Berlin. Würden Polizisten so ermitteln, wie es sich im Maischberger-Talk darstellte, unser Ordnungshüter ständen zu Recht als Prügelknaben da.

“Polizisten – Prügelknaben der Nation?”, fragte Sandra Maischberger am Mittwochabend, und es gab auch in den vergangenen Tagen Fälle, die den Verdacht aufkommen lassen. Doch die Ringrichterin sah im Politik-Talk zu, wie um ganz viele Fragen gerungen wurde, die von einer Antwort eher wegführten. Deshalb gibt es an dieser Stelle einen Überblick über einzelne Kämpfe. Wer wann wen angriff und wer verbale Prügel einstecken musste.

Vor den Scheinwerfern saßen die Autoren von „Polizei am Limit“ (Ex-Bundespolizist und Profi-Kampfsportler Nick Hein) und „Deutschland in Gefahr – Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt“ (Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft) und „Im Recht“ (Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH), ergänzt um den Autor von „Aufstieg und Fall der Piratenpartei“ (Christopher Lauer, mittlerweile SPD). Bände sprechen sollten die Praxiserfahrungen von Regina Lenders, Polizistin in Hamburg, Gewerkschafterin und Ehefrau von Wendts Stellvertreter. Kriminalitätsopfer Heike Osterberg, die einen Blumenladen in Berlin betreibt, saß quasi als Zeugin in der Sendung.

Rainer Wendt will auf Fragen zu seinem Buch nicht antworten

Der Vorkampf – Fischer vs. Wendt: Vor der Sendung hatte es schon eine Attacke gegeben. Richter Fischer hatte in seiner „Zeit“-Kolumne Wendts Bestseller über den schwachen Staat verrissen. Überschrift des Textes: „Polizist am Abgrund“.

Spätestens jetzt hatten sich viele Zuschauer gewünscht, beide einmal beim Schlagabtausch in einer Talkshow zu sehen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

In der Sendung beschränkte sich Fischer vor allem darauf, Wendt zurechtzustutzen: „Sie sprechen nicht für die Polizei, Sie sprechen für eine von mehreren Polizeigewerkschaften.“ Wendt wollte in der Sendung auf vorgehaltene Zitate aus seinem Buch gar nicht so gerne eingehen.

In welcher Welt leben wir eigentlich?

Hein vs. Realitätsverlust: Nick Hein, früherer Bundespolizist und Weltklasse-Judoka ist vielen durch seine Facebook-Beiträge nach den Kölner Silvesternächten bekannt geworden. Er rief eine Geschichte aus seiner Zeit am Hauptbahnhof in Erinnerung. „Da ist eine Kollegin bei einer Kontrolle aufs Gleisbett geschubst worden, und wir fanden das normal. Heute realisiert man, in was für einem verdrehten Mikrokosmos man sich dort befindet.“

Zwischen Nick Hein (rechts) und Christopher Lauer wurde verbal gekämpft.
Zwischen Nick Hein (rechts) und Christopher Lauer wurde verbal gekämpft. © ARD | ARD

Hein vs. Lauer: Lauer hatte den Sinn von Videoüberwachung in Frage gestellt. Kampfsportler Hein spitzzüngig: „Wenn ich Sie schlage, können Sie froh sein, wenn es das auf Kamera gibt und mich anzeigen. Oder Sie können sich statt der Anzeige Gedanken über die gesamtgesellschaftliche Situation machen und überlegen, ob Sie eine Teilschuld haben, weil Sie mir mit ihrer weltfremden Meinung auf die Nerven gegangen sind.“ Rhetorischer Tiefschlag.

Ein Richter ermahnt die Runde

Blumenhändlerin vs. Berlin: Blumenhändlerin Heike Osterberg ist in ihrem Laden in Tempelhof-Schöneberg mehrfach Opfer von Kriminellen geworden, beklagt fehlenden Aufklärungswillen bei vorhandenen Bildern der Überwachungskamera. Sie sei aus der Stadt gezogen, so die Unternehmerin. „Ich finde Berlin nur noch ätzend und einfach beschissen.“ Ihre Begründung: Von früherer Präsenz der Polizei sei wenig geblieben, es gebe allgemein Null Respekt vor Menschen. Ihr Beispiel: die U-Bahn-Schubser.

Fischer vs. Raub: Ja, es ging in der Sendung vor allem um einen Fall von Diebstahl, nicht um einen Raub. Strafrechtler Fischer war ausdauernd genug, mehrfach zuzuschlagen, wenn gerade wieder jemand von „beraubt“ sprach. „Diebstahl!“. Fischer im Recht, unzweifelhaft und unerbittlich. Der Geschäftsfrau war das herzlich egal: „Beraubt worden sind wir doch auch schon.“

Fischer vs. Durcheinander: Thomas Fischer übernahm Sandra Maischbergers Rolle und versuchte, die Diskussion in geregeltere Bahnen zu bringen. Über Diebstahl im Blumenladen, Gewalt gegen Polizisten, Alter der Polizisten, Überstunden bei der Polizei und Ausstattung der Justiz zu reden war ihm ein bisschen viel auf einmal. Ein Treffer.

Wendt sieht auch Schuld bei der Justiz

Mit Thomasd Fischer (links) und Rainer Wendt hatte sich ein harter Schlagabtausch entwickelt.
Mit Thomasd Fischer (links) und Rainer Wendt hatte sich ein harter Schlagabtausch entwickelt. © ARD | ARD

Wendt vs. Justiz: Richter Fischer hatte der Blumenladenbesitzerin gerade geantwortet, auch der von ihr schmerzlich vermisste Kontaktbeamte von früher hätte an der Tat der U-Bahn-Schubser nichts geändert. Jetzt kam Wendt aus der Deckung: „Ziehen Sie das doch nicht ins Lächerliche. Unerträglich, wie Sie mit Opfern umgehen. Aber so ist Justiz.“ Wenn fünf Vergewaltiger feixend einen Gerichtssaal verließen, sei das nicht nur für Bevölkerung und Polizei frustrierend, sondern auch ein verheerendes Signal an Täter.

Wendt vs. Wendt: Der Polizeigewerkschaftler entzog mal eben einer seiner Forderungen der vergangenen Jahre den Boden: härtere Strafen für Gewalt gegen Polizisten! Bei Maischberger sagt er fast beiläufig: „Wer Steine auf Polizisten wirft, schaut nicht vorher ins Strafrecht.“ Strafrecht könne nicht alles lösen.

Lauer & Fischer vs. die Grundthese: Zu wenig Respekt für Polizisten? 82 Prozent der Bevölkerung vertrauten der Polizei in Deutschland laut einer GfK-Umfrage , diese hohe Zustimmung zeuge nicht von fehlendem Respekt, sagte Lauer. „Aber Polizisten stehen ständig denen gegenüber, die durchs gesellschaftliche Netz gefallen sind und bekommen dadurch ein anderes Bild.“ Fischer sagte, „er könne sich an keine Zeit erinnern, in der solche Klagen nicht erhoben wurden.“ Polizistin Regina Lenders hielt aus ihrer Erfahrung dagegen, die Respektlosigkeit habe spürbar zugenommen. Empirische Belege blieb die Sendung schuldig. Fischer erklärte, es sei noch nie so sicher gewesen, in Deutschland zu leben. Die Ängste seien aber da, räumte er ein.