Köln. Der Kölner „Tatort“ ist bekannt für heikle Themen. In der neuen Folge ermitteln die Kommissare Ballauf und Schenk im Flüchtlingsmilieu.

Die tiefen Narben zeugen vom Schrecken, vom Leid, von der Folter, der man zu entfliehen sucht. Langsam fährt die Kamera über den geschundenen Rücken einer schwarzen Frau: Mit den ersten Bildern des neuen Kölner Tatorts „Narben“ wird klar, dass Rainer Butt (Drehbuch) und Torsten C. Fischer (Regie) dem Sonntagabendpublikum keinen gewöhnlichen Krimi erzählen wollen, sondern ein Flüchtlingsdrama auffächern werden.

Das ist kein leichtes Unterfangen in diesen Zeiten, aber es gelingt, weil der Film nicht in politischer Korrektheit erstickt, sondern unaufdringlich die Balance wahrt: Er zeigt, dass zwar vor allem Opfer, dass aber auch Täter in unser Land kommen.

Falsche Spuren

Ob der schwarze Arzt, der erstochen auf dem Gelände einer Kölner Klinik gefunden wird, Täter oder Opfer war, ist erst einmal offen. Anerkannter Kriegsflüchtling aus der Demokratischen Republik Kongo war er, mit einer Deutschen (Anne Ratte-Polle) verheiratet. Die Mitarbeiter des Krankenhauses sagen nur Gutes über ihn, vor allem die Kollegin (Julia Jäger), die ihn der Leitung des Hauses empfahl, und eine Pflegerin (Laura Tonke).

Autor Rainer Butt legt gekonnt falsche Spuren: War es ein rassistisch motivierter Mord oder etwa eine schnöde Beziehungstat, weil der Arzt noch kurz vor dem Tod Sex mit einer anderen Frau hatte? Oder doch ein Drama im Kollegium? Dass der Arzt Tage zuvor im Noteinsatz während einer Polizeirazzia in einem Flüchtlingsheim auftauchte, bei der sich eine Kongolesin vom Obergeschoss in den Tod stürzte, lässt weitere Varianten möglich erscheinen. Schließlich macht auch der Einsatzleiter (Felix Voertler) einen zwielichtigen Eindruck. Der Bruder des Ermordeten (Jerry Kwarteng) kommt den Kölner Ermittlern Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) in die Quere, weil er den Täter selber finden will, was der ohnehin packenden Story noch eine zusätzliche Prise Spannung verleiht.

Die Kommissare nehmen sich diesmal zurück

Elegant mischt dieser „Tatort“ Krimihandlung und politisches Anliegen, ohne den Zeigefinger allzu deutlich zu bemühen. Das Grauen der Vergangenheit fließt eher nebenbei ein, wenn die beiden Polizisten zwischen Asylunterkünften und heruntergekommenen Treffpunkten ermitteln und auf die seelischen Folgen von Kriegsverbrechen stoßen, denen man offenbar nie mehr ganz entkommen kann. „Die Angst ist immer da ­– das ist Flüchtling“ bekommen sie zu hören, wenn sie beteuern: „Hier sind Sie sicher.“ Da wird nichts umständlich erklärt, kein Volkshochschulkurs veranstaltet, wie man es bei öffentlich-rechtlichen Krimis mit sozialpolitischer Note so oft erlebt. Stattdessen folgt Torsten C. Fischer seinen Figuren und ihrem Schicksal, schafft intensive emotionale Momente, die nachhallen.

Ballauf und Schenk nehmen sich im Dienst der Sache diesmal zurück, was diesem düsteren Fall ausgesprochen gut tut. Der verträgt keine Mätzchen an der Currywurstbude.

Fazit: Ein ambitionierter „Tatort“, der sich dank einer eleganten Inszenierung und guten Darstellern am Flüchtlingsthema nicht verhebt.

ARD, Sonntag, 1. Mai 20.15 Uhr