Leipzig. Großes Fernsehen zum 1000. „Tatort“: Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Klaus Borowski (Axel Milberg) gemeinsam im Einsatz.

„Ich bleibe entspannt“, sagt eine seelenlose Stimme, „dieser Tag kann mir nichts anhaben.“ Man muss kein Krimi-erprobter Mensch sein, um zu ahnen, dass der junge Mann, der auf dem Weg zu seinem Taxi ist, ganz und gar nicht entspannt bleiben wird. Weil er erfahren hat, dass seine Ex-Freundin in Leipzig seinen Erzfeind heiraten wird.

Wenig später hocken zwei Kommissare gefesselt auf dem Rücksitz, und der 1000. Tatort nimmt Fahrt auf. „Taxi nach Leipzig“ hieß auch der erste Fall vor 46 Jahren. Und wenn man an einen Jubiläums-Tatort besonders hohe Ansprüche stellen mag: Dieser von Alexander Adolph erfüllt sie mit Bravour.

Jubiläum – 1000. „Tatort“ in Bildern

Deeskalationstraining in der Polizeiakademie, so beginnt der 1000. „Tatort“. In der  Episode „Taxi nach Leipzig“ ist nicht nur der Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) dabei.
Deeskalationstraining in der Polizeiakademie, so beginnt der 1000. „Tatort“. In der Episode „Taxi nach Leipzig“ ist nicht nur der Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) dabei. © NDR | Meyerbroeker
Auch Borowskis Hannoveraner Kollegin Charlotte Lindholm nimmt am Seminar teil.
Auch Borowskis Hannoveraner Kollegin Charlotte Lindholm nimmt am Seminar teil. © NDR | Meyerbroeker
Günter Lamprecht ist ein „Tatort“-Protagonist der ersten Stunde. Als Kommissar Franz Markowitz ermittelte er im Berliner „Tatort“ von 1991 bis 1995. Der Alt-Kommissar hält in der 1000. Folge einen Vortrag in der Polizeiakademie.
Günter Lamprecht ist ein „Tatort“-Protagonist der ersten Stunde. Als Kommissar Franz Markowitz ermittelte er im Berliner „Tatort“ von 1991 bis 1995. Der Alt-Kommissar hält in der 1000. Folge einen Vortrag in der Polizeiakademie. © NDR | Meyerbroeker
Ebenfalls eine alte Bekannte: Karin Anselm. Als „Tatort“-Kommissarin Hanne Wiegand ermittelte sie zwischen 1981 und 1988.
Ebenfalls eine alte Bekannte: Karin Anselm. Als „Tatort“-Kommissarin Hanne Wiegand ermittelte sie zwischen 1981 und 1988. © NDR | Meyerbroeker
Und noch ein bekanntes Gesicht aus alter Zeit: Hans Peter Hallwachs hat sogar im allerersten „Tatort“ mitgewirkt.
Und noch ein bekanntes Gesicht aus alter Zeit: Hans Peter Hallwachs hat sogar im allerersten „Tatort“ mitgewirkt. © NDR | Meyerbroeker
Ebenfalls einen Gastauftritt hat Friedhelm Werremeier, der Drehbuchautor der ersten „Tatort“-Folge „Taxi nach Leipzig“.
Ebenfalls einen Gastauftritt hat Friedhelm Werremeier, der Drehbuchautor der ersten „Tatort“-Folge „Taxi nach Leipzig“. © NDR | Meyerbroeker
Nach dem Seminar verlassen die Kommissare Lindholm (l.) und Borowski (r.) fast fluchtartig die Polizeiakademie. Der penetrante Polizist Affeld (Hans Uwe Bauer) steigt zu ihnen in den Fahrstuhl.
Nach dem Seminar verlassen die Kommissare Lindholm (l.) und Borowski (r.) fast fluchtartig die Polizeiakademie. Der penetrante Polizist Affeld (Hans Uwe Bauer) steigt zu ihnen in den Fahrstuhl. © NDR | Meyerbroeker
Nach dem Seminar warten Lindholm, Affeld und Borowski (v. l.) auf den Bus. Als ein Taxi vorbeifährt, steigen sie zu dritt ein.
Nach dem Seminar warten Lindholm, Affeld und Borowski (v. l.) auf den Bus. Als ein Taxi vorbeifährt, steigen sie zu dritt ein. © NDR | Meyerbroeker
Ihr Taxifahrer ist Rainald Klapproth.
