die Leiche von Neyla Mafany (Dayan Kouda), einer Asylbewerberin. © BR | Bernd Schuller
Am Tatort finden Kommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schad), Hauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Kommissarin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) teils schockierte Bewohner des Heims an.
Am Tatort finden Kommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schad), Hauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Kommissarin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) teils schockierte Bewohner des Heims an. © BR | Bernd Schuller
Der Leiter der Gemeinschaftsunterkunft Luca Rossi (Till Wonka) hilft den Ermittlern bei der Arbeit.
Der Leiter der Gemeinschaftsunterkunft Luca Rossi (Till Wonka) hilft den Ermittlern bei der Arbeit. © BR | Bernd Schuller
Ins Visier der Kriminalisten gerät auch Sascha Benedikt (Hans Brückner) der Besitzer der Immobilie, in der Asylbewerber untergrbacht wurden. Kommissarin Goldwasser wirft dem Investoren vor, einen Versicherungsbetrug begangen zu haben.
Ins Visier der Kriminalisten gerät auch Sascha Benedikt (Hans Brückner) der Besitzer der Immobilie, in der Asylbewerber untergrbacht wurden. Kommissarin Goldwasser wirft dem Investoren vor, einen Versicherungsbetrug begangen zu haben. © BR | Jürgen Jürges
Benedikts gute Kontakte lassen zunächst Polizeipräsident Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt, rechts) aufhorchen. Doch er lässt die Kommissare Ringehahn (Mitte) und Voss weiter ermitteln.
Benedikts gute Kontakte lassen zunächst Polizeipräsident Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt, rechts) aufhorchen. Doch er lässt die Kommissare Ringehahn (Mitte) und Voss weiter ermitteln. © BR | Bernd Schuller
Hauptkommissar Felix Voss freundet sich mit dem Flüchtlingsjungen Basem Hemidi (Mohammed Issa, links) an. Er erhofft sich dabei Informationen darüber, ob jemand aus der Unterkunft von dem Tod Neyla Mafanys profitiert hat.
Hauptkommissar Felix Voss freundet sich mit dem Flüchtlingsjungen Basem Hemidi (Mohammed Issa, links) an. Er erhofft sich dabei Informationen darüber, ob jemand aus der Unterkunft von dem Tod Neyla Mafanys profitiert hat. © BR | Bernd Schuller
Said Gashi (Yasin El Harrouk, links) vermittelt Asylbewerber an eine Reinigungsfirma.
Said Gashi (Yasin El Harrouk, links) vermittelt Asylbewerber an eine Reinigungsfirma. © BR | Bernd Schuller
Doch Said ist auch in illegale Geschäfte und versucht dafür Basem zu gewinnen.
Doch Said ist auch in illegale Geschäfte und versucht dafür Basem zu gewinnen. © BR | Bernd Schuller
Die Asylbewerber Mohamed Amir (David Hamade), Basem Hemidi (Mohamed Issa) und Eason Reza (Alireza Bayram)warten alle auf ihre Asylanträge oder auf Nachricht von ihren Familien.
Die Asylbewerber Mohamed Amir (David Hamade), Basem Hemidi (Mohamed Issa) und Eason Reza (Alireza Bayram)warten alle auf ihre Asylanträge oder auf Nachricht von ihren Familien. © BR | Bernd Schuller
Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) geht die Situation der Flüchtlinge auch persönlich nahe. Im Austausch mit Kommissarin Ringelhahn (Dagmar Manzel) überlegt Voss sogar, Basem zu adoptieren.
Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) geht die Situation der Flüchtlinge auch persönlich nahe. Im Austausch mit Kommissarin Ringelhahn (Dagmar Manzel) überlegt Voss sogar, Basem zu adoptieren. © BR | Bernd Schuller
Während seiner Ermittlungen gerät Voss ins Visier von Rechtsextremen. Bei einem Ausflug mit einigen Asylbewerbern wird er angegriffen.
Während seiner Ermittlungen gerät Voss ins Visier von Rechtsextremen. Bei einem Ausflug mit einigen Asylbewerbern wird er angegriffen. © BR | Bernd Schuller
Patrizia Canzan (Patrizia Carlucci) wohnt neben dem Flüchtlingsheim. Sie hatte den Brand gemeldet und vermutet einen Neonazi hinter dem Anschlag.
Patrizia Canzan (Patrizia Carlucci) wohnt neben dem Flüchtlingsheim. Sie hatte den Brand gemeldet und vermutet einen Neonazi hinter dem Anschlag. © BR | Jürgen Jürges
Der Rechtsextreme Benjamin Funk (Frederik Bott) wird daraufhin verhört. Er ist einer der Angreifer auf Kommissar Voss.
Der Rechtsextreme Benjamin Funk (Frederik Bott) wird daraufhin verhört. Er ist einer der Angreifer auf Kommissar Voss. © BR | Bernd Schuller
Während der Täter gesucht wird, erhalten einige Asylbewerber Auskünfte über ihren Status.
Während der Täter gesucht wird, erhalten einige Asylbewerber Auskünfte über ihren Status. © BR | Bernd Schuller
Zum Ende des Falls kommt es zum Verwürfnis zwischen Basem und Kommissar Voss.
Zum Ende des Falls kommt es zum Verwürfnis zwischen Basem und Kommissar Voss. © BR | Bernd Schuller
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Allee Klischees werden bedient

