Der Bezahl-Sender Sender Sky hat die Preise für die Fußball-Bundesliga drastisch erhöht. Das trifft Hamburger Wirte besonders. Viele haben bereits gekündigt und der Protest wird immer lauter.

Hamburg. Lange hat Marcus Gassa mit sich gerungen, abgewogen, verschiedene Modelle durchgerechnet. Kündigen? Weitermachen? Lohnt sich das überhaupt noch? Der Bezahl-Sender Sky hat die Lizenzgebühren zur Ausstrahlung der Fußball-Bundesliga für den Wirt des Steininger in Hamm zum 1. September drastisch erhöht, zum zweiten Mal in einem Jahr schon – auf insgesamt fast das Doppelte. Er selbst sei kein großer Fußball-Fan gewesen, doch seit einiger Zeit zeigt Gassa trotzdem auch Bundesliga und Champions League im Steininger, so wurde der Wirt selbst mit zum Fußball-Fan: „Dadurch sind hier ganze Cliquen entstanden. Meine Stammkunden wollen ihren Laden und den Fußball einfach nicht verlieren.“

Doch für sehr viele Wirte lohnt sich die teure Übertragung der Spiele nicht mehr. Viele haben gekündigt. Am 31. Juli lief das Sonderkündigungsrecht von Sky aus, doch der Widerstand der Gastwirte wächst weiter. In Hannover schickten 40 Betreiber gleichzeitig ihre Kündigungen nach Unterföhring, auch in Berlin organisierten sich Wirte gegen Sky. Erst am Dienstag gründete sich die Facebook-Gruppe „Rettet den Kneipenfußball“ und gewann binnen weniger Tage mehr als 2000 Anhänger, Tendenz steigend.

Die Dehoga führt auf Bundesebene Gespräche mit Sky, um „diese dramatische Gebührenerhöhung zurückzunehmen“, wie Gregor Maihöfer, Geschäftsführer des Gaststättenverbands Dehoga in Hamburg sagt. Ob die Erhöhungen von Sky überhaupt rechtens sind, ist zudem unklar. „Uns ist bekannt, dass es bereits Klagen gegen Sky gibt“, sagt Maihöfer. Kneipenfußball und Kneipenkultur stecken dank Sky in einer tiefen Krise. Auch weil es keine Alternativen gibt: „Skys gewisse Monopolstellung erlaubt diese willkürliche Preisstruktur“, sagt Maihöfer. Einige Hamburger Wirte zapfen schon semi-legale Livestreams aus dem Internet an. Auch der Erwerb ausländischer Übertragungsrechte wird geprüft, doch hier ist die europäische Rechtslage ebenfalls nicht eindeutig.

Es ist ein Stück Kneipenkultur, das der Bezahlsender aus Unterföhring da bedroht. Sonnabendnachmittag ist Bundesliga, das gehört für viele Fans in Hamburg einfach dazu. Mit dem Bier in der Hand den Fernseher anbrüllen, wenn der HSV mal wieder gegen gefühlte Drittligisten verliert, sich mit Leuten kabbeln, die es wagen, im Bayern-Trikot eine Hamburger Bar zu betreten, auf St. Pauli den nächsten Abstieg oder Aufstieg in kühlem Astra ertränken – all das ist fester Bestandteil vieler Hamburger Fußball-Fans. Ob HSV, St. Pauli, Bayern oder gar Bremen ist dabei fast egal – die Glaubensfrage Live-Fußball teilen alle gleichermaßen und sie eint die Fans in den Sportsbars der Stadt. Sky muss für die exklusiven Live-Rechte pro Saison 485 Millionen Euro zahlen, ist von seinem Premium-Produkt überzeugt und verlangt dafür entsprechende Preise.

Ende Juni verschickte der Sender ein kleines, unscheinbares Schreiben an die Wirte. Auf den ersten Blick wirkte es wie Werbung. Der Sender pries sein verbessertes Angebot an, es gebe jetzt alles in hochauflösender Bildqualität, zudem habe man das Angebot noch einmal erweitert. Die Sportfans kämen ab diesem Sommer auch in den Genuss von Beachvolleyball. Bei aller Liebe für das Gebaggere im Sand: HSV- und St.-Pauli-Fans haben andere Prioritäten. Am Ende des Schreibens mogelte sich dann dieser kurze Satz in den Brief: „Im Rahmen dieser Veränderungen und Verbesserungen haben wir uns dazu entschieden, eine neue, ausgewogenere Angebots- und Preisstruktur einzuführen“, verkündet Sky.

Diese „ausgewogene Preisstruktur“ trifft Hamburger Gastwirte aber ganz besonders. Wurde der Preis vorher anhand der Quadratmeterzahl der Kneipe berechnet, lässt Sky nun auch regionale Faktoren mit einfließen. Dazu gehören Bevölkerungsdichte, die Kaufkraft einer Region und die Sportaffinität. Alles Indikatoren, die in Hamburg besonders hoch sind. „Diese Argumentation ist nur schwer nachvollziehbar. Ein Auto kostet auch überall gleich“, sagt Gregor Maihöfer von der Dehoga. Zwar ist Hamburg generell eine reiche Stadt, die Kaufkraft der Bürger ist aber beileibe nicht überall hoch. „Der Stadtteil Hamburg-Hamm, in dem unser Lokal liegt, wird zum Großteil von Senioren und einfachen Arbeitern bewohnt, deren Kaufkraft nicht sehr hoch ist“, schrieb Gassa am 9. Juli ein Fax an Sky, in dem er dem Sender sein Dilemma schildert und vorrechnet. Betroffen sind in Hamburg mindestens 200 Sportbars, vielleicht auch deutlich mehr. Genaue Zahlen gibt es nicht.

„Das ist doch krank“, findet Gassa, „Sky nimmt uns so unseren Volkssport.“ Rund eine Million Fußball-Fans gehen laut Sky jede Woche in eine Sportsbar. Damit Wirte ihr Sky-Abo refinanzieren können, rechnet der Bezahlsender vor, dass jeder Kunde pro Besuch 16 bis 18 Euro in der Kneipe lässt. „Das haben bundesweite Marktforschungen ergeben“, sagt eine Sky-Sprecherin. „Diese Kalkulation ist der größte Schwachsinn aller Zeiten“, sagt Paul Newman. Er betreibt seit 28 Jahren das News in der Kaiser-Wilhelm-Straße. Erst im Mai hatte er das Abo abgeschlossen.

Die letzten Bundesligaspieltage der vergangenen Saison liefen schon ganz gut. Für die neue Saison hatte er schon bei seinen Kunden geworben. Newman zahlte 269 Euro, ab September sollen es dann plötzlich 389 Euro werden – ein Anstieg von 45 Prozent. Zu viel für den Gastwirt. Er hat gekündigt. „Solche Preisstrukturen sollte man nicht mitmachen“, sagt Newman. Hinzu kommt, dass die Bundesliga im Sommer und Winter pausiert.

Marcus Gassa hat am Ende doch nicht gekündigt, dabei lag die Kündigung schon fertig vor ihm. Doch er entschied: „Ich behalte Sky jetzt erst einmal, für meine Kunden.“ Im November würde sein alter Vertrag enden, mit einer besonderen Ausstiegsklausel könnte Gassa dann seinen Vertrag kündigen. Bis dahin gibt er sich und seinen Kunden Zeit, um zu sehen, ob sich der Live-Fußball finanziell noch lohnt.