Sie hat Industriegeschichte geschrieben und ihre Stadt verändert: die Familie Zeise.

Bequeme Wahrheiten waren nicht seine Sache: "Ihr wisst wohl, was all der Kram und die hohen Dinger da auf den Köpfen, was die kosten", wetterte Pastor Heinrich Zeise etwa gegen zu hohe Hüte. "Und was man spart an Schneider und Frisierer, wenn man sich genügen lässt mit wenig!" Wenn der temperamentvolle Gottesmann in der Altonaer Heiligengeistkirche predigte, standen die Zuhörer bis hinaus auf die Straße. Über die teils auf Platt vorgebrachten Ansprachen spotteten viele, doch Zeise predigte nicht nur Bescheidenheit, er lebte sie: Nicht einmal die angebotene Stelle eines Privatpredigers für die schleswig-holsteinischen Grafen konnte ihn weglocken.

Zeise (1718-1794) war der Erste in einer Reihe prominenter Familienmitglieder, die den Stadtteil prägten und Geschichte schrieben: Nach dem Pastoren sein Enkel, der Apotheker Heinrich Zeise, sein Sohn Theodor Zeise, der die Schiffsschraubenfabrik in der Friedensallee gründete und dessen Sohn Alfred, der sie zu Weltruhm führte.

Noch heute steht die entkernte Zeisefabrik an ihrem angestammten Platz und beherbergt, nach ihrem denkmalgerechten Umbau 1993, die gleichnamige Medienfabrik, die Kinosäle sowie etliche Kleinbetriebe und Werkstätten. Zeise - das war mal die Adresse für Schiffsschrauben, "Propeller" genannt.

Den Werdegang der Familie Zeise und den der Fabrik zeichnet jetzt eine Ausstellung im Altonaer Museum nach: "Propeller des Fortschritts. Die Zeises in Altona". Eine illustre Geschichte voller Erfindungen, Kuriositäten und karitativer Werke. Die Nachkommen der weit verstreuten Familie haben diese Chronik angeregt und finanziert. So konnte der im Museum verwahrte Teil des Nachlasses bearbeitet und mit Persönlichem ergänzt werden: mit Interviews, Gemälden, Fotografien und Filmen.

Die Zeises waren als Familie sozusagen in Serie produktiv. Heinrich Zeises gleichnamiger Enkel war Apotheker der Elefanten-Apotheke. Bekannt wurde er dadurch, dass er die gerade erfundene Dampfkraft eifrig für seine Zwecke nutzte: Er heizte Haus und Küche damit - übrigens zum Verdruss seiner "Weibsbilder" -, und er fabrizierte mittels Dampfkraft ätherische Öle für seine Kunden. Das wiederum brachte die Ärzte gegen ihn auf, doch Zeise, ein Dickkopf wie sein Großvater, ließ sich nicht beirren. Schließlich tat er viel Gutes: Erfand er doch die "Gulaschkanone", mit der man Speisen für die Armen erhitzen konnte. Bei den Altonaer Erhebungen gegen Dänemark 1849/50 diente Zeises Gulaschkanone als Feldküche. Ein Prototyp von 1830 ist in der Ausstellung zu sehen.

Theodor Zeise (1826-1890) war der große Eisengießer und Erfinder: vom Baumständer bis zum Schiffsrost goss er alles Mögliche. Seine Begabung lag darin, die junge Erfindung der Schiffsschraube zu optimieren. Die "Propeller" funktionierten nicht mit Antrieb, sondern erzeugten Umtrieb, sozusagen ein Rühren im Wasser, was die Strömungseigenschaften der Schiffe verbesserte und Kraftstoff sparte. Jeder Propeller war ein Unikat, einzigartig in Form und Anfertigung, abhängig von Wissen und Handwerkskunst des Theodor Zeise. Die Propeller wurden nach Holzformen in Gruben gegossen, eine schwere und zugleich filigrane Arbeit, für die es kein Vorbild gab. Später wurden die Erfahrungen mit Schiffspropellern auf die Luftfahrt übertragen; Alfred Zeise, Sohn von Theodor Zeise, tüftelte lange an seinem teuren Hobby, dem Fliegen.

Der Stadtteil war von der Zeise-Fabrik geprägt. Verwandtes Gewerbe siedelte sich an, Ottensen wurde zum Industriestandort. Hier fuhr schon die Eisenbahn, als anderswo noch Pferdefuhrwerke das Bild prägten. Der industrielle Glanz hielt bis 1979. Schiffbaukrise und Dollarverfall wurden der Fabrik zum Verhängnis, auch ihre Lage mitten im Wohngebiet hatte sich als problematisch erwiesen. Heute stellen noch wenige Betriebe in Deutschland die robusten Propeller her, an deren Gestaltung sich wenig verändert hat.


Propeller des Fortschritts. Die Zeises in Altona. 8.10. bis 1.2.09, Altonaer Museum, Museumstr. 23 Di-So 10-17 Uhr, Führungen Sa/So 16.00