Essen. Sönke Wortmann hat mit „Charité“ einen historischen Klinik-Sechsteiler geschaffen. Bei guten Quoten könnte es eine Fortsetzung geben.

Deutschland ist süchtig nach US-Serien. Jetzt haben auch deutsche TV-Sender die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen sich an Serien in Kino-Qualität. Für ihren Sechsteiler „Charité“, der ab dem 21. März jeden Dienstag läuft, hat die ARD Starregisseur Sönke Wortmann (57, „Die Päpstin“) verpflichtet. Die Serie spielt im Jahr 1888, einer Zeit, die uns heute in vielerlei Hinsicht düster erscheint, aber auch eine Epoche des wissenschaftlichen Aufbruchs war. Dabei werden historische Ereignisse mit fiktiven Schicksalen verknüpft.

Herr Wortmann, in Ihrer Fernsehserie „Charité“ geht es um Mediziner und Patienten an dem berühmten Berliner Krankenhaus anno 1888. Was hat Sie an der Thematik gereizt?

Der Regisseur Sönke Wortmann (M.) und die Schauspielerinnen Emilia Schüle (l.) und Alicia von Rittberg bei der Premiere der ARD-Serie „Charité“.
Der Regisseur Sönke Wortmann (M.) und die Schauspielerinnen Emilia Schüle (l.) und Alicia von Rittberg bei der Premiere der ARD-Serie „Charité“. © dpa | Jörg Carstensen

Sönke Wortmann: Erstens das Format. Es ist meine erste Fernsehserie, und ich probiere gerne mal was Neues aus. Zweitens das Thema und die Zeit: Das wilhelminische Zeitalter ist im deutschen Film und Fernsehen absolut untererzählt. Das war eine ganz spannende Epoche, und ich finde, es ist höchste Zeit, dass in der Richtung mal etwas gemacht wird. Alles, was damals passiert ist, nicht nur medizinisch, hatte direkte Auswirkungen auf unser Leben heute.

Fing die moderne Medizin mit Rudolf Virchow und Robert Koch, die im Mittelpunkt Ihres Sechsteilers stehen, erst an?

Wortmann: Das kann man so sagen. Wenn es die damals nicht gegeben hätte an der Charité, wäre unsere medizinische Versorgung nicht so gut, wie sie heute ist. Durch Impfen wird verhindert, dass man krank wird, und wenn es einen doch erwischt, gibt es Antibiotika, damit man schnell wieder gesund wird. Das haben wir den Leuten von damals zu verdanken.

In „Charité“ werden einige operative Eingriffe sehr detailgenau gezeigt. Muss es denn wirklich so drastisch sein?

Wortmann: Ich finde es eigentlich vergleichsweise harmlos, man sieht ja kaum Blut, ich hätte mir da mehr gewünscht. Bei einem Kaiserschnitt etwa kann das Blut auch bis an die Decke spritzen, das haben wir ja gar nicht gezeigt. Ich wollte keine Showeffekte, sondern einfach nur realistisch zeigen, wie so etwas abläuft.

Hat Ihnen die ARD reingeredet?

Wortmann: Nein. Aber ich habe mir gemeinsam mit den Produzenten und den zuständigen Leute von der ARD überlegt, was man dem Zuschauer zumuten kann und was nicht. Wir wollten nicht reißerisch werden, aber auch nicht so tun, als wäre das alles ganz harmlos.

Wie haben Sie erreicht, dass alles authentisch wirkt?

Die historische Krankenhausserie „Charité“ startet mit sechs Folgen.
Die historische Krankenhausserie „Charité“ startet mit sechs Folgen. © obs | ARD/N. Konietzny/Montage dinjank

Wortmann: Wir haben auf Details geachtet, und wir hatten immer einen medizinischen Fachberater dabei, der uns zum Beispiel bei einer Szene mit einem Luftröhrenschnitt gesagt hat, wie das ist, und so haben wir es auch gemacht, das ist sehr wichtig für mich. Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, dass die Chirurgen damals ohne Handschuhe, mit bloßen Händen, operiert haben – Keime und Derartiges, das alles war damals noch weitgehend unbekannt.

Aber trotz aller Originaltreue: Gedreht wurde das meiste nicht in Berlin, sondern in Prag.

Wortmann: Wir haben ein paar Außenaufnahmen in Berlin gedreht, vorm Französischen Dom etwa, aber es ist wahr: Alles, was man in der Serie von der Charité sieht, das Gebäude von außen und auch die Säle, steht in Prag. Das ist so, weil es in Deutschland kein geeignetes Gebäude mehr gibt, das unrenoviert nach 19. Jahrhundert aussieht.

„Charité“ läuft als Sechsteiler. Kann man schon sagen, ob es eine Fortsetzung geben wird?

Wortmann: Es könnte eine geben. Die Verantwortlichen sind zufrieden, und es werden gerade auch schon Drehbücher für eine zweite Staffel geschrieben. Aber es wird nur gedreht, wenn die Quoten auch okay sind. Es gäbe dann allerdings einen Zeitsprung, denn die Protagonisten aus unserer Serie sind kurz danach alle aus Berlin weggegangen.

Ist es in Deutschland schwieriger, eine Qualitätsserie zu drehen, als etwa in den USA, wo mehr Geld zur Verfügung steht?

Wortmann: Nein, das finde ich nicht. Aber ich finde, Deutschland hat den Trend ein bisschen verschlafen.

Dienstag, 21. März, ARD, um 20.15 Uhr