Der Weltmeister muss sich noch finden. In der Qualifikation setzten die Italiener 36 verschiedene Spieler ein.

Rom. Der Weltmeister kommt einfach nicht zur Ruhe: Italien hat noch nicht einmal das erste Gruppenspiel bei der WM in Südafrika bestritten, da ist der nächste Trainerwechsel bereits programmiert. Über die Zukunft von Marcello Lippi, der die Squadra Azzurra 2006 in Deutschland zum Triumph führte und nach der enttäuschenden EM 2008 unter Roberto Donadoni im vergangenen Jahr wieder übernommen hatte, wird der Verband jedoch schon vor dem ersten Turnier auf dem Schwarzen Kontinent entscheiden.

«Im Fußball sind natürlich Resultate wichtig, doch wir können die Entscheidung über die Zukunft des Coaches nicht auf die Zeit nach der WM verschieben», sagte Verbandschef Giancarlo Abete. Die Wahl eines neuen Trainers dürfe nicht zu einem störenden Dauerthema während der WM werden.

Lippi selbst macht sich über seine Zukunft selbst derzeit keine Gedanken. «Ich bin in den nächsten Monaten noch Nationaltrainer, nach der WM werden wir sehen. Sollte die WM für Italien schlecht laufen, wären die Leute nicht froh, wenn ich auf der Trainerbank bleiben würde. Alle würden meinen Kopf verlangen», sagte Lippi.

Der 61-Jährige hatte seit seinem Comeback beim viermaligen Weltmeister (1934, 1938, 1982 und 2006) eine undankbare Aufgabe zu bewältigen. Nachdem ein überaltertes Team bei der EM vor zwei Jahren in der Schweiz und Österreich im Viertelfinale scheiterte, war eine Verjüngungskur unvermeidbar.

Allein 36 Spieler setzte Lippi in den 10 Spielen der Qualifikationsrunde ein, nur zwölf davon bestritten zumindest fünf Begegnungen. Dennoch löste Italien sein Ticket ungeschlagen (nur drei Unentschieden), aber ohne großen Glanz, in einer relativ leichten Gruppe mit 24 Punkten souverän. Die ideale WM-Formation hat Lippi dennoch nicht gefunden.

Zumindest zeichnete sich das Gerüst des Teams ab. Denn auf die Qualität oder Routine eines Gianluigi Buffon, Daniele de Rossi, Fabio Cannavaro, Gianluca Zambrotta, Andrea Pirlo oder Mauro Camoranesi wollte Lippi offenbar nicht verzichten.

Nur dreimal kam dagegen Bayern Münchens Torjäger Luca Toni in der Quali-Runde zum Einsatz, blieb aber ohne Torerfolg. Der 32-Jährige, beim deutschen Rekordmeister derzeit verletzt oder Reservist, kämpft um sein WM-Ticket, denn «ich bleibe der Stürmer, der derzeit die meisten Tore in der Nationalelf geschossen hat».

Ohnehin gab es viele öffentliche Diskussionen um Lippis Personalpolitik. Unmut und Unverständnis herrscht rund ums Nationalteam, weil der «Allenatore» trotz der wenig überzeugenden Offensive den derzeit besten Stürmer der Liga, Antonio Cassano von Sampdoria Genua, beharrlich ignoriert. Unverständnis, Unmut und Pfiffe der Tifosi gegen Lippi und die Squadra Azzurra waren die Folge.

Lippi («Nirgendwo wird ein Nationaltrainer so schlecht behandelt wie in Italien») steht bei seiner höchstwahrscheinlich letzten Mission in Südafrika erheblich unter Druck, denn Italiens Fußball braucht angesichts des Zuschauerschwundes und der Probleme um die Fans-Ausschreitungen in den Liga-Stadien dringend positive Schlagzeilen - so wie 2006, als Lippi Italien trotz des Wettskandals in der Serie A zum Finalerfolg in Berlin gegen Frankreich führte.