Essen. Was hat sich das ZDF dabei gedacht? Der Versuch, mit „Die versteckte Kamera 2016“ am Samstagabend zu punkten, ist kläglich gescheitert.

Am Morgen danach dürfte es auch der letzte Zuschauer gemerkt haben: Da ist keine versteckte Kamera im heimischen Wohnzimmer. Nicht im Bücherregal, nicht in der Deckenleuchte, nicht in der Kaffeetasse. Das ZDF meinte es am Samstagabend tatsächlich ernst mit der Neuauflage „Die versteckte Kamera 2016“.

Ex-ProSieben-Mann Steven Gätjen sollte sie eigentlich retten, die Samstagabend-Unterhaltungsshow. Stattdessen dürfte er sie ausgerechnet bei seiner ZDF-Premiere dank nicht durchdachtem Konzept und unlustiger Ideen noch tiefer in die Krise gestürzt haben. Allein hat er die Sendung allerdings nicht an die Wand gefahren. Til Schweiger hat kräftig geholfen.

Wo ist Dieter Bohlen, wenn man ihn braucht?

Der nahm sich als „Jurypräsident“ mal wieder viel zu wichtig. Pffft! Wer braucht schon eine Berlinale, wenn man zur Primetime über Promis und Schauspielkollegen richten darf? Das Konzept der versteckten Kamera haben die Macher für die 2016er-Version ein wenig überarbeitet: Acht Promis, beziehungsweise Promipaare, durften unbescholtene Bürger oder prominente Freunde auf die Schippe nehmen. Die Filmchen dazu bewertete dann eine Jury: „Präsident“ Til Schweiger, Heiner Lauterbach und Carolin Kebekus.

Und die hatten tatsächlich Klemmbretter, um sich Notizen zu machen. Als ginge es um etwas Wichtiges. Als entscheide man über die Aufnahme an einer Schauspielschule oder über eine Rolle im nächsten Kinofilm. Womöglich waren auf den Zetteln aber auch einfach nur alle möglichen Synonyme für „toll“ und „großartig“ notiert. Mit Ausnahme weniger leiser kritischer Töne waren die Filmchen der Promis natürlich allesamt „sehr unterhaltsam“, „grandios“, „mega“, „genial“, „top“, „klasse“ und „super“. Wo ist Dieter Bohlen, wenn man ihn braucht?

Zum Gähnen langweilig

Denn so genial und lustig waren die Filmchen ganz und gar nicht. Michelle Hunziker überraschte Kinder in ihrer Küche mit sprechenden Haushaltsgeräten, Uri Geller ließ eine Frau denken, sie habe übersinnliche Fähigkeiten. Andrea Sawatzki und Christian Berkel verulkten Service-Kräfte mit einem angeblichen Drohnen-Lieferservice, Tom Beck und Mirjam Weichselbraun brachten Container-Attrappen in einer vermeintlichen Kiesgrube zur „Explosion“. Ein bisschen Puff hier und Päng da. Zum Gähnen langweilig.

Doch es ging noch schlimmer: Alec Völkel und Sascha Vollmer, die gemeinsam als The BossHoss auf der Bühne stehen, legten für ihren Beitrag Hollywood-Muskelprotz Ralf Möller rein. Die Idee, dessen Körper für eine angebliche Wachsfigur per Bodyscan abmessen zu lassen, war dabei gar nicht so schrecklich. Aber im Studio holte Ralf Möller dann aus und lobte seinen alten Kumpel Til Schweiger über den Klee.

Dessen Tatort-Kino-Debüt „Tschiller: Off Duty“ sei ja so ein grandioser Action-Film, meinte der Mann, der einst in Kassenschlagern wie „Hai-Alarm auf Mallorca“ Filmgeschichte schrieb. Und er, also der Til, sei ja so mutig gewesen. Wie immer. Die Penetranz, mit der sich Til Schweiger als Heilsbringer der deutschen Film- und Fernsehwelt präsentiert – oder eben präsentieren lässt – grenzt mittlerweile an Unverschämtheit. Und das ZDF lässt sich einspannen.

ZDF hechelt alten Erfolgen hinterher

Statt auf innovative Ideen zu setzen, hechelt der Sender alten Erfolgsgaranten hinterher oder versucht, erfolgreiche Shows zu kopieren. Das Prinzip „versteckte Kamera“ ist nicht neu: In den 80er-Jahren hatten Zuschauer einen Riesenspaß als Kurt und Paola Felix mit „Verstehen Sie Spaß?“ auf Sendung gingen. Seit 2010 präsentiert Moderator Guido Cantz die Sendung vier Mal im Jahr.

Für „Die versteckte Kamera 2016“ mussten jetzt also Promis ran, um in der Gunst einer Jury zu punkten. Sollte das eine Art Casting sein? Deutschland sucht den Super-Reinleger? Fopp-Stars? Germany’s next Streichespieler?

Und was sollten sie Querverweise zu anderen Sendungen? In alter Stefan-Raab-und-Elton-Manier schickte Til Schweiger Moderator Steven Gätjen für einen Einspieler-Film über den roten Teppich der Goldenen Kamera – ferngesteuert mit einem Knopf im Ohr.

Und um Schauspieler Matthias Schweighöfer in der Sendung anzukündigen, ließ Gätjen einen Fan den Ansagetext von einem großen Plakat ablesen: Markenzeichen der Raab-Show „TV Total“. Will man etwa andeuten, in die Fußstapfen des Ende des vergangenen Jahres in Fernsehrente gegangenen Entertainers treten zu wollen? Das wird nicht funktionieren.

Im Taxi mit einer Schwangeren

Apropos Matthias Schweighöfer: Dessen Gesichtsausdruck während der Show sprach bisweilen Bände. Amüsiert schien der Schauspieler nicht gewesen zu sein. Aber was macht man nicht alles, um seinen aktuellen Film („Der geilste Tag“) zu promoten?! Kumpel und Filmpartner Florian David Fitz reinlegen zum Beispiel. Den schickte Schweighöfer per Taxi durch Berlin – zusammen mit einer vermeintlich hochschwangeren Frau.

Das war tatsächlich ein bisschen lustig. Obwohl Florian David Fitz erstaunlich gelassen blieb. Zu gelassen offenbar für das ZDF. Die Macher wollten die Szene nämlich noch mal drehen, verriet Matthias Schweighöfer nach dem Einspieler. Er und Fitz wollten aber nicht.

Dinokostüm und Tiefkühl-Hai

Als Favoriten für den Sieg (über den die Zuschauer per Telefon-Abstimmung entschieden) gingen am Ende Uwe Ochsenknecht und Koch Nelson Müller ins Rennen. Ochsenknecht hatte für seinen Film Thomas Anders reingelegt, indem er ihm vorgaukelte, als Sänger einen Anders-Song zu missbrauchen – just vor einem tatsächlichen Auftritt des Ex-Bohlen-Partners. Nelson Müller erschreckte Passanten im Dinokostüm und Supermarktkunden als Tiefkühl-Hai.

Der TV-Koch holte sich den Sieg. Ausschlaggebend war wohl die Idee, einem Hund ein Spinnen-Kostüm anzuziehen und ihn auf Ahnungslose loszulassen. Die Reaktionen der Leute waren aber auch zu komisch. Das wird bestimmt ein ganz großer Hit auf der Video-Plattform Youtube. Ach nein, diesen viralen Dauerbrenner gab’s ja schon, Ende 2014, in exakt gleicher Ausführung. Frische Ideen sehen anders aus.