Conrad Murray fühlt sich unschuldig. Jetzt endet seine Haftzeit vorzeitig. Die Angehörigen von Michael Jackson wollten eine Mordanklage.

Los Angeles. Michael Jacksons Familie hätte den früheren Leibarzt des „King of Pop“ gerne länger hinter Gittern gesehen. Seit dem Tod des Sängers im Juni 2009 stellten die Angehörigen wiederholt klar, dass der Herzspezialist Conrad Murray in ihren Augen eine härtere Strafe verdient habe. Er hätte wegen Mordes angeklagt werden sollen, sagte Patriarch Joe Jackson schon 2010 dem CNN-Talkshow-Gastgeber Larry King. Nach zwei Jahren im Männergefängnis von Los Angeles steht nun die Freilassung des 60-jährigen Mediziners bevor.

Murray habe bei guter Führung die vorgeschriebene Zeit abgesessen, sagte seine Anwältin Valerie Wass der Nachrichtenagentur dpa. Sie erwarte, dass er am Montag entlassen werde. Nach einem Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung war der Kardiologe im November 2011 zur Höchststrafe von vier Jahren Haft verurteilt worden. Bei guter Führung sind in Kalifornien Haftverkürzungen üblich. Ein Grund für diese Regelung sind die überfüllten Gefängnisse des Westküstenstaates. Wass beschrieb Murray als „vorbildlichen“ Insassen, der jeden vorgeschriebenen Tag verbüßt habe.

Sie sei mit Interviewanfragen für Murray aus aller Welt bombardiert worden, sagte Wass. Wann sich der Arzt erstmals nach seiner Freilassung öffentlich äußern werde, sei aber noch nicht klar. Murray werde weiter vor einem Berufungsgericht um die Aufhebung des früheren Schuldspruchs gegen ihn kämpfen. Zudem wolle er sich darum bemühen, wieder als Arzt praktizieren zu dürfen, erklärte Wass. Die Behörden in Kalifornien hatten Murrays Zulassung nach dem Schuldspruch aufgehoben. Auch in Texas, wo der Kardiologe vor seiner Anstellung bei Jackson Patienten hatte, darf er nicht mehr arbeiten.

„Zeit mit seiner Familie verbringen“ sei für Murray nach seiner Freilassung erst einmal das Wichtigste, so Wass. Der Arzt ist Vater mehrerer Kinder, das jüngste ist vier Jahre alt. In einem Telefon-Interview des Senders NBC Anfang Oktober sagte der inhaftierte Murray, er wolle als „Vorbild“ der Welt zeigen, dass man trotz Widrigkeiten und „wenn schlechte Dinge guten Menschen widerfahren“, sein Leben wieder neu beginnen und vorankommen kann.

Der Mediziner aus dem karibischen Inselstaat Grenada, der in den USA studierte, galt vor seiner Anstellung als Leibarzt von Michael Jackson als angesehener Herzspezialist mit Zulassungen in mehreren US-Bundesstaaten. Ehemalige Patienten beschrieben ihn als gewissenhaft, warmherzig und fürsorglich.

Murray und der Sänger lernten sich 2006 in Las Vegas kennen. Der Arzt behandelte damals eines der Kinder von Jackson. Im Mai 2009 folgte er dem Megastar nach Los Angeles. Dort sollte er Jackson für eine bevorstehende Konzertreihe in London fit machen und auf dessen Gesundheit achten. Doch bereits wenige Wochen später, am 25. Juni, starb Jackson – dem Autopsiebericht zufolge – an einer „akuten Vergiftung“ durch Propofol. Das Narkosemittel wird normalerweise vor Operationen im Krankenhaus gespritzt und erfordert die ständige Überwachung des Patienten.

Murray geriet schnell unter Verdacht. In Polizeiverhören räumte er ein, Jackson regelmäßig seine „Milch“ gegeben zu haben. So soll der Sänger das weißliche Betäubungsmittel, das ihm beim Einschlafen helfen sollte, genannt haben. Vor Gericht plädierte Murray auf den Vorwurf von fahrlässiger Tötung und Verletzung der Sorgfaltspflicht auf „nicht schuldig“ und hat seither kategorisch jede Schuld von sich gewiesen.

Nach einem fast sechswöchigen Prozess mit Dutzenden Zeugen fällten zwölf Geschworenen im November 2011 den Schuldspruch. Der Arzt wurde in Handschellen aus dem Gerichtssaal gleich ins Männer-Gefängnis von Los Angeles gebracht. Richter Michael Pastor verhängte die Höchststrafe von vier Jahren Haft. Bei seiner „Strafpredigt“ machte er keinen Hehl aus seiner Entrüstung über Murrays Taten. Der Arzt habe Jackson einem „Zyklus von schrecklicher Medizin“ ausgesetzt und durch Lügen, Vertuschung und Rücksichtslosigkeit seinen Berufseid verletzt.

Der Zwei-Meter-Mann Murray sagte während des Prozesses nicht aus. Der Mediziner sei nur „ein kleiner Fisch in einem großen schmutzigen Teich“ gewesen, sagte sein Verteidiger Ed Chernoff in seinem Schlussplädoyer mit Blick auf die vielen Ärzte, von denen sich der Popstar über Jahre hinweg mit starken Mitteln versorgen ließ.

In seinem ersten Medien-Interview seit dem Schuldspruch beteuerte Murray im vergangenen April erneut seine Unschuld. Den Tod seines berühmten Patienten nannte Murray beim Sender CNN einen „unglaublichen Verlust“. Sie seien Freunde gewesen und er habe für den Sänger nur das Beste gewollt. Er habe dem an Schlaflosigkeit leidenden Star helfen wollen, von Propofol und anderen Medikamenten wegzukommen. Er stellte sich selbst als Opfer dar. Er habe keinen fairen Prozess erhalten, klagte Murray.