Bei Samuel Kochs dramatischem Unfall bei „Wetten, dass..?“ hielt ein Millionenpublikum den Atem an. Viele Menschen zeigten ihre Anteilnahme. Ihnen antwortet Koch 16 Monate später mit einem Buch, in dem er für Lebensmut und Gottvertrauen wirbt.

Berlin. Samuel Koch spricht langsam und leise, er klingt angestrengt. Am Montag stellte der 24-Jährige, der seit seinem Unfall bei „Wetten, dass..?“ querschnittsgelähmt ist, sein Buch „Zwei Leben“ vor. Er schildert darin vor allem, wie er mit dem Schicksalsschlag umgeht. „Es lohnt sich festzuhalten an einem Leben, das Perspektiven und Wünsche zerstört hat“, fasst der ehemalige Kunstturner die zentrale Botschaft kurz zusammen. Es gehe ihm aber „natürlich auch oft kacke“, bekennt er.

Als Kandidat der ZDF-Show „Wetten, dass..?“ war Samuel Koch am 4. Dezember 2010 bei dem Versuch verunglückt, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen. Er erlitt Verletzungen an der Halswirbelsäule und am Rückenmark und ist heute vom Hals an fast vollständig gelähmt.

Der junge blonde Mann hat zwischenzeitlich sein Schauspielstudium in Hannover wieder aufgenommen. Er sei überrascht, welche Möglichkeiten er trotz seiner Lähmung dort noch immer habe. „Ich bin guter Dinge, dass das lustig wird dort“, sagt er.

Trotzdem könne er noch nicht sagen, dass er sich an den Rollstuhl gewöhnt hat. Er sei noch dabei, „sich neu zu sortieren“, berichtet er. Dazu gehöre auch, sich nach der Buchveröffentlichung wieder ins Privatleben zurückziehen zu wollen. „Wenn ich irgendwo nützlich sei kann, werde ich das aber auch weiter machen“, ergänzt er mit Blick auf öffentliche Auftritte.

Sein Buch, geschrieben vom Journalisten und Medienwissenschaftler Christoph Fasel, soll all denen Antworten geben, die „aufrichtig und ehrlich“ in Briefen Anteil an seinem Schicksal genommen haben, erklärt Koch. „Ich konnte ja nie einen Kugelschreiber in die Hand nehmen, um zu antworten“, sagt er. Entstanden sei das Buch unter anderem in langen Gesprächen über den Internet-Dienst „Skype“, berichtet Fasel. Im Video-Chat erzählte Koch sein Leben und machte nebenbei sein Armmuskeltraining. „Stundenlang“, ergänzt Fasel.

Kochs Lebenswillen, seine Hoffnung und eine „athletische Würde“ trotz schwerer Behinderung beeindrucken auch den Entertainer Thomas Gottschalk, der einige Zeit nach dem Unfall als Moderator der Show aufhörte. Kochs Unfall sei auch für ihn ein „ganz entscheidender Einschnitt“ in seinem Leben gewesen, sagt Gottschalk, der überraschend zur Pressekonferenz am Montag in Berlin gekommen war.

Dem Show-Moderator war das Kommen sichtlich schwergefallen, nachdem in der vergangenen Woche entschieden wurde, seine ARD-Vorabend-Sendung wegen schlechter Quoten wieder abzusetzen. Er wolle nicht von seiner Not ablenken, die neben Samuel Koch „keine ist und nie eine war“, betont Gottschalk. Später gekommen verschwindet er noch vor der Fragerunde der Journalisten. „Ich bin immer da, wenn du mich brauchst“, sagt er noch schnell zu Koch. „Ich freue mich, dass du da warst“, entgegnet dieser.

Der Unfall habe für ihn bis heute eine große Sinnlosigkeit, erklärt Koch. Dennoch sei seine Botschaft: „Leute, seid glücklich“, sagt er. „Es nimmt etwas von der Sinnlosigkeit, wenn ich das übermitteln kann.“

Persönlichen Halt findet Koch, der aus einer in der evangelischen Kirche engagierten Familie im südbadischen Efringen-Kirchen stammt, nach eigenen Worten im christlichen Glauben. Durch den Schicksalsschlag sei dieser „