Ihr Taxifahrer ist Rainald Klapproth. © NDR | Meyerbroeker
Was Borowski und Lindholm nicht wissen: Ihr Taxifahrer ist ein psychisch labiler ehemaliger Soldat der Eliteeinheit KSK, der in Afghanistan gekämpft hat.
Was Borowski und Lindholm nicht wissen: Ihr Taxifahrer ist ein psychisch labiler ehemaliger Soldat der Eliteeinheit KSK, der in Afghanistan gekämpft hat. © NDR | Meyerbroeker
Nachdem der Taxifahrer vor den Augen Lindholms und Borowskis den dritten Polizisten getötet hat, nimmt er die Kommissare als Geiseln.
Nachdem der Taxifahrer vor den Augen Lindholms und Borowskis den dritten Polizisten getötet hat, nimmt er die Kommissare als Geiseln. © NDR | Meyerbroeker
Ein gefährliches Psychospiel auf der nächtlichen Taxifahrt beginnt.
Ein gefährliches Psychospiel auf der nächtlichen Taxifahrt beginnt. © NDR | Meyerbroeker
Erst nach und nach erfahren Lindholm und Borowski von der militärischen Ausbildung ihres Taxifahrers und Geiselnehmers.
Erst nach und nach erfahren Lindholm und Borowski von der militärischen Ausbildung ihres Taxifahrers und Geiselnehmers. © NDR | Meyerbroeker
Der Taxifahrer fährt Richtung Leipzig; er will zu seiner Ex-Freundin, die am nächsten Tag seinen ehemaligen Vorgesetzten heiraten will.
Der Taxifahrer fährt Richtung Leipzig; er will zu seiner Ex-Freundin, die am nächsten Tag seinen ehemaligen Vorgesetzten heiraten will. © NDR | Meyerbroeker
Für Lindholm und Borowski könnte die Taxifahrt tödlich enden.
Für Lindholm und Borowski könnte die Taxifahrt tödlich enden. © NDR | Meyerbroeker
Falsche Fragen, falsche Antworten – in seiner blinden Wut ist der Taxifahrer zu allem bereit. Nur knapp kann Lindholm ihren Entführer davon überzeugen, sie nicht zu erschießen.
Falsche Fragen, falsche Antworten – in seiner blinden Wut ist der Taxifahrer zu allem bereit. Nur knapp kann Lindholm ihren Entführer davon überzeugen, sie nicht zu erschießen. © NDR | Meyerbroeker
In einer waghalsigen Aktion – ein Keks ist dabei eine Waffe – startet Kommissar Borowski einen Versuch, den Geiselnehmer zu überwältigen.
In einer waghalsigen Aktion – ein Keks ist dabei eine Waffe – startet Kommissar Borowski einen Versuch, den Geiselnehmer zu überwältigen. © NDR | Meyerbroeker
Borowski und Lindholm gelingt nach einem spektakulärem Unfall die Flucht. Sie laufen in den Wald.
Borowski und Lindholm gelingt nach einem spektakulärem Unfall die Flucht. Sie laufen in den Wald. © NDR | Meyerbroeker
Lindholm fühlt sich verfolgt.
Lindholm fühlt sich verfolgt. © NDR | Meyerbroeker
Erst in einem Schuppen fühlt sie sich sicher.
Erst in einem Schuppen fühlt sie sich sicher. © NDR | Meyerbroeker
Doch ein Rudel Wölfe ist den Kommissaren gefolgt und steht nun knurrend vor dem Schuppen.
Doch ein Rudel Wölfe ist den Kommissaren gefolgt und steht nun knurrend vor dem Schuppen. © NDR | Meyerbroeker
Doch der Entführer findet seine Opfer wieder. Mit einem alten Volvo geht die Geiselfahrt weiter.
Doch der Entführer findet seine Opfer wieder. Mit einem alten Volvo geht die Geiselfahrt weiter. © NDR | Meyerbroeker
Und Lindholm tut das, was der Geiselnehmer von ihr verlangt: Sie schellt an der Tür seiner Ex-Freundin.
Und Lindholm tut das, was der Geiselnehmer von ihr verlangt: Sie schellt an der Tür seiner Ex-Freundin. © NDR | Meyerbroeker
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Zwei Ermittler im Einsatz

