Notizen aus dem Kölner Hotelzimmer deuten darauf hin, dass der Schiedsrichter aus privaten Gründen handelte. Fußballszene führt dennoch Respektdebatte.

Düsseldorf. Babak Rafati hat sich nach der Entlassung aus dem Kölner Krankenhaus in stationäre Behandlung in seiner Heimatstadt Hannover begeben. Die Hintergründe für seinen Selbstmordversuch sind immer noch nicht klar. Die "Kölnische Rundschau“ berichtete am Montag unter Berufung auf einen hochrangigen Ermittler in ihrer Online-Ausgabe, das "persönliche Gründe“ Babak Rafati zu der Tat getrieben hätten. Dies gehe aus den Notizen hervor, die in seinem Kölner Hotelzimmer gefunden wurden, berichtet die Zeitung. Die Kölner Polizei wollte dies auf Nachfrage "weder bestätigen noch dementieren“.

Was auch immer den 41-jährigen Unparteiischen zu seiner Tat getrieben hat: Die Nachwirkungen werden den deutschen Fußball wohl noch lange beschäftigen. Eine Debatte über mehr Anstand und Respekt im Umgang mit den Schiedsrichtern hat begonnen. Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mitteilte, habe ein bei ihm diagnostiziertes Krankheitsbild die stationäre Behandlung erforderlich gemacht. Wie lange diese andauern werde, sei derzeit noch nicht absehbar. Rafati ließ über seinen Anwalt den ausdrücklichen Wunsch übermitteln, die Vorgänge ganz in Ruhe aufarbeiten zu wollen. Dafür benötige er jetzt vor allem Zeit und Geduld.

Die Gründe liegen möglicherweise im privaten Bereich. "Es geht nicht um Überforderung im Fußball“, zitiert die "Kölnische Rundschau“ den namentlich nicht genannte Ermittler. Auch eine Verwicklung in eine Straftat komme als Motiv für den Suizidversuch nicht infrage, hieß es weiter. Am Montag war der Schiedsrichter, der zwei Tage zuvor mit aufgeschnittenen Pulsadern im Hyatt-Hotel in der Badewanne seines Zimmer aufgefunden worden war, aus der Klinik in Köln-Holweide entlassen worden. Die Partie zwischen Köln und Mainz, die er leiten sollte und nun am 13. Dezember nachgeholt wird, war daraufhin abgesagt worden. Für die Kölner Polizei ist die Arbeit praktisch erledigt, da kein Fremdverschulden vorliegt.

"Angelegenheit erst einmal sacken lassen“

Einiges aufzuarbeiten hat indes der DFB. "Wir haben uns vorgenommen, die Angelegenheit erst einmal sacken zu lassen“, sagte Lutz Wagner aus der Schiedsrichterkommission und will sich wie der Vorsitzende Herbert Fandel und Zwanziger erst einmal zurückhalten. Der DFB-Präsident hatte am Sonnabend die Debatte über einen gepflegteren Umgang mit den Referees angestoßen.

+++ Zwanziger Erklärung im Wortlaut +++

Becherwürfe, tobende Trainer an der Seitenlinie und Spieler, die - wie zuletzt in Freiburg geschehen - den Schiedsrichter auf das Heftigste attackieren - alles Missstände, die Zwanziger in seinen Ausführungen angesprochen hatte. Vorfälle, die auch Ligapräsident Reinhard Rauball nachdenklich stimmen. "Becher auf Schiedsrichter werfen, kann und darf man nicht dulden. Ich werbe sehr dafür, dass jeder seine eigene Einstellung überprüft. Ich tue das für mich, auch wenn ich es öffentlich nie artikuliert habe. Manchmal ist man in seinem Inneren auch ungerecht gegenüber Schiedsrichtern“, sagte der Präsident von Meister Borussia Dortmund.

