Berlin. Ist Merkel die Lösung oder das Problem? Über die Frage stritten die Diskutanten bei Frank Plasberg. Und drifteten dabei leider ab.

Italien, Brexit, Trump: Die Union setzt mit ihrer Kanzlerkandidatin in Zeiten größter Unsicherheit auf Kontinuität. Weitere vier Jahre für Angela Merkel, das würde auch bedeuten, dass eine erfahrene Krisenmanagerin an der Macht bleibt. Nicht die schlechteste Aussicht, wenn man sich den gegenwärtigen Zustand der westlichen Welt ansieht.

Zugleich stellt sich aber auch die Frage, welchen Anteil Merkel an der Situation hat. Schließlich gestaltet sie die Politik seit Jahren entscheidend mit. „Ist Merkel die Lösung – oder das Problem?“, fragte passend dazu Frank Plasberg in „Hart aber fair“.

Flüchtlinge und der „Schokolino“

So sinnvoll die Frage war, so häufig driftete die Sendung inhaltlich ab. Statt in die Zukunft und auf den Wahlkampf zu schauen, verstiegen sich die Diskutanten angetrieben vom Gastgeber lange Zeit in eine rückwärtsgewandte Debatte. Grenzkontrollen, Türkei-Abkommen, Ungarn – zwischenzeitig wirkte es wegen einer Fixierung auf die derzeit nicht akute Flüchtlingskrise fast so, als ob man eine Ausgabe von „Hart aber fair“ aus dem Herbst 2015 anschaute.

Als Plasberg dann am Ende auch noch das Thema „Political Correctness“ auf die Agenda setzte, war’s mit dem Erkenntnisgewinn zum Thema Merkel endgültig getan. Der Merkel-Kritiker Ralf Höcker diagnostizierte eine Sprachdiktatur der Linken, die Spiegel-Journalistin Melanie Amann gab den hyperkorrekten Grünen einen Teil der Schuld – und der Grüne Jürgen Trittin verwahrte sich nach Ausführung zum Begriff „Schokolino“ gegen derlei Vorwürfe. So weit, so wenig überraschend.

Die Merkel-Kritiker

Dass sich die Runde so verstieg ist schade, weil Plasbergs Gäste zwischendurch durchaus kluge Gedanken zur eigentlichen Frage formulierten. Dabei entstand ein differenziertes Bild davon, wie die Kanzlerin gesehen wird. CDU-Mitglied Höcker etwa präsentierte sich als Idealtyp des innerparteilichen Kritikers, der vor allem mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nichts anfangen kann. „Merkel hat die Partei extrem nach links verschoben. Ich erkenne die CDU nicht mehr wieder“, begründete der Rechtsanwalt seine Ablehnung einer weiteren Kandidatur.

Kritisch äußerte sich auch Amann, die Merkel eher als Teil des Problems einstufte. „Die erneute Kandidatur erzeugt neue Fliehkräfte. Merkel löst Aggressionen und Ängste aus“, sagte die Spiegel-Journalistin. Ferner sei bedenklich, dass die Kanzlerin in der CDU für unentbehrlich, ja gottgleich gehalten werde. „Wir haben keine Monarchie in Deutschland“, ärgerte sich Amann.

Die Merkel-Freunde

Ganz anders sah das Alan Posener. „Es gibt niemanden außer Merkel, der den Laden zusammenhalten kann“, sagte der Welt-Journalist mit Blick auf die EU. Und dass sage er, obwohl er die ganze Zeit über Artikel gegen Merkel geschrieben habe. Dass die Kanzlerin so positiv gesehen werde, habe viel mit der guten Situation im Land zu tun. „Deutschland ist eine Insel der Stabilität, eine Insel des Wohlstands.“

Als enthusiastischer Merkel-Versteher zeigte sich auch Elmar Brok. „Viele in Brüssel hoffen, dass Merkel wieder Bundeskanzlerin wird. Sie ist ein Stabilitätsanker“, befand der CDU-Europabgeordnete.

Der Ausrutscher des Abends

Kam ebenfalls von Brok, der Amanns kritische Ausführungen mit einer dreisten Attacke quittierte. „Es tut mir leid, dass wir Ihnen keine neuen Schlagzeilen liefern und Sie keine Auflage machen können“, sagte Brok. „Frau Merkel ist nicht an allem Schuld, auch nicht an ihrer dünnen Auflage.“

Der Spruch des Abends

Kam vom Gastgeber selbst. Als sich Elmar Brok empören wollte, weil er von Plasberg unterbrochen wurde, antwortete der trocken: „Natürlich darf man hier alles sagen. Die Frage ist nur: Wann.“

Das Fazit

Zieht man die ausschweifenden Diskussionen über die Flüchtlingskrise und Schokoküsse ab, war die Debatte durchaus spannend. Es zeigt sich: Merkel wird auch im Jahr 2017 kontroverse Reaktionen auf sich ziehen. Und: Eine Talkshow braucht nicht unbedingt 75 Minuten, um auf den Punkt zu kommen. Die klassische Stunde hätte in diesem Fall gut getan.

Zur Ausgabe von „Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek.