Berlin. Wenn der Ermittler Liebeskummer hat, muss Kommissar Zufall einspringen. Die „Tatort“-Folge „Kriegssplitter“ übertrieb es aber damit.
Wenn Til Schweiger der Rambo, Axel Prahl der Clown und Maria Furtwängler die Kühle unter den „Tatort“-Kommissaren ist, dann ist Stefan Gubser der Melancholiker. Gleich zu Beginn der Schweizer „Tatort“-Folge „Kriegssplitter“ am Sonntagabend stand der von Gubser verkörperte Luzerner Kommissar Reto Flückiger mit seiner Geliebten auf dem Hotel-Balkon und sinnierte über die Liebe und das Leben an sich – als direkt neben dem Paar ein Mann in den Tod stürzte.
Es war ein Auftakt mit Knalleffekt. Der Fall, der sich daraus für Flückiger und seine Leute entwickelte, war ebenso verzwickt wie die Antwort auf die Frage, weshalb der Mann im Hotel sterben musste. „Kriegssplitter“ bot eine tragische Familiengeschichte, die vor rund 20 Jahren im Tschetschenien-Krieg begann und die nun im beschaulichen Luzern ihrem tragischen Ende entgegen trieb – und dabei ein bisschen zu oft den Zufall bemühte.
Kriegssplitter im Schweiz-„Tatort“
• Zufall 1: Der Tote im Hotel
Dass der Mord an dem Journalisten, als der sich die Leiche nach dem Fenstersturz alsbald entpuppte, genau dort zutrug, wo der Kommissar mit seiner verheirateten Geliebten ein intimes Date hatte, und dass das Opfer quasi in Reichweite Flückigers am Balkon vorbei zu Tode stürzte, wirkte schon ziemlich bemüht.
• Zufall 2: Der Mann an der Ampel
Am Kommissar Flückiger im Dienstwagen vor einer roten Ampel wartete, hielt direkt neben ihm der gesuchte Killer – was der Zuschauer, aber nicht der Ermittler wusste. Da sollte wohl unbedingt Spannung erzeugt werden, die der Geschichte insgesamt fehlte.
• Zufall 3: Der gescheiterte Anschlag
Weil der Kommissar den Killer nicht kannte, konnte der unbehelligt zu seinem Opfer fahren. Dort tauchte aber just in dem Moment, als der Mörder die Waffe zückte, der Neffe des potenziellen Opfers auf, der seinen Onkel vor dem Anschlag rettete. Wieder spielte der Zufall Schicksal.
• Zufall 4: Die Festnahme
Als der ansonsten hauptsächlich mit seiner problematischen Liebesaffäre Kommissar bschäftigte letztlich dem Killer doch noch auf die Fährte kam, lief ihm der Gesuchte buchstäblich in die Arme. Flückiger musste ihm nur noch ein Beinchen stellen, schon lag der Böse am Boden. Die Verhaftung als glückliche Fügung.
Man bekam bei „Kriegssplitter“ zeitweise den Eindruck, der Luzerner Ermittler bekomme allein gar nichts auf die Reihe. Mit schwermütigem Blick und melancholischer Miene tapste er durch trist-spröde „Tatort“-Kulissen, in Gedanken mehr bei seiner (verheirateten) Geliebten als bei seinem Fall. Und am Ende stand er dann wieder auf einem Balkon und blickte gedankenschwer in die Ferne – diesmal ohne Knalleffekt. Hoffentlich hat sich bis zu Flückigers nächstem Fall wenigstens seine delikate Affäre geklärt.