Berlin. Maybrit Illner fragte im ZDF, was die SPD-Kanzlerkandidatur von Martin Schulz bedeutet. Die beste Antwort gab ein Spiegel-Journalist.

Die deutsche Sozialdemokratie hat nach langer Lethargie binnen eines Tages ihren Elan wiederentdeckt. Grund ist die Entscheidung von Sigmar Gabriel, Martin Schulz den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur zu lassen. Der Schritt hat den Kampfgeist in der SPD geweckt: Plötzlich scheint es doch möglich, dass die Partei der Union bei der Bundestagswahl 2017 gefährlich wird.

Allein, was für ein Kandidat genau Martin Schulz sein wird, ist noch völlig unklar. Maybrit Illner versuchte am Donnerstagabend, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Innenpolitik, Wahlkampf, Rot-Rot-Grün: Was bedeutet die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz?

Niemand weiß, was Schulz will

Könnte es mit ihr ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl geben? Linke-Vorsitzende Katja Kipping.
Könnte es mit ihr ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl geben? Linke-Vorsitzende Katja Kipping. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

Mit Blick auf die innenpolitische Ausrichtung des neuen SPD-Vorsitzenden herrschte allerdings auch in der Runde allgemeine Ratlosigkeit. „Ich weiß nicht, ob er ein linker oder ein rechter Sozialdemokrat sein wird“, fasste FDP-Chef Lindner zusammen. Das war fast schon erfrischend ehrlich.

Die anderen Gäste versuchten derweil, Schulz in eine für sie vorteilhafte Ecke zu stellen. Linken-Chefin Katja Kipping leitete aus Schulz Zeit in Europa eine mangelhafte soziale Agenda ab. Und CDU-Politiker Carsten Linnemann gab vor, sich über die Kandidatur zu freuen, weil sich die Union nun endlich mit einem linken Politiker über dessen Pläne streiten könne. Klar, dass Thomas Oppermann nur warme Worte fand: „Mit diesem Kandidaten haben wir eine größere Chance, das sagen alle“, freute sich der SPD-Fraktionschef.

Koalitionsspiele – wer mit wem?

Der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer lieferte bei Maybrit Illner die prägnanteste Einschätzung zum SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz.
Der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer lieferte bei Maybrit Illner die prägnanteste Einschätzung zum SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

Die beste Einschätzung zu Martin Schulz lieferte schließlich Jan Fleischhauer. „Schulz ist der Guttenberg der Sozialdemokraten“, sagte der Spiegel-Journalist. Er sei ein Medienphänomen, auch weil er den perfekten sozialdemokratischen Lebenslauf habe. „Da gehen die Herzen auf“, befand Fleischhauer.

Einen großen Erkenntnisgewinn brachte die Runde zum Thema Martin Schulz trotzdem nicht. Gleiches galt leider auch für die folgenden Planspiele zu möglichen Koalitionen nach der Wahl. Wer zwischen den Zeilen lesen wollte, konnte erkennen, dass vor allem Linke-Chefin Katja Kipping ein rot-rot-grünes Bündnis favorisiert. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, schien dagegen einer schwarz-grünen Koalition zugeneigt, während CDU-Politiker Linnemann die FDP als „natürlichen Partner“ benannte.

Selbstbewusstes Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün

Überraschend eindeutig zu einer Koalition mit der Linkspartei äußerte sich Thomas Oppermann, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag.
Überraschend eindeutig zu einer Koalition mit der Linkspartei äußerte sich Thomas Oppermann, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

Und Thomas Oppermann? Der SPD-Mann kämpfte mit dem Dilemma, das die SPD wohl den gesamten Wahlkampf lang begleiten wird. Auf der einen Seite scheint rot-rot-grün das ideale Bündnis für die Sozialdemokraten, um wieder den Kanzler zu stellen. 30 Prozent plus X? „Lassen Sie es uns doch mal versuchen“, forderte Oppermann überraschend selbstbewusst.

Auf der anderen Seite birgt eine linke Regierung auch Gefahren für die Partei. „Wir werden das sondieren, aber es gibt auch Grenzen: Europa schwächen oder ein Nato-Austritt gehen mit uns nicht“, sagte Oppermann.

Grabenkämpfe und Selbstbeweihräucherung

Am Ende war diese Ausgabe von Maybrit Illner ein gutes Beispiel dafür, warum Talkrunden, die fast ausschließlich mit Politikern besetzt sind, oft nicht funktionieren. Ständig wurde die Diskussion von den üblichen Grabenkämpfen und Selbstbeweihräucherungen der Parteien dominiert. Kein Wunder, dass die erfrischenden Beiträge fast ausschließlich vom gerne kontroversen Fleischhauer kamen, der allerdings viel zu wenig Redezeit hatte.

Das eigentliche Thema – die Folgen der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz – kam so zu kurz. Da half auch das sehr hypothetische Geplänkel über mögliche Koalitionen nicht mehr. „Ich rate dazu, die Koalitionsverhandlungen erst nach der Wahl zu führen.“ Hätte Thomas Oppermann diesen Satz nur vor der Sendung gesagt.

Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.