Hamburg. Es ist inzwischen eine lange Liste von Vergehen und Vorwürfen, die Bülent Ciftlik in den vergangenen zehn Jahren angehäuft hat – auch während seiner Gefängnisstrafe in der JVA Billwerder wird es nicht still um den einstigen SPD-Hoffnungsträger, den der Boulevard den „Obama von Altona“ nannte. Wegen vorenthaltener Zahlungen haben mehrere seiner Angestellten den 47-Jährigen verklagt. Die Justizbehörde prüft, Ciftlik seine Privilegien als Freigänger zu entziehen. Auch die Staatsanwaltschaft führt wieder ein Verfahren gegen ihn.
Nach Auskunft des Arbeitsgerichtes haben seit 2019 neun Menschen ein Verfahren gegen Ciftlik angestrengt. Dabei ging es jeweils um Zahlungsansprüche von Beschäftigten des Sushi-Lieferdienstes „Yoko Sushi“ in Altona und Horn, deren Inhaber Ciftlik ist. In vier Fällen bekamen sie einen Vollstreckungstitel für das geforderte Geld. Ciftlik und die von ihm geführten Filialen von „Yoko Sushi“ waren für das Abendblatt am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Zuerst hatte die „Bild“ über die Klagen berichtet.
Auch strafrechtliche Ermittlungen gegen Bülent Ciftlik
Nach Abendblatt-Information wurde in einem Fall wegen der versäumten Zahlungen auch strafrechtlich gegen Ciftlik ermittelt, das Verfahren jedoch wegen Geringfügigkeit eingestellt. Diese mutmaßlichen Vergehen ereigneten sich, während Ciftlik auf den Beginn seiner Haftstrafe wegen früherer Straftaten wartete. Bereits 2017 wurde er vom Landgericht zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Überzeugung der Richter hat der damalige SPD-Sprecher Ciftlik 2007 eine Scheinehe für einen Bekannten vermittelt und später Zeugen zu Falschaussagen angestiftet, in der Hoffnung, er könne so einer Verurteilung entgehen.
„Es ging Herrn Ciftlik darum, sein Lebensziel, als Politiker Erfolg zu haben, zu verteidigen“, sagte der Vorsitzende Richter. Es habe ein „System der Beweismanipulation“ gegeben, um „die Justiz hinters Licht zu führen“. Das Gericht hatte Ciftlik eine „erhebliche kriminelle Energie“ bescheinigt. 66 Verhandlungstage hatte der Prozess vor dem Landgericht gegen den einstigen Polit-Shootingstar gedauert. Und das war bereits der dritte Anlauf, um das Verfahren zu Ende zu bringen.
Der Ciftlik-Prozess war geplatzt
Unter anderem war zuvor ein Prozess geplatzt. Eine Revision Ciftliks beim Bundesgerichtshof wurde abgewiesen.Wegen der langen Verfahrensdauer galt ein Teil der Strafe rechtlich als bereits verbüßt. Erst am 12. August vergangenen Jahres musste Ciftlik in die JVA Billwerder, ehe er nur drei Wochen später bereits in den offenen Vollzug nach Glasmoor verlegt wurde. Ciftlik habe eine positive Sozialprognose, unter anderem wegen seiner Arbeit als Inhaber der Lieferdienst-Filialen, so die Begründung. Ab September 2019 erhielt er erstmals Freigang.
Der Justizbehörde waren die Zivilklagen gegen Ciftlik und das eingestellte Strafverfahren im Zusammenhang mit seinem Lieferdienst bislang nicht bekannt. Er werde dazu Rede und Antwort stehen müssen, heißt es in Justizkreisen. Nach Abendblatt-Informationen soll umfassend geprüft werden, ob die positive Prognose für Ciftlik weiterhin besteht und er weiterhin Freigänge aus der Anstalt in Glasmoor erhalte.
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Ciftlik saß von 2008 bis 2011 für die Hamburger SPD in der Bürgerschaft. Nach dem Bekanntwerden der schweren Vorwürfe fasste die SPD einen Beschluss, ihn aus der Partei auszuschließen. Ciftlik wehrte sich dagegen erfolgreich vor Gericht.
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