München. „Tatort“, „Der Alte“, „Rentnercops“: Das Verbrechen bringt Quote. Doch was fasziniert Zuschauer an den Krimis im deutschen Fernsehen?

Mord ist ihr Hobby: Unzählige Fernsehzuschauer lieben Krimis, die Einschaltquoten für kriminelle Machenschaften in Filmen und Serien sind hoch. Kein Wunder, dass die Sender die Nachfrage nach Mord und Totschlag mit immer mehr Krimis befriedigen.

Allein ARD und ZDF haben derzeit mehr als 100 Serien und Reihen dazu im Angebot – vom Quotenrenner „Tatort“ mit seinen durchschnittlich neun Millionen Zuschauern, den „Rentnercops“ im Ersten bis zu „Kommissarin Heller“ oder „Unter anderen Umständen“ im Zweiten.

Kaum ein Tag ohne Krimi zur besten Sendezeit

Dass für andere Genres und Formate wie Komödien, Familienserien, Dokumentationen oder Filme ohne Bezug auf Gewalt und Verbrechen immer weniger Platz ist, scheint vielen Fernsehverantwortlichen egal zu sein. „Es wird im Großen und Ganzen nur noch das gemacht, was einigermaßen narrensicher funktioniert – und das sind in der Regel eben Krimis“, ist aus der ARD zu hören.

Kaum noch ein Tag in einer ganz normalen Fernsehwoche, an dem der Krimi das Programm zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr nicht im Griff hat. Freitags und samstags laufen im ZDF Serien wie „Ein Fall für zwei“, „Der Alte“, „Wilsberg“, „Ein starkes Team“ oder „Helen Dorn“, sonntags die ARD-Klassiker „Tatort“ und „Polizeiruf 110“.

Auch am Vorabend gibt es kein Entkommen

Auch montags und mittwochs zeigen ARD und ZDF zur besten Sendezeit häufig Krimis, dazu kommt der „Donnerstags-Krimi“ im Ersten, in dem die Kommissare – ob in Bozen oder Istanbul – in halb Europa auf Ganovenjagd gehen.

Vor den Fernsehmördern gibt es selbst am Vorabend kein Entkommen. Genannt seien nur Formate wie die sieben „Soko“-Varianten, die „Rosenheim-Cops“ oder „Notruf Hafenkante“. Und Privatsender wie Sat.1, RTL und ProSieben sorgen mit US-Serien wie „Navy CIS“, „Criminal Minds“ oder „Bones“ dafür, dass die Krimischwemme niemals aufhört.

Lust am angsteinflößenden Nervenkitzel

Warum lieben so viele Zuschauer Fernsehkrimis, was fasziniert sie an den nicht selten brutalen Geschichten über Verbrechen? Das ist zum einen die Angstlust, wie etwa der Münchener Psychologe Stephan Lermer erklärt: Ihm zufolge sorgen Krimis für angsteinflößenden Nervenkitzel, der aber auszuhalten ist, denn der Mord findet ja nur auf dem Bildschirm statt.

Andere Experten wie der Marburger Medienwissenschaftler Karl Prümm betonen, dass Krimis vor allem das Gerechtigkeitsempfinden der Zuschauer befriedigen – die gezeigten Verbrechen werden in der Regel gelöst, die Täter dingfest gemacht.

Spannungsabbau durch Rituale und Gewohnheiten

Der Ethnologe Thomas Hauschild aus Halle an der Saale weist darauf hin, dass Krimis zum Spannungsabbau beitragen. Gleichzeitig erzeugten vor allem die Krimi-Reihen, die regelmäßig an einem bestimmten Wochentag gezeigt werden, Orientierung.

„Tatort“, „Polizeiruf 110“ oder „Soko“ seien liebgewonnene Rituale und Gewohnheiten, die Vorfreude erzeugen, was Psychologe Stephan Lermer als „Adventseffekt“ bezeichnet. Freilich nur ein schwacher Trost für all jene, die von der Krimischwemme genervt sind und sich mehr Vielfalt im Programm wünschen.