Berlin. Wutausbrüche liegen Innenminister de Maizière fern. Bei „Hart aber fair“ war es fast soweit. Schuld war ein notorischer Erdogan-Fan.

Fatih Zingal ist in deutschen TV-Talkshows kein Fremder mehr. Schon während der Erdogan-Böhmermann-Affäre verteidigte der Vize-Chef der Union Europäischer-Türkischer Demokraten (UETD) den türkischen Präsidenten mit Vehemenz. Am Montagabend bei „Hart aber fair“ übernahm Zingal erneut die Rolle des Erdogan-Verstehers. Es ging um die Frage „Hier Freiheit leben, dort Erdogan wählen – wie passt das zusammen?“

Fatih Zingal.
Fatih Zingal. © imago/Revierfoto | imago stock&people

Er habe kein Verständnis für die Auftrittsverbote türkischer Minister in Deutschland, erklärte Zingal, während die Veranstaltung von „Terroristen“ erlaubt seien. Gemeint war die PKK, die in Deutschland verboten ist. Zingal malte ein positives Bild von der Türkei, mit Pressefreiheit und Politikern, die fälschlicherweise dämonisiert würden. Als Gastgeber Frank Plasberg den UETD-Vize fragte, was er von den Nazi-Vergleichen Erdogans und einiger seiner Minister halte, gab es keine klare Abgrenzung. Stattdessen warf Zingal deutschen Politikern vor, ebenfalls Hitlervergleiche bemüht zu haben. Da wurde es dann Thomas den Maizière zu viel.

Live-Disput spiegelt die vergiftete Atmosphäre wider

Als Minister müsse er ja besonnen bleiben, so der CDU-Politiker. Aber als Mensch sei er „wütend und zornig“ angesichts der Verbalattacken von türkischer Seite. Und dann wandte er sich direkt an Zingal: „Das ist eine sehr raffinierte Propagandashow, die Sie hier abziehen.“ Einmal in Fahrt, warf er Zingal „perfide“ Methoden vor. „Sie katapultieren sich in eine Opferrolle hinein, das ist nicht in Ordnung. Wir lassen uns nicht sagen, dass hier irgendein Terrorist von uns geschützt wird.“

Der Disput in der Live-Debatte zeigte exemplarisch, wie vergiftet die Atmosphäre zwischen der deutschen und der türkischen Politik inzwischen ist. Selbst der Moderator geriet zeitweise an den Rand der Contenance – und erneut war der Grund Fatih Zingal. Er sei es ja bei solchen Runden gewohnt, dass „Vertreter der türkischen Seite so schnell beleidigt sind“, meinte Plasberg spitz. Und dass Zingals Sprecher im Studiopublikum ständig als einziger applaudierte, fand der Gastgeber „einfach blöd“.

Einer hatte aber auch Verständnis für Zingal

Es ist klar: Wer um Verständnis für die türkische Seite in der aufgeheizten Diskussion wirbt, der hat derzeit einen schweren Stand. Auch Grünen-Politiker Cem Özdemir schob den türkischen Politikern die Schuld an der „permanenten Eskalation“ vor. Und die Journalistin Düzen Tekkal attestierte Ankara einen „Ideologieexport“, in Deutschland lebende Türken würden inzwischen als „Haustürken“ beschimpft.

Doch es gab bei „Hart aber fair“ auch Unterstützung für Zingal. Daniel Zimmermann von der Peto-Partei, Bürgermeister im rheinischen Monheim, fand, man solle „nicht die Deutsch-Türken verurteilen, die Erdogan gut finden“. Der Präsident, so Zimmermann, würde „gerade durch seine markigen Worte eine selbstbewusste Türkei ausstrahlen“. Und das gefalle eben vielen Türkischstämmigen, die im Alltag immer noch Diskriminierung erlebten – bei Wohnungssuche, Diskobesuchen oder in der Schule. „Wenn dann der starke Mann kommt, kann ich verstehen, dass das Anklang findet“, so Zimmermann.

Fazit: Sachliche Debatten zum deutsch-türkischen Verhältnis scheinen derzeit nicht möglich zu sein. Wenn selbst Stoiker wie Thomas de Maizière die Stirnader schwillt, stehen die Zeichen schlecht für eine Annäherung. Für Runden wie bei „Hart aber fair“ verspricht das zwar krawallige Unterhaltung – aber keinen auch nur halbwegs sachlichen Austausch von Argumenten.