Berlin. Deutschland schlägt gegenüber der Türkei andere Töne an: Die Reisehinweise hat Außenminister Gabriel verschärft. Geplant ist noch mehr.

Die anhaltenden Provokationen aus der Türkei haben jetzt Folgen: „Wir können nicht so weiter machen wie bisher“, sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel am Donnerstag in einem Statement. „Wir müssen zu einer Neuausrichtung unserer Türkei-Politik kommen.“ Erste deutliche Zeichen: Die Reisewarnungen für das Land sind am Donnerstag verschärft worden, dazu kommen die Garantien Deutschlands für Exportkredite auf den Prüfstand. Dabei geht es um die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch Hermes-Bürgschaften.

Gabriel (SPD) erklärte in einer Pressekonferenz, das Vorgehen sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz besprochen. „Wir haben viel Geduld gehabt mit unseren türkischen Freunden und Freundinnen, auch wenn uns das nicht immer leicht gefallen ist“, sagte Gabriel. „Wieder und wieder haben wir darauf gesetzt, dass schon irgendwann die Vernunft wieder einkehren wird. Wieder und wieder sind wir aber enttäuscht worden.“

Terror-Vorwürfe, um kritische Stimmen abzustellen

Wer handele wie die türkische Führung, wolle offenbar das Rad der Geschichte zurückdrehen. „Die Vorwürfe von Terrorpropaganda sollen offensichtlich nur dazu dienen, jede kritische Stimme zum Verstummen bringen.“

Verschärfter Türkei-Kurs – wird jetzt alles anders?

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    Ein verschärfter Reisehinweis kann für die Türkei wirtschaftliche Folgen haben. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes, die deutschen Urlauber sind eine besonders wichtige Zielgruppe. In den geänderten Reisehinweisen wird Türkei-Reisenden zu „erhöhter Vorsicht“ geraten. Zur Begründung werden die Verhaftungen von Deutschen angeführt, „deren Grund oder Dauer nicht nachvollziehbar war“. Teilweise sei der konsularische Zugang „entgegen völkerrechtlicher Verpflichtung“ verweigert worden.

    Verschärfte Reisehinweise: Das müssen Türkei-Urlauber jetzt wissen

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      Reisewarnung würden Stornierungen erleichtern

      In den Reisehinweisen heißt es auch: „Es wird dringend davon abgeraten, in der Öffentlichkeit politische Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen bzw. Sympathie mit terroristischen Organisationen zu bekunden.“

      Es ginge aber noch schärfer: Deutschland hat formal keine Reisewarnung ausgesprochen. Bei der geht es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben: Deutsche, die in dem betroffenen Land leben, werden dann gegebenenfalls zur Ausreise aufgefordert; Urlauber können gebuchte Reisen leichter stornieren.

      Gabriel: Kann niemandem zu Investitionen raten

      Zu den Kreditgarantien sagte Gabriel: „Man kann niemandem zu Investitionen in ein Land raten, wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt und sogar Unternehmen, völlig unbescholtene Unternehmen, in die Nähe von Terroristen gerückt werden.“ Es habe bereits Beispiele von Enteignungen gegeben, sagte Gabriel.

      Am Mittwoch war auch bekannt geworden,

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      , auf der auch Daimler oder BASF stehen. Die „Zeit“ hatte berichtet, 68 Unternehmen würden aufgeführt. Gabriel sagte: „Die Liste ist sogar noch viel länger.“

      Deutschland hatte Botschafter einbestellt

      Das türkische Außenministerium hatte vor Gabriels Pressekonferenz die

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      Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält am 16.07.2017 eine Rede an das Volk vor dem Präsidentenpalast in Ankara bei der Einweihung eines Denkmals im Gedenken an die Opfer des gescheiterten Putschversuchs am 15.07.2016. Der türkische Präsident Erdogan hielt am Wochenende mehrere Reden. ACHTUNG: Dieses Bild hat dpa auch im Bildfunk gesendet. Foto: Depo Photos/Depo Photos via ZUMA Wire/dpa +++(c) dpa - Nachrichten für Kinder+++
      Von Michael Backfisch, Knut Pries und Miguel Sanches

      : Die deutschen Äußerungen zur Festnahme von Menschenrechtsaktivisten seien nicht akzeptabel. „Das war eine direkte Einmischung in Angelegenheiten der türkischen Justiz.“ Zudem sei mit den von deutscher Seite gewählten Äußerungen eine Grenze überschritten worden.

      Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner und vier weitere M;enschenrechtler waren am Dienstag von einem Richter in Istanbul in Untersuchungshaft geschickt worden. Damit hatte sich das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei weiter verschlechtert.
      Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner und vier weitere M;enschenrechtler waren am Dienstag von einem Richter in Istanbul in Untersuchungshaft geschickt worden. Damit hatte sich das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei weiter verschlechtert. © dpa | Privat

      Die Bundesregierung hatte am Mittwoch nach der Verhaftung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner ihre Tonlage gegenüber Ankara verschärft. Dem türkischen Botschafter wurde dem Auswärtigen Amt zufolge „klipp und klar gesagt, dass die Verhaftung von Peter Steudtner und anderen Menschenrechtsaktivisten nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel und schon gar nicht vermittelbar ist“.

      Die gegen ihn erhobenen Terrorismusvorwürfe seien „an den Haaren herbeigezogen“, sagte Gabriel. Steudtner habe nicht einmal nähere Beziehungen in die Türkei gehabt und sei vielleicht zuvor nicht einmal in der Türkei gewesen.

      Gabriel fordert Freilassung von Yücel und anderen

      Im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr sind dort nach Erkenntnissen der Bundesregierung bislang 22 deutsche Staatsbürger festgenommen worden. Aktuell seien noch neun von ihnen in Haft. Darunter sind der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel und die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu Corlu. Gabriel forderte nachdrücklich ihre Freilassung.