Hamburg. Im „Polizeiruf 110“ aus Rostock geht es um den Tod einer Obdachlosen. Ein unappetitlicher Fall, der mit einem besonderen Finale endet.

Er habe, motzt der nassforsche Polizist Pöschel, keinen Bock auf „das ständige Den-Täter-zum-Opfer-machen-Gelaber“. Eine, die so etwas tut, die es wichtig findet, dass auch Kindesmissbraucher irgendwie sozial eingegliedert werden, ist Kriminalhauptkommissarin König (Anneke Kim Sarnau). König weiß auch wegen ihres Kollegen, dass nicht alle das so sehen. Und dass die Dinge im aktuellen Fall nicht so einfach liegen.

Die beiden nach Haftstrafen entlassenen Sexverbrecher sollen verantwortlich sein für den Tod einer Obdachlosen in einem Dorf bei Rostock? Daran will König, die Profilerin, nicht glauben. Sie braucht nicht lange, um zu verstehen: Die Nachbarschaft fand es jetzt nicht so dufte, dass die beiden Delinquenten sich ausgerechnet in ihrem Quartier angesiedelt haben. Vielleicht geht diese Nachbarschaft über Leichen, um die unliebsamen Anwohner wieder loszuwerden.

Geschickte dramaturgische Wendungen

Und in der Tat bekommen es König und ihr Co-Ermittler Alexander Bukow (Charly Hübner) in der „Polizeiruf“-Folge „Angst heiligt die Mittel“ mit skrupellosem Personal zu tun. Sind ja auch elende Verhältnisse hier. Eine hat mal bei Olympia gewonnen und kippt sich jetzt Schnaps ins Heißgetränk, weil ihr Mann sie mit der „Nutte“ von nebenan betrügt. Der Mann ist ein Menschenverachter, für den Obdachlose Abschaum sind und Triebtäter sowieso, in der Nationalen Volksarmee der DDR war er einer von denen weiter oben in der Hierarchie. „Dreckpinsel“ wie die zwei ehemals kriminellen Typen, die sie hier nicht wollen, seien „damals nicht frei rumgelaufen“, sagt der Ex-NVA-Schleifer. Damals, antwortet König, „sind noch ganz andere nicht frei herumgelaufen“.

Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ermittelt gegen zwei ehemalige Sexverbrecher, die in ihrer Nachbarschaft nicht gerne gesehen sind.
Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ermittelt gegen zwei ehemalige Sexverbrecher, die in ihrer Nachbarschaft nicht gerne gesehen sind. © NDR | Christine Schroeder

König selbst hätte eigentlich allen Grund, die naheliegenden Täter für den Mord an der Obdachlosen, die vor ihrem Tod mit einer Bierflasche geschändet wurde, schnell dingfest zu machen. Die Aggressivität, mit der ihr der verurteilte Vergewaltiger Martin Kukulies (beeindruckend: Markus John) bei der ersten Zeugenbefragung auf die Pelle rückt, lässt auf eine pathologische Form von Frauenhass schließen. Später, nach einigen dramaturgisch geschickten Wendungen (Drehbuch: Susanne Schneider), wird sie Kukulies wieder treffen. Eine ungleich widerwärtigere Begegnung.

Ein stattliches Defilée von unappetitlichen Figuren

Und es ist ein insgesamt stattliches Defilee von unappetitlichen Figuren, das in diesem „Polizeiruf“ die Handlung vorantreibt. Und damit das wie stets gerade angesichts seiner ruppigen und stotternden Funktionsweise überzeugende Ermittlerduo Bukow und König vor eine Aufgabe stellt, die nur unkonventionell gelöst werden kann. Der Mord an der Obdachlosen ist nicht der einzige Todesfall; wenig später erhängt sich Peter Butschke (Maciej Sakanib), der pädophile ehemalige Mithäftling von Kukulies. Der selbst ist plötzlich verschwunden.

In ihrem 15. Fall sind Bukow und König also damit konfrontiert, den allzu schlüssigen Gegebenheiten nicht zu trauen. Die Dynamik zwischen den gegensätzlichen Ermittlern bekommt übrigens einen neuen Drall. Richtig gut sind sie ja nicht immer miteinander ausgekommen, schließlich kam die LKA-Frau König einst ins Rostocker Polizeirevier, um gegen Bukow zu ermitteln, den man der Korruption verdächtigte.

Bukow und König sorgen für persönliches Finale

Alexander Bukow (Charly Hübner) ist erneut mit vollem Einsatz dabei.
Alexander Bukow (Charly Hübner) ist erneut mit vollem Einsatz dabei. © NDR | Christine Schroeder

Aktuell nun hat die meist undurchdringliche König ein Jobangebot aus Berlin. Wäre gut für die Karriere. Also wird der mögliche Wechsel in die Hauptstadt mit den Kollegen begossen, und wie unherzlich es bei der Polente zugehen kann, zeigt diese Szene mit Schampus, aber ohne echte Anteilnahme ganz hervorragend. Gerade Bukow reagiert vor allem unwirsch auf die Neuigkeiten.

Der „Polizeiruf“ aus Rostock war von Anfang an besser als viele „Tatorte“. Das liegt immer noch und immer wieder an einer Figur wie dem unförmigen Grob-Bullen Bukow, dem Charly Hübner wieder eine wunderbar maulfaule Art in den so stoffeligen Habitus zaubert. Nachdem der Fall gelöst ist (Moral: Böse sind nicht in allem böse, aber gegen den Trieb ist kein Kraut gewachsen), gibt es ein persönliches Finale zwischen den beiden Polizisten. Es ist die Szene, die am meisten in Erinnerung bleibt.

Sonntag, 1. Januar, 20.15 Uhr, ARD: „Polizeiruf 110: Angst heiligt die Mittel“