Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Kreativdirektorin Miriam Möller

Das handhabt sie virtuos. Dieses kleine Wörtchen "nicht". Mit Frage- und Rufzeichen zugleich. Eine eingeforderte Bestätigung, die sie als Frage getarnt in den Raum stellt. Miriam Möller-Winkler, Modedesignerin einer eigenen Strand-, Bade- und Abendkleiderkollektion unter dem Label miriam moeller und jetzt auch Kreativdirektorin im elterlichen Unternehmen - dem Marlies-Möller-Imperium.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Generationswechsel im Hause Möller soll das sein. Bruder Christian hat längst einen Großteil der väterlichen Managementaufgaben übernommen. Und welchen Part wird sie jetzt spielen? Gleich, sagt sie. Hängt ihren Mantel sorgfältig auf den Bügel im kleinen Cafe Hegeperle und zupft mir ein paar widerspenstige Haare zurecht. "Das Wetter, nicht!?" Bestellt Latte macchiato, nein, kein Stück von dem leckeren Kuchen, den es hier gibt. Selbst gebacken aus hellem Dinkelmehl und braunem Rohrzucker in den tollsten Variationen der Betreiberinnen Eugenia Assmann und Ulrike Gutt.

Dann kann es losgehen. Der kreative Bereich also. Nicht im Alleingang, sondern im Team mit ihrer Mutter. Marlies Möller, Hamburgs Starfriseurin, die aus dem ersten Salon an der Tesdorpfstraße ein wahres Imperium machte. Und mit ihrer Arbeit eine internationale Marke im Bereich Frisuren, Haarpflege, Kosmetik und Accessoires kreierte. Vom Flaggschiff am Neuen Wall übers AEZ, von Hannover und Düsseldorf bis hin nach Mallorca und Ibiza.

Miriam Möller-Winkler wird Veranstaltungen mitplanen. Das 100-jährige Bestehen der Kosmetikfirma L'Oreal im November zum Beispiel. Nationale und internationale Frisurenshows mitarrangieren. Vom Frisurentrend bis zur modischen Umsetzung auf dem Laufsteg. In der Jury wird sie anstelle ihrer Mutter sitzen, bei der Vergabe der Colour Trophy. Wissen Sie jetzt, was ich mache? fragt sie. Eine leise Ahnung ist schon da. Gut, sagt sie.

Sie hat es gern ordentlich. Diese mädchenhafte junge Frau mit dem heiteren, häufig ins Kichern überschwappenden Gelächter, den leuchtend rot lackierten Fingernägeln, dem Ehering an der rechten Hand. Und den festen Ansichten. Über vieles. Sie denkt gerne nach, sagt sie, diskutiert Gefühle und Probleme bis an die Schmerzgrenze. Als Teenager die von Mutter Marlies und heute die von Ehemann Christian Winkler, einem selbstständigen Telekommunikationsfachmann.

Erst noch mal die Sache mit dem Salonbereich, wie es elegant im Hause Möller heißt. Das Herzstück des Imperiums und die Domäne ihrer Mutter. Wird sie da mitmischen? Das sei nicht ihr Ding, sagt sie. Obwohl sie darin und damit groß geworden ist. In der Wohnung über dem Salon. Im hauseigenen Kindergarten. Mit fünf Jahren schon Strähnen im Haar. Das Handtucheinsammeln in allen Räumen, weil sie das so toll fand. Für die Großmutter, die alles im Hause wusch und mangelte. Bei den Schulungsabenden war sie dabei, wickelte den Übungsköpfen Dauerwellen. Ihr Handy klingelt. Darf ich mal kurz, sagt sie entschuldigend, es könnte wegen Julius sein. Nein, Vater Manfred ist dran. Er kümmert sich gerade auf Ibiza um das neue Projekt.

Julius gibt es seit August 2007. Ein kleiner Löwe, sagt sie stolz, der sich dem Perfektionismus und Ordnungssinn seiner Mutter gekonnt widersetzt. Den sie zweimal täglich stillt und der tagsüber nur schläft, wenn er im Kinderwagen durch die Gegend gefahren wird. Unlängst hat er ein halbes Stündchen geschlafen. In seinem eigenen Bett. Der totale Luxus. Bei Heymann am Eppendorfer Baum hat sie neulich einen Ratgeber gesucht. "Man hat ja keine Ahnung, wie Kinder ticken, ob sie rabaukig sind oder sich und einen selbst nur austesten wollen." Ihre Mutter habe immer gesagt, Kinder könne man nicht erziehen, nur führen. Das fände sie richtig. Für sie sei es richtig gewesen. Damals als sie mit dem Reiten anfing und später als sie nach New York wollte. Aber erst könnte sie noch schnell was von Julius erzählen. Das Handy klingelt wieder. Nein, nichts mit Julius. Er wird jetzt ein paar Tage in der Woche vier Stunden täglich betreut. Und trotzdem, sagt sie zögernd.

