Ein Schwarzfahrer in Frankreich verletzte einen Kontrolleur mit acht Messerstichen. Solidaritätsstreik legt fast das ganze Land lahm.

Paris. Die Geduld der Reisenden wurde am Freitag in Frankreich auf eine harte Probe gestellt: Auf vielen Bahnhöfen ging so gut wie nichts mehr. Nach einer brutalen Messerattacke auf einen Schaffner haben zahlreiche Bahnmitarbeiter die Arbeit niedergelegt.

Am Donnerstag hatte auf der Strecke von Lyon nach Straßburg ein Fahrgast einen Kontrolleur angegriffen, nachdem der ihn beim Schwarzfahren erwischt hatte. Der 54 Jahre alte Schaffner wurde mit acht Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Er wurde mit schweren Verletzungen an Bauch und Kopf mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus in Besançon im Osten des Landes gebracht. Nach Angaben der behandelnden Ärzte sei sein Zustand mittlerweile "stabil".

Der Messerstecher konnte kurz nach der Tat festgenommen werden. Nach Polizeiangaben war der Mann bereits viermal wegen tätlicher Angriffe verurteilt worden.

Ersten Erkenntnissen zufolge hatte der aus dem Elsass stammende Angreifer während der Bahnfahrt geschlafen, als er von zwei Schaffnern geweckt wurde, die sein Ticket kontrollieren wollten. Daraufhin sei er aggressiv geworden, habe Kontrolleure und Mitreisende beschimpft und schließlich ein Messer gezogen. Laut der staatlichen Bahngesellschaft SNCF handelt es sich um einen psychisch kranken Mann.

Aus Solidarität mit ihrem Kollegen gingen die Angestellten spontan in den Streik und verursachten mit der Aktion ein landesweites Verkehrschaos. Der Zugverkehr brach fast völlig zusammen, laut SNCF fielen bis Freitagmittag rund 75 Prozent aller Verbindungen aus. Auf den Regionalstrecken rollte nur noch jeder vierte Zug, bei den Hochgeschwindigkeitsverbindungen fielen im Schnitt sogar zwei von drei Zügen aus. Der Streik hatte bereits Donnerstagabend überraschend begonnen und zur Folge, dass alle Nachtzüge gestrichen werden mussten. Zehntausende Reisende saßen auf Bahnhöfen im ganzen Land fest. Das Innenministerium richtete sogar ein Krisenzentrum ein, um die Gestrandeten zu unterstützen.

Ungehört blieb auch der Appell von SNCF-Chef Guillaume Pepy, der die Beschäftigten aufrief, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. "Die Erregung ist groß, aber es bringt nichts, die Fahrgäste (...) zu bestrafen", sagte er im Radio. Der Angriff sei die verrückte Tat eines Kranken gewesen. So etwas passiere selten. Pepy wollte am Freitagvormittag Gewerkschaftsvertreter treffen. Sie hatten dazu aufgerufen, bis mindestens zum Mittag aus Solidarität mit dem niedergestochenen Fahrkartenkontrolleur die Arbeit niederzulegen. Gleichzeitig wollen sie mit den Streiks gegen die ihrer Ansicht nach steigende Gewalt gegen Bahnmitarbeiter protestieren. Offiziell machten sie damit von ihrem Recht Gebrauch, bei Gefahr für das Leben und die Gesundheit nicht weiterzuarbeiten. Frankreichs Transportminister Thierry Mariani sicherte dem verletzten Schaffner und den 11 000 weiteren Kontrolleuren der Bahn seine Unterstützung zu, erklärte aber, der Streik sei "keine angemessene Antwort" auf die Tat.

Grundsätzlich gelten blutige Attacken gegen Bahnmitarbeiter in Frankreich als selten. Die letzten Fälle, die Schlagzeilen machten, ereigneten sich 2004 und 1999. Auch damals wurden zwei Kontrolleure von aggressiven Fahrgästen mit Messern attackiert, als diese wegen Schwarzfahrens verwarnt werden sollten. Beide Zugbegleiter überlebten schwer verletzt.

Nach Angaben der SNCF normalisierte sich der Bahnverkehr ab Freitagnachmittag wieder langsam, Fahrgäste wurden trotzdem weiter gebeten, auf andere Verkehrsmittel auszuweichen oder ihre Reise zu verschieben. Thalys- und Eurostar-Züge waren nicht von den Arbeitsniederlegungen betroffen. Auch auf den deutschen Zugverkehr hatte das Chaos in Frankreich keine Wirkung, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn in Düsseldorf bestätigte.

Eine Bildergalerie zum Streik www.abendblatt.de/frankreich