Im neuen „Tatort“ aus Frankfurt geht es diesmal um ein heikles Thema. Im Mittelpunkt des Krimis stehen Flüchtlinge und Rechtsradikale.

Wer kann denn ernsthaft etwas gegen Friseursalons haben? Eine verpfuschte Frisur rechtfertigt keinen Brandanschlag. Nun, dieser Beweggrund steht im Frankfurter „Tatort“ auch nie zur Debatte. Aber der Salon wird trotzdem abgefackelt, es gibt eine Tote. Eine Auszubildende verbrennt im Feuer; ein Mädchen aus guten Verhältnissen.

Um die guten Verhältnisse und die nicht so guten geht es in dem Krimi mit dem Titel „Land in dieser Zeit“. Der erste Verdächtige für die Brandstiftung ist ein afrikanischer Dealer – und mit dessen Festnahme sind die Ermittler Brix (Wolfram Koch) und Janneke (Margarita Broich) mittendrin in der drängenden, komplizierten und, wie zu beweisen wäre, mörderischen deutschen Gegenwart.

Im Zentrum steht ein Chor

Denn mit dem Dealer hatten die Friseurinnen Krach, wie die Chefin berichtet. „Was gegen Ausländer“ haben sie natürlich nicht, aber auf deren Treiben im Quartier legen sie auch keinen gesteigerten Wert. Da es Vera Rüttger (wieder einmal überzeugend: Jasna Fritzi Bauer), die zweite Auszubildende, mit der Wahrheit nicht sehr genau nimmt, müssen die Kommissare in alle Richtungen ermitteln. Waren es andere Täter, die dem Afrikaner etwas in die Schuhe schieben?

Der Frankfurter „Tatort“ in Bildern

Der „Tatort“-Krimi „Land in dieser Zeit“ thematisiert Rechtsradikalismus und Flüchtlingsproblematik. Als in einem Friseurladen ein Molotow-Cocktail explodiert, müssen die Kommissare Paul Brix (Wolfram Koch, li.) und Anna Janneke (Margarita Broich) mit ihrem Kollegen Uhlich (Sascha Nathan) von der Spurensicherung ermitteln.
Der „Tatort“-Krimi „Land in dieser Zeit“ thematisiert Rechtsradikalismus und Flüchtlingsproblematik. Als in einem Friseurladen ein Molotow-Cocktail explodiert, müssen die Kommissare Paul Brix (Wolfram Koch, li.) und Anna Janneke (Margarita Broich) mit ihrem Kollegen Uhlich (Sascha Nathan) von der Spurensicherung ermitteln. © HR/Degeto | Bettina Müller
Der Laden ist völlig ausgebrannt. Darin: eine Leiche und der auf den Boden gepinselte Spruch „Kill all Nazis“.
Der Laden ist völlig ausgebrannt. Darin: eine Leiche und der auf den Boden gepinselte Spruch „Kill all Nazis“. © HR/Degeto | Bettina Müller
Am Tatort stellt sich den beiden Kommissaren der neue Chef der Frankfurter Mordkommission vor: Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, re.)
Am Tatort stellt sich den beiden Kommissaren der neue Chef der Frankfurter Mordkommission vor: Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, re.) © HR/Degeto | Bettina Müller
Wollte die Besitzerin des Friseurladens (Birge Schade, li.) mit einer „heißen Renovierung“ ihr marodes Geschäft sanieren?
Wollte die Besitzerin des Friseurladens (Birge Schade, li.) mit einer „heißen Renovierung“ ihr marodes Geschäft sanieren? © HR/Degeto | Bettina Müller
Die Friseurin Vera (Jasna Fritzi Bauer, li.) scheint einen Hang zu rechtsradikalen Thesen zu haben.
Die Friseurin Vera (Jasna Fritzi Bauer, li.) scheint einen Hang zu rechtsradikalen Thesen zu haben. © HR/Degeto | Bettina Müller
Veras Mitbewohnerin Juliane Kronfels (Anna Brüggemann, li.) spielt in dem „Tatort“ eine undurchsichtige Rolle.
Veras Mitbewohnerin Juliane Kronfels (Anna Brüggemann, li.) spielt in dem „Tatort“ eine undurchsichtige Rolle. © HR/Degeto | Bettina Müller
Vera lässt sich beim Verhör von der Kommissarin zunächst nicht beeindrucken.
Vera lässt sich beim Verhör von der Kommissarin zunächst nicht beeindrucken. © HR/Degeto | Bettina Müller
Immer mehr gerät Vera (li.) unter den Einfluss ihrer Mitbewohnerin Juliane (m.) und deren Freundin Margaux Brettner (Odine Johne, re.)
Immer mehr gerät Vera (li.) unter den Einfluss ihrer Mitbewohnerin Juliane (m.) und deren Freundin Margaux Brettner (Odine Johne, re.) © HR/Degeto | Bettina Müller
Hauswirtin Fanny (Zazie de Paris, m.) hat Kommissar Brix (2. v.r.) einige Flüchtlinge als vorübergehende Mitbewohner organisiert. Es bleibt nicht immer so harmonisch.
Hauswirtin Fanny (Zazie de Paris, m.) hat Kommissar Brix (2. v.r.) einige Flüchtlinge als vorübergehende Mitbewohner organisiert. Es bleibt nicht immer so harmonisch. © HR/Degeto | Bettina Müller
Bald gehen dem Polizisten die unerwarteten Mitbewohner auch auf die Nerven.
Bald gehen dem Polizisten die unerwarteten Mitbewohner auch auf die Nerven. © HR/Degeto | Bettina Müller
Ein undurchsichtige Rolle spielt auch der Disco-Loverboy Heiner Pohlmann (Enno Hesse).
Ein undurchsichtige Rolle spielt auch der Disco-Loverboy Heiner Pohlmann (Enno Hesse). © HR/Degeto | Bettina Müller
Ermittler Jonas (Isaak Dentler, re.) versucht Pohlmann zum Reden zu bringen.
Ermittler Jonas (Isaak Dentler, re.) versucht Pohlmann zum Reden zu bringen. © HR/Degeto | Bettina Müller
Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) blickt auch nicht immer durch.
Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) blickt auch nicht immer durch. © HR/Degeto | Bettina Müller
In der Neonazi-Disco treffen sich Vera (Jasna Fritzi Bauer) und Heiner Pohlmann (Enno Hesse). Bald ist klar: Ihre Beziehung findet kein Happy End.
In der Neonazi-Disco treffen sich Vera (Jasna Fritzi Bauer) und Heiner Pohlmann (Enno Hesse). Bald ist klar: Ihre Beziehung findet kein Happy End. © HR/Degeto | Bettina Müller
Kein Alkohol ist auch keine Lösung, denkt sich Friseurin Vera (Jasna Fritzi Bauer, re.). Mitbewohnerin Juliane (Anna Brüggemann) passt lieber.
Kein Alkohol ist auch keine Lösung, denkt sich Friseurin Vera (Jasna Fritzi Bauer, re.). Mitbewohnerin Juliane (Anna Brüggemann) passt lieber. © HR/Degeto | Bettina Müller
Der Drogendealer John Aliou (Warsama Guled) gerät unter Mordverdacht. Aber Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) muss erkennen, dass es doch ein anderer war.
Der Drogendealer John Aliou (Warsama Guled) gerät unter Mordverdacht. Aber Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) muss erkennen, dass es doch ein anderer war. © HR/Degeto | Bettina Müller
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Ins Blickfeld gerät ein Chor, in dem Vera Solistin ist. Wie einen düsteren Kommentar zum Zeitgeschehen inszeniert Regisseur Markus Imboden bereits die erste Szene des Films: Die Bilder des ausgebrannten Ladens werden mit dem Chor gegengeschnitten: Er singt „Kein schöner Land in dieser Zeit“, ein Volkslied, das einst weite Verbreitung durch das „Preußische Soldatenliederbuch“ fand.