Julius war es, der schon vor seiner Geburt ihre sorgfältige Lebensplanung durcheinanderbrachte. Sie wollte nie zuerst schwanger sein und dann heiraten. "Total unromantisch." Aber so sei es nun mal gekommen. Vor knapp einem Jahr haben sie auf Ibiza, dem Zweitwohnsitz des Möllerclans, standesamtlich geheiratet. An Ibiza hängt sie sehr. Wolle immer etwas von dieser Insel behalten, im Herzen mittragen, ja so romantisch sei sie nun mal. Und jetzt hätten sie sogar ein spanisches Familienbuch. Ihre romantische Seele überhaupt, sagt sie. Die Sache mit dem Ehering. Das Symbol für Werte, die ihre Eltern ihr vorgelebt haben. Durch ihre langjährige Liebe und Ehe. Daran glaube sie. Da sei sie total altmodisch. Eine Ehe könne man nicht so einfach wegwerfen, nach dem Motto: Passt ja doch nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Man müsse sich immer wieder zusammenleben, sagt sie entschieden. Nicht?! Dass ihr Mann in der ersten Zeit seinen Ehering abends immer abgenommen hat, fand sie schrecklich. So wie eine Armbanduhr! Aber jetzt trage er ihn auch nachts.

Sie ist von großer Überzeugungskraft. Und voller Gedankensprünge. Starrsinn, sagt sie. Angeboren, weil sie Zwilling sei. Ihr Mann sei Doppelwidder. Ganz schlimm. Keiner kann aufgeben. Aber man lernt ja auch, sagt sie und bricht in Gelächter aus. Wenn man nur auf Stein trifft, macht das Ausdiskutieren keinen Sinn. Nicht!?

In der gegenüberliegenden Schule, dem Gymnasium Eppendorf, ist gerade Pause. Für Schuluniformen sei sie. Wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls, um den Markenfetischismus zu stoppen und diese Masche ganz junger Mädchen schon in knappsten Klamotten. Und Jungen sollen einen klaren Kopf bewahren!

Sie brauche einen klaren Kopf, hasse Unordnung, würde Überflüssiges sofort aussortieren. Bei ihr müsse alles klar strukturiert sein, damit sie in Ruhe arbeiten könne. Das habe sie von ihrer Mutter. Ist eine ständig unter Starkstrom stehende Mutter schwierig? "Nein", sagt sie, "auch wenn meine Mutter so vorprescht, so wahnsinnig dynamisch ist, hat sie uns nie damit bedrängt oder in die Enge getrieben." Beide Eltern hätten ihnen alle Freiheiten gelassen, den eigenen Weg zu finden. Ihre Mutter sei mehr Kopf-, ihr Vater mehr Gefühlsmensch, dem beim Anblick der Enkelkinder schon die Tränen kämen. Miriam Möller ist die gelungene Mischung aus beiden. Und auch ein Familienmensch, sagt sie. Wie sehr, das sei ihr erst so richtig klar geworden, als sie in New York lebte. Als sie nach der Ausbildung an der Parson School of Design bei der Modedesignerin Anna Sui als persönliche Assistentin und Designerin arbeitete. Von ihrer Wohnung in Soho täglich fünfzig Minuten zu Fuß ins Atelier in der 39. Straße ging. Und als dann dieser furchtbare Tag war, der 11. September 2001. Als mit den beiden Türmen des World Trade Centers der amerikanische Traum von Selbstbestimmung und Freiheit einstürzte. Der Terror Tausende Menschenleben zerstörte. An dem Tag musste sie früh ins Büro. Die Fashion Weeks standen an. Fittings mit den Models, sagt sie. Bis um Zwölf. Unwirklich. Unten brannte die Welt. Oben ging das Leben weiter. Da sei ihr plötzlich klar geworden, dass man verpasste Zeit nicht nachleben kann. Die mit der Familie vor allem. Und dass sie mit dreißig sich langsam darüber klar werden müsste, was wichtig sei. Die Familie, ein eigenes Standbein beruflich und privat.

In Hamburg hat sie ihre Firma gegründet. Mit einem Kredit von der Haspa. Das sei ihr und ihren Eltern sehr wichtig gewesen. Die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Das Leben in den Griff zu bekommen. Das soll auch so bleiben. Inklusive Ehe und Kind. Sie wird es schaffen. Auf ihre beharrliche und liebenswerte Art. So wie damals, als sie sich jedes Jahr zu Weihnachten ein eigenes Pony wünschte. Immer wieder. Bis sie es bekam. Aus der Pferdepartnerschaft ein eigenes Pferd wurde, sie Turniere ritt, am Wochenende dafür um vier Uhr aufstand oder gleich auf dem Hof in Kaltenkirchen übernachtete. "Diese Zeit möchte ich nie missen", sagt sie.

Eigentlich müsse sie langsam los, Julius wartet gleich um die Ecke. Nur das mit dem Wörtchen "nicht" noch schnell. Von ihrer Mutter übernommen? Ja, sagt sie. Unbewusst. Wie der Satz, der ihren Mann in die Krise treibt. Dieses mütterliche "mach doch noch mal eben schnell". Ein gutes Prinzip, sagt sie. Geh keinen Weg umsonst. Das gelte auch fürs ganze Leben. Nicht?!