In Bramfeld wurde 1879 der Grundstein für Max Bahr gelegt. Bob Geisler zeichnet den Aufstieg nach, den die Firma dem Weitblick ihrer Führungen verdankte – bis zu einem fatalen Fehler.

Der Wagenbauer Johann Jacob Heinrich Bahr ist über beide Ohren verliebt, als er Ende des 19. Jahrhunderts ein Grundstück im Hamburger Vorort Bramfeld erwirbt. Bald will er seine Verlobte Maria Henriette heiraten und sich mit einer Werkstatt eine eigene Existenz aufbauen.

Am 24. Januar 1879, dem Tag der Hochzeit, gründet Bahr seine Stellmacherei. 5400 Mark zahlt er für sein neues Heim. Darin enthalten sind laut Vertrag „Garten, Hofraum, mit dem darauf befindlichen Wohngebäude und einer Haidkoppel benannten Landfläche, mit allem was darin und daran erd-, wand-, klammer-, niet- und nagelfest ist“.

Es ist schwer zu glauben, dass aus diesen bescheidenen Anfängen die Hamburger Baumarktkette Max Bahr hervorgegangen ist. Alle Höhen und Tiefen des Wirtschaftslebens haben die Mitarbeiter des Traditionsunternehmens durchlebt. Vom Aufstieg zu einer der größten Ketten Deutschlands bis hin zum Tiefpunkt Ende vergangener Woche. Da wurde Max Bahr mit in die Pleite der heutigen Muttergesellschaft Praktiker hineingezogen und musste einen Insolvenzantrag stellen.

In den Anfängen ist von solchen Krisen ebenso wenig zu spüren wie von der späteren Ausrichtung auf den Heimwerkermarkt. Die Werkstatt von Gründer Bahr floriert, die Kutschen, Deichseln und Landmaschinen des Meisters sind in Bramfeld und Umgebung begehrt. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1906 übergibt Johann Jacob Heinrich Bahr den Familienbetrieb an seinen Sohn Max. Der erkennt früh, dass sich aufgrund der Industrialisierung mit Pferd und Wagen kein Geld mehr verdienen lässt, und verlegt sich auf den Holzhandel.

Anfang der 1930er-Jahre können Kunden von Max Bahr größere Ladungen Baustoffe per Elbkahn „frei Hamburg-Billhafen“ beziehen. Der Chef weitet das Geschäft aus und errichtet auf dem Hof ein neues Maschinenhaus mit Bandsäge, Kreissäge und Leimofen. Profitieren kann der Unternehmer vor allem von den zahlreichen Kleingarten-Kolonien, die auf den Wiesen rund um den gerade nach Hamburg eingemeindeten Stadtteil Bramfeld entstehen.

Erst nach dem Tod von Max Bahr im Jahr 1956 entwickelt sich das Unternehmen zu jener Baumarktkette, als die sie heute bekannt ist. Für 12.000 Mark kauft sich der gelernte Holzkaufmann Peter Möhrle in die Firma ein. Auf einer Reise durch die USA hat der damals 24-Jährige die Do-it-yourself-Märkte kennengelernt und ist überzeugt, dass dieses Konzept auch großes Potenzial für die junge Bundesrepublik besitzt.

Überall in Hamburg wird jetzt gebaut, und Heimwerker suchen nach günstigen Gelegenheiten, um an Werkzeuge, Tapeten und Farbe zu kommen. Möhrle steigt ins Kataloggeschäft mit Baumaterialien ein und wird mit dem Aufbau von Filialen zu einem Vorreiter in der jungen Baumarktbranche. Das erste neue Geschäft in Rissen hat mit einem Baumarkt in heutigem Sinn allerdings noch wenig zu tun. Ein kleines Spitzdachhaus mit davor gelagerten Paletten – mehr ist auf Fotos aus dieser Zeit nicht zu erkennen.

Zielstrebig, aber auch solide treibt Möhrle den Ausbau der Kette voran, stets wächst Max Bahr nur auf Grundstücken, die dem Unternehmen auch selbst gehören. Die Wiedervereinigung bringt einen neuen Schub, Anfang der 90er-Jahre kommen erstmals auch Gartencenter hinzu. Schon bald zählen die Hamburger mit fast 80 Märkten zu den zehn größten Ketten Deutschlands.

So gut wie Ende der 90er-Jahre könnte Max Bahr vielleicht auch heute noch dastehen – hätte der einst visionäre Eigentümer im Jahr 2007 nicht die fatale Entscheidung getroffen, das profitable Unternehmen an den Konkurrenten Praktiker zu verkaufen. Ironischerweise hat Möhrle dabei damals nur den Erhalt seines Lebenswerks im Sinn. Aus seiner Sicht ist die Konkurrenz zu stark geworden, Wettbewerber wie Obi oder Bauhaus liefern sich heftige Preiskämpfe und eröffnen immer neue Märkte, was zu Überkapazitäten in der Branche führt. Allein, so meint Möhrle, ist Max Bahr nicht überlebensfähig, daher der Schulterschluss mit einem der Großen. „Als wir verkauft wurden, hat Herr Möhrle den Mitarbeitern in der Zentrale die Hand gegeben und gesagt, dass wir nun in sicheren Händen sind“, erinnert sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ulli Kruse.

Selten liegt ein Unternehmer so falsch, wie sich später zeigt. Denn Praktiker hat sich mit seinen marktschreierischen Rabattaktionen („20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“) schon in eine schwierige Position manövriert. Kunden kaufen nur während der Aktionen, was zwar zu hohen Umsätzen, aber mageren Gewinnen und zuletzt einem Schuldenberg von fast einer halben Milliarde Euro führt.

Mehrere Chefwechsel und Sanierungsbemühungen folgen. Um Kosten zu sparen und vom besseren Konzept der Hamburger zu profitieren, verlegt Praktiker sogar den Konzernsitz in die Hansestadt. Doch es hilft nichts, zunächst schlittert Praktiker und dann die Tochter in die Pleite.

Er bedaure die jetzige Lage zutiefst, hat Peter Möhrle vor einigen Tagen gesagt. Vom Weitblick der frühen Jahre ist bei Max Bahr nicht viel geblieben.