Berlin. Schulz und Böhmermann starten in Staffel zwei ihrer Talkrunde. Beim Thema „Geschlechterrollen“ geht es – erwartungsgemäß – hoch her.

Armer Jan Böhmermann. Da ist die erste Folge der zweiten Staffel von „Schulz und Böhmermann“ noch nicht gelaufen – und er ist schon „zerfleddert“. Keine Überraschung bei dem Thema der ach so entspannten Talkrunde mit Wein, Bier und Kippchen, lautet es doch: Sexismus. Beziehungsweise: Geschlechterrollen.

Ein „Multiproblemkonstrukt“ (Laura Himmelreich), das die Vorherrschaft des Mannes in der Gesellschaft darstellt. Wie lässt sich dagegen ankämpfen? Als Experten haben die Gastgeber Uschi Glas’ Sohn, Prügel-Bub Ben Tewaag, Journalistin Laura Himmelreich, Punkrocker Schorsch Kamerun sowie Soziologe Rolf Pohl ins Studio geladen.

Talkrunde stellt altbekannte Fakten fest

Diese Runde soll im Laufe der 60-minütigen Sendung noch zur Manege für Pimmelwitze, Klagedrohungen und Feststellungen bereits bekannter Fakten führen. Nur gut, dass sich Olli Schulz (43) eigenen Aussagen zufolge schon vor der Sendung darüber im Klaren ist, dass bei dieser Diskussion rein gar nichts herumkommen kann. Bingo.

Denn die Idee als solche, mit fünf Männern und einer Frau überhaupt über ein so anspruchsvolles Thema zu diskutieren, ist schön und gut. Und sinnvoll. Nur warum gleich als Auftakt zu einer Talkrunde, die noch bis Dezember läuft? Und wieso Gäste einladen, die – siehe Ben Tewaag in seiner Paraderolle als Buhmann der Bundesrepublik – anscheinend als Macho herhalten, weil sie vor fast einem Jahrzehnt mal einen Kameramann mit Alkohol übergossen und angezündet haben? (Nicht, dass wir das gut finden!)

Himmelreich will nicht mehr über Brüderle-Geschichte sprechen

Da macht die Anwesenheit der „Vice“-Deutschland-Chefin Laura Himmelreich, die den „Aufschrei“-Hashtag durch ihr Hotelbar-Treffen mit FDP-Politiker Rainer Brüderle zum Leben erweckt hat, noch mehr Sinn. Obwohl sie wegen des für sie optisch „unvorteilhaften Fotos der Begegnung“ schon selbst nicht mal mehr darüber sprechen will, wie Brüderle eine anzügliche Bemerkung über Oberweite machte. Warum sollte der Zuschauer dann wollen?

Im Januar 2013 entstand der Hashtag #aufschrei. Laura Himmelreich hatte eine Debatte über Sexismus und den „Herrenwitz“ losgetreten. Sie warf dem ehemaligen FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle vor, in einer Hotelbar eine anzügliche Bemerkung über ihr Dekolleté gemacht zu haben.
Im Januar 2013 entstand der Hashtag #aufschrei. Laura Himmelreich hatte eine Debatte über Sexismus und den „Herrenwitz“ losgetreten. Sie warf dem ehemaligen FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle vor, in einer Hotelbar eine anzügliche Bemerkung über ihr Dekolleté gemacht zu haben. © dpa | Hermann Pentermann

Vielleicht um zu sehen, ob dieser Hashtag eine Wirkung hatte. Dafür ist ein Soziologe eingeladen. Rolf Pohl hat das Buch „Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen“ geschrieben. Der Geschlechter-Forscher ist der Meinung, dass „der ganze Spuk“ (die Akte Himmelreich/Brüderle) nur ganze „zehn Tage“ gedauert habe und nichts bewirkt habe.

Piepser statt Pimmelwitze

Im Gegenteil würde heute eine „neue Generation von Sexisten herangezogen“, weil in der Gesellschaft jede Menge schief laufe. Erstens: Die Schulen schafften es nicht, Kinder vernünftig aufzuklären. Zweitens: Männer seien nicht verweichlicht, „das Wort gehört aus dem Vokabular gestrichen“. Drittens: Hormone seien nicht für Sexismus verantwortlich. Hätten wir das auch geklärt.

In diesem Sinne: Zeit, um auf den Boden des Tatsachen zurückzukehren, Zeit für einen Pimmelwitz. Davon kennt der Soziologe zwar keinen, Herr Schulz aber ganz viele. Blöd nur: In dem Moment, in dem er den Scherz nach etlichen Aufforderungen von Frau Himmelreich (sieh an!) aufsagen will, drückt Spielverderber Böhmermann (36) auf den Piepser – sodass nur noch Gäste und Studiopublikum hören, was er von sich gibt. Buh. Wenigstens hat der kurzzeitige Kappen-Träger Tewaag noch verlauten lassen, dass er Frauen attraktiv findet, „die was machen“. Wie die Faust aufs Auge, diese Aussage.

Schulz plädiert für mehr Lockerheit beim Thema Sexismus

Na ja, dafür gibt es im Rest der Sendung genug „real talk“ – auch wenn Schulz, der seine Ernährung von Birne auf Apfel umgestellt hat, aber immer noch Kette raucht und wohl deswegen unter Schnappatmung leidet, alles ganz locker angehen lassen will. Denn das sei schließlich das Besondere am Gerangel der Geschlechter und ähnlichen Erscheinungen: Lockerheit bei Themen zu finden, die nicht ausdiskutierbar sind und Talker wie sie doch zur Sprache bringen sollten.

„Ist doch albern, sich auf Ernsthaftigkeit zu berufen!“, redet sich der 43-Jährige im Wortgefecht mit Punk-Prinz Schorsch Kamerun in Rage. Da kriegt dann auch Kollege Böhmermann ein gepflegtes „Halt’s Maul, ich will was sagen dürfen!“ an den Dez geknallt. Bitteschön, Herr Schulz, Sie haben das Wort: „Ich vertrete lieber die Ambivalenz des Menschen, der gegen Sexismus ist, der aber auch einen guten Pimmelwitz macht.“ Seinen Schniedel-Schabernack ist die Sendung nicht mehr los geworden.

„Irgendwie bringt das hier nichts“

Doch auch der Jux kann nichts mehr retten. Trotz aller Bemühungen Böhmermanns, der Sendung mit Fragen zur Gleichberechtigung und Kinderbetreuung einen Hauch Sachlichkeit zu verleihen, hat Laura Himmelreich am Ende recht: „Irgendwie bringt das hier nichts. Und witzig ist es auch nicht.“ (Außer Sybille Berg natürlich!) Kamerun prangert gar eine „plumpe Debatte“ an, die – das Schicksal seines Lebens – nicht mal die Diskussion um Stümper Trump aufzupolieren imstande ist.

Wenigstens hält Soziologe Pohl noch eine Botschaft bereit: „Wenn Sie der AfD Ihre Stimme geben, heißt das, dass Sie Sexismus und Rassismus wieder hoffähig in Deutschland machen wollen.“ Nehmen wir diese Warnung doch als wegweisende Erkenntnis aus dem Staffelauftakt von „Schulz und Böhmermann“ an. Bevor wir am Ende alle zerfleddert sind.

Die ganze Sendung sehen Sie in der ZDF-Mediathek.