Berlin. Als Ministerpräsident sagte er seine Meinung – und war bei den Leuten beliebt. Nun zieht sich Erwin Sellering zurück. Er hat Krebs.

Gut zwei Wochen sind erst vergangen, seit Erwin Sellering in Rostock auf der Bühne beim Parteitag seiner Landes-SPD stand und den Delegierten für seine Wiederwahl zum Landesvorsitzenden dankte. Da ahnte der 67-Jährige noch nicht, dass einige Tage später eine niederschmetternde ärztliche Diagnose seine weiteren Pläne durchkreuzen würde. Lymphdrüsenkrebs.

Er habe noch viel vorgehabt in den nächsten Jahren, sagt der Ministerpräsident einer großen Koalition am Dienstagnachmittag. Es ist ein bewegender Auftritt in der Schweriner Staatskanzlei. „Deshalb sehe ich mit großem Bedauern, dass dies jetzt nicht mehr möglich ist“, fügt er an. Vier Stunden zuvor hatte Sellering in einer persönlichen Mitteilung seinen Rücktritt von allen Ämtern bekannt gegeben. Nun steht er vor den Kameras und Mikrofonen und schildert die vergangenen Tage, in denen er nach ersten Sorgen noch die Hoffnung hatte, dass alles halb so schlimm sei, um dann die niederschmetternde Wahrheit über seine Krankheit zu erfahren. Er will jetzt – das hatte er schon in der Mitteilung eindeutig erklärt – sich voll und ganz auf die „massive Therapie“ konzentrieren.

Dann versucht Sellering in wenigen Minuten, seine knapp neun Jahre als Regierungschef in Schwerin zusammenzufassen – und zu erklären, was ihm in dieser Zeit wichtig war: etwa den Ostdeutschen zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen und auf die Lebensleistungen der Menschen in der ehemaligen DDR hinzuweisen.

Sellering gewann im vergangenen September Wahl

Eine Haltung, mit der der im nordrhein-westfälischen Sprockhövel geborene und seit 1994 im Nordosten lebende Verwaltungsjurist zweifellos seine Bürger erreichte. Und immer wieder für Kontroversen sorgte: etwa mit der Aussage, die DDR sei kein totaler Unrechtsstaat gewesen. Oder mit seiner Klage über den „erhobenen, sehr moralischen Zeigefinger des Westens gegenüber den Menschen in der ehemaligen DDR. Oder mit seiner Forderung nach dem Ende der Sanktionen gegen Russland – mitten in der Krim-Krise.

All das schadete ihm politisch, wenn überhaupt, nur außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns. Der im Land beliebte Ministerpräsident gewann erst im vergangenen September die Landtagswahl und konnte die Koalition mit der CDU weiterführen. Die SPD musste zwar mit Verlusten leben, aber blieb immer noch über 30 Prozent.

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    Erwin Sellering mit Ehefrau Britta und Sohn Matti in Plau am See.
    Erwin Sellering mit Ehefrau Britta und Sohn Matti in Plau am See. © dpa | Bernd Wüstneck

    Bis dahin, erklärt Sellering, werde er sein Amt noch „ausfüllen“, wenn es die Therapie zulasse. Sellering vermeidet es, in seiner Erklärung auf seine Frau Britta, die 26 Jahre jünger ist, und ihren gemeinsamen, bald dreijährigen Sohn zu sprechen zu kommen. Sie sind seine zweite Familie – und seine Stütze, jetzt erst recht. Doch Sellering hat eine Bitte: „Den weiteren Krankheitsverlauf als Privatsache zu respektieren und von Anfragen abzusehen.“

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