Wasserschaden in Flüchtlingsunterkunft

Es ballt sich alles ganz trefflich in dieser „Tatort“-Folge. In die Wohngemeinschaft von Kommissar Brix sind wegen eines Wasserschadens in der Sammelunterkunft einige Migranten eingezogen. Brix ist sein Bett los. Alltagsprobleme tauchen auf, wenn sich die neuen Mitbewohner zum Beispiel beim Duschen vordrängeln.

Der Kommissariatsleiter hofft, dass sich der Totschlagsverdacht gegen den kriminellen Einwanderer nicht erhärtet. Für Nervosität gibt es allen Grund, wo doch auch die intellektuelle Rechte längst mobil macht. In diesem „Tatort“ ist es eine an die aus Frankreich stammende und auch in Deutschland aktive „Identitäre Bewegung“ erinnernde rassistische Gruppe, die die Fäden zieht. Deutschtum wird großgeschrieben – was einem für das Chorwesen etwas leidtut. Das Musikmotiv durchzieht diesen clever, aber auch überdeutlich montierten Krimi.

Den besten Auftritt in dieser hoffnungslosen Parabel über Erfolg und Misserfolg von Willkommenskultur und Integration hat ein Mann mit dem Namen Fosco Carridi, der die Rolle als Vorgesetzter neu einnimmt. Der Schweizer Bruno Cathomas gibt Carridi als bizarren Lyrik-Fan, der gern Ernst Jandl rezitiert. Sein Antrittsgeschenk: ein Gedichtband. „Manche meinen/ lechts und rinks/ kann man nicht/ velwechsern/ werch ein illtum!“, sagt Corridi, niemand scheint so gut wie Jandl die Tücken der Ermittlungsarbeit zu kennen.

Fazit: Sensible Annäherung an ein schwieriges Thema. Allerdings bisweilen zu klischeelastig.

ARD, 8. Januar, 20.15 Uhr