Voss (Fabian Hinrichs) lässt sich mit erfundener Tschetschenien-Herkunft ins Übergangsheim einschleusen, um mal eine Innenansicht zu bekommen. Und stößt auf alle Typen und Phänomene, auf die man vorher Wetten abgeschlossen hätte: den verschlossenen, jungen Syrer Basem (Mohamed Issa), dem sich Voss brüderlich andient, die arabische Großschnauze Said (Yasin El Harrouk), der man die Lust auf krumme Touren sofort anmerkt, die furchtbar nette Helferin (Jule Gartzke), die sich ehrenamtlich engagiert, „weil es unanständig wär’, es ned zu tun“. Dazu: arme Asylbewerber, deren Anträge verschlampt wurden, schluchzende Familienväter, die ihre Kinder nicht nachholen dürfen und ein bisschen Folklore beim gemeinsamen Kochen am Abend.

Das wäre in seiner Klischeehaftigkeit erträglicher, wenn nicht alle pausenlos so redeten, als gelte es, einen Volkshochschulkurs zum Flüchtlingsdasein aufzuführen. Als Ganove Said zum Klauen aufruft, herrscht ihn ein Mitbewohner tatsächlich an: „Warum willst du die Hand beißen, die uns füttert?“ Für den Jung-Nazi (Frederik Bott), den sie auf der Wache verhören, hat Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt den Satz reserviert: „Die Kanaken nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“ Selbstverständlich darf der Rassist im Maßanzug als Regisseur des Terrors nicht fehlen: Hans Brückner stattet ihn mit der gewünschten Widerwärtigkeit aus.

Dagmar Manzel sorgt für einen kleinen Lichtblick

Alles ist überdeutlich und frei von Zweifeln: Markus Imboden, gewiss nicht der untalentierteste Regisseur, beerdigt den Film unter den vielen guten Absichten. In der derzeitigen Stimmungslage mag das Unterfangen an sich löblich sein. Aber mit so vielen Plattitüden scheitert man schrecklich.

Auch Fabian Hinrichs reizt als edler Polizeiritter Voss die idealistische Sozial-Schlaubergerei bis über die Schmerzgrenze hinweg aus: Am Ende wird er den seelisch angeknacksten Basem adoptieren wollen, da streckt man endgültig die Waffen. Die wunderbare Dagmar Manzel tapert als warmherzige Kommissarin hilflos durch den Wald aus erhobenen Zeigefingern, Eli Wasserscheidt und Andreas Leopold Schadt als Assistenten, die fürs Lokalkolorit stehen, bleiben so blass, dass sie wenigstens nicht unangenehm auffallen. Das ist schon viel in diesem Film.

Fazit: Krimi als Nachhilfeunterricht. Furchtbar bemüht.

• Sonntag, 9. April, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort: Am Ende geht man nackt“