Rauball ist es nicht entgangen, dass die Schiedsrichter immer häufiger als Sündenbock abgestempelt werden. Erst in der vergangenen Saison war das Spiel zwischen St. Pauli und Schalke abgebrochen worden, nachdem ein gefüllter Bierbecher den Linienrichter getroffen hatte. Und vor wenigen Wochen war dem früheren Schiedsrichter Markus Merk bei seinem Experten-Einsatz auf Schalke blanker Hass entgegen geschlagen. Merk gilt in Gelsenkirchen als Hauptverantwortlicher für die verpasste Meisterschaft vor zehn Jahren, als er beim Spiel zwischen dem Hamburger SV und Bayern München Sekunden vor Schluss den Bayern einen Freistoß zusprach, den Patrik Andersson zum 1:1 verwandelte und Schalke den sicher geglaubten Titel wegschnappte. Schon zu seinen aktiven Zeiten hatte es der Kaiserslauterer Merk nicht selten erlebt, dass zehntausende Zuschauer im Stadion nach umstrittenen Entscheidungen „Schieber“ oder andere Verunglimpfungen rufen. Bei der Schulung der Schiedsrichter durch den DFB gehört es zu den Hauptthemen, dass sie die Stress-Situationen verarbeiten, die durch aggressive Publikumsreaktionen entstehen können.

Lell: "Wir müssen die Schärfe rausnehmen“

Hertha-Verteidiger Christian Lell plädiert für einen freundlicheren Umgang mit den Unparteiischen durch die Fußball-Profis. Dass ein Schiedsrichter Fehler mache, sei legitim. Genauso wie es legitim sei, sich darüber aufzuregen. „Wir müssen diese Schärfe, diese Aggressivität rausnehmen“, forderte Lell im Interview mit der Berliner Zeitung "Tagesspiegel“ (Montagausgabe) und führte die Szenen beim Spiel zwischen dem SC Freiburg und Hertha BSC Berlin (2:2) an: "Ich habe ja gesehen, wie verunsichert Wingenbach nach seiner Entscheidung war. Das konnte man in seinen Augen lesen. Er hat mir fast ein Stück weit leidgetan.“ Nach der Situation, in der Wingenbach ein zunächst gegebenes Tor für Freiburg zurücknahm, kam es zu Tumulten auf dem Spielfeld. Diese "Rudelbildung“ hat der DFB eigentlich untersagt, weil dadurch die Schiedsrichter oft stark unter Druck geraten.

+++ Babak Rafatis Suizidversuch erschüttert Bundesliga +++

Um die Schiedsrichter mehr aus der Schusslinie zu nehmen, fordert Lell den Videobeweis. Ähnlich sieht es auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. "Die FIFA lässt die Schiedsrichter im Regen stehen. Zum Beispiel beim passiven Abseits oder bei der Torkamera - sie tut nichts, um die Schiedsrichter zu unterstützen“, sagte Rummenigge der Tageszeitung "Die Welt“.

Eberl nimmt DFB in die Pflicht

Dass der Umgang mit den Schiedsrichtern verbesserungswürdig ist, findet auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Gleichwohl nimmt er den DFB mehr in die Pflicht, schickt aber auch eine Mahnung in Richtung der Medien. "Muss es denn sein, dass es den 'Pfiff den Woche' gibt oder dass eine halbe Stunde darüber diskutiert wird, ob der Ball eine Fußspitze über der Linie war? Da muss auch der DFB seine Schiedsrichter besser schützen. Da darf er seine Schiedsrichter nicht alleine lassen“, sagte Eberl.

Babak Rafati im Kurzporträt

Schon im Alter von 16 Jahren leitete Babak Rafati Fußballspiele. Seit 2000 pfeift der Schiedsrichter, der seine Kindheit mit seinen iranischen Eltern in Teheran verbrachte, in der 2. Liga und seit 2005 auch in der Bundesliga. 2008 wurde Rafati als Nachfolger von Markus Merk Fifa-Schiedsrichter.

Name: Babak Rafati

Geburtstag: 28. Mai 1970

Geburtsort: Hannover

Beruf: Bankkaufmann, DFB-Fußballschiedsrichter seit 1997

Verein: SpVg. Niedersachsen Döhren

Einsätze

Bundesliga: 84

2. Liga: 101

DFB-Pokal: 17

A-Länderspiele: 2

Champions League: 1

Uefa-Cup/Europa League: 5