Zur Feier des Tages dürfen gleich zwei Ermittler ran, der kühle Sezierer Borowski (Axel Milberg) aus Kiel und die impulsive Charlotte Lindholm aus Hannover (Maria Furtwängler). Den Täter ermitteln müssen sie nicht, es geht darum, in seine Gedankenwelt einzudringen.

Ein ehemaliger Elitesoldat (Florian Bartholomäi) sitzt am Steuer, der die beiden Polizisten samt ihrem nervtötenden Kollegen Affeld (Hans Uwe Bauer) auf der Flucht vor einem gräulichen Fortbildungsseminar zum Braunschweiger Bahnhof kutschieren soll. Doch da kommen sie nicht an: Als Affeld den Taxifahrer zum Anschnallen zwingen will, bricht der ihm mit einer Handbewegung das Genick, Borowski und Lindholm überwältigt er. Sein verhasster Rivale und ehemaliger Vorgesetzte (Trystan Pütter) feiert fröhlich Junggesellenabschied, nichts ahnend, dass sich ein Taxi mit menschlicher Zeitbombe nähert.

Faszinierendes Machtspielchen

Kann man zwei Drittel eines Krimis ins Innere eines Fahrzeugs verlegen? Kann man. Und es funktioniert, weil die drei Insassen ein faszinierendes Machtspielchen aufziehen, in dessen Verlauf als besonderer Clou umherschwirrende Gedanken zwischen Lösungssuche und Kindheitserinnerungen hörbar werden. „Ich zwinge mich, nicht zu schwitzen“, sagt Borowski, als er hinter seinem Rücken an den Fesseln herumpuhlt. Ein wunderbarer Kniff.

Axel Milberg dabei zuzusehen, wie sein Borowski mit Psychotricks versucht, die Regie im Wagen zu übernehmen und sich über die Kollegin ärgert (sensibel wie ein Schneepflug), deren Strategie die Provokation ist, um den Mann am Lenkrad aus der Reserve zu locken, ist ein Vergnügen. Vor allem, weil die meisten Versuche kläglich scheitern. Aber auch Furtwängler hat ihre starken Momente, nicht nur, wenn der Entführer Lindholm mit der Pistole am Kopf demütigt und sie auf Knien um ihr Leben flehen muss.

Zwischen Bedrohlichkeit und Empathie

Florian Bartholmäi ist ein würdiger Gegenspieler, der auf dieser nächtlichen Fahrt über Landstraßen die Verzweiflung unterdrückt, aber jederzeit durchdrehen kann, wie es einst Scorseses „Taxi Driver“ Travis Bickle tat, der den Abschaum von New Yorks Straßen spülen wollte. Bartholomäi gelingt der Spagat zwischen Bedrohlichkeit und Empathie vortrefflich, dieser Entführer ist keine Maschine.

Alexander Adolph spitzt die Konflikte bis zum dramatischen Finale perfekt zu und dringt in dieser Mischung aus Thriller und Psycho-Kammerspiel erstmals auch tief in die Seelen der beiden Ermittler ein, denen man nie so nahe gekommen ist: Lindholm mit ihren Ängsten vor dem Alleinsein, Borowski mit dem Eingeständnis, dass man ihn einfach fürchterlich finden muss. Die Sympathien seiner Kollegin Lindholm hat er am Ende immerhin sicher. Und wie er einen Keks in eine Waffe verwandelt, das soll ihm erst mal einer nachmachen.

Fazit: Ein würdiges „Tatort“-Jubiläum.

ARD, 13. November, 20.15 Uhr