Berlin. Eigentlich sollte es bei Maischberger um Merkels Erfolgsaussichten in Europa gehen. Stattdessen ging es aber vor allem um die der AfD.

Die Hauptfrage des Abends war schnell erledigt. „Rechter Haken für Merkel: Kann sie ihre Politik noch durchsetzen?“ hatte die ARD Sandra Maischbergers Talk-Runde betitelt, doch die Antwort gab einer, der gar nicht auf der Couch saß.

„Einen Teilerfolg wird es auf jeden Fall geben“, war sich Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios in Brüssel sicher, dass die Kanzlerin das Abkommen mit der Türkei beim EU-Gipfel ab diesem Donnerstag einen Schritt voranbringen wird – trotz des Gegenwinds von rechts bei den Landtagswahlen. In Europa habe Angela Merkel zuletzt wieder mehr Unterstützung erfahren, im stillen Kämmerlein würden viele erkennen, „dass eine nachhaltige Lösung anders aussehen muss als hohe Zäune“. Und dafür brauche es nun mal die Türkei.

Die geladenen Gäste, SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi, Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), AfD-Politikerin Alice Weidel, „Stern“-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges und der langjährige Chefredakteur der „Bild am Sonntag“, Claus Strunz, kümmerten sich eher um andere Fragen. Und zwar um die folgenden.

Hätte Merkel ihren Kurs ändern müssen?

Dass die Kanzlerin weiter auf eine europäische Lösung setzt, nötige ihm Respekt ab, sagte Strunz, „aber Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass Politiker tun, was Wähler verlangen.“ Alles andere führe nur zu mehr Politikverdrossenheit. Hintze setzte dem entgegen, dass man seine Überzeugungen nicht wegen einer Protestpartei wie der AfD fallen lassen könne. „Das wäre ja noch schöner!“, fand auch Jörges.

Aber ist Merkels Türkei-Deal denn richtig?

Hier schaltete sich Alice Weidel ein, die zum Bundesvorstand der AfD gehört. Was die Türkei mit der ganzen Sache zu tun habe, verstehe sie nicht. Außengrenzen könne man auch anders sichern, da müsse man nur mal nach Spanien schauen: „Die Marine geht dort ins Mittelmeer, nimmt die Flüchtlinge auf, bringt sie aber wieder zurück und verfolgt die Schlepperbanden auf afrikanischem Gebiet.“ Ganz genau, erkannte Jörges: „Deshalb brauchen wir auf jeden Fall ein Abkommen mit der Türkei, damit die Flüchtlinge auf der anderen Seite wieder zurückgenommen werden.“ Und Hintze ergänzte leicht erfreut: „Spanien hat so was mit Marokko. Ihr Beispiel zeigt doch nur, dass Merkel auf dem richtigen Kurs ist.“ Allein: Viele Wähler sahen das am vergangenen Wochenende offenbar nicht so.

Ist die AfD deshalb so erfolgreich?

„Der Erfolg der AfD ist für mich keine Überraschung“, sagte Jörges. „Wenn im Bundestag ein wesentlicher Bestandteil der Bevölkerung nicht repräsentiert ist, kommt die Stimme eben von außen.“ Es sei ein Fehler gewesen, dass man nicht über die Flüchtlingspolitik abgestimmt habe. „Sonst hätte man sehen können, dass es auch Stimmen in den anderen Parteien gibt, die dagegen sind.“ Strunz formulierte es drastischer: „Der Großen Koalition ist es gelungen, Millionen Menschen das Gefühl zu geben: Wir sind nicht mehr für euch da. Die AfD hat einfach nur ein Angebot gemacht.“ Doch worin genau besteht das eigentlich?

Wofür steht die AfD?

Das, so Weidel, werde derzeit noch festgelegt. Die 37-Jährige ist Mitglied der sogenannten Bundesprogrammkommission, die den Prozess koordiniert, an deren Ende das erste AfD-Parteiprogramm stehen soll. „Daran wird sich die AfD messen lassen müssen“, so Strunz. „Wenn es nicht gelingt, sich von den Rechten zu distanzieren, wird sie sich bald erledigt haben.“

Wie enorm die Spannbreite in der Partei ist, lässt sich gut an Weidel selbst erkennen. Sie gehört noch zur „Lucke-Partei“, ist vor allem eingetreten, weil ihr das Vorgehen in der Eurokrise missfiel, Jörges könnte sie sich gut im rechten Flügel der FDP vorstellen. „Wo die AfD hinwill, ist noch nicht eindeutig“, sagte Jörges, „alle Programmpunkte sind völlig legitim, auch die Kritik an der Flüchtlingspolitik, aber es ist verboten, die Stimmung so anzufachen, dass gezündelt wird.“

Darin allerdings sieht von Dohnanyi die einzige Möglichkeit für die AfD zu überdauern: „Wie soll sie bestehen, wenn nicht durch Feuer legen?“

„Durch Verantwortung tragen?“, warf Sandra Maischberger ein. Will die AfD irgendwann einmal mitregieren? „Erstmal müssen wir die parlamentarische Arbeit lernen“, so Weidel, „das machen wir in der Opposition.“ Dort sei die Partei in den Augen von Jörges auch besser aufgehoben, denn: „Sobald Sie an der Macht sind, sagen die Wähler: Die sind wie alle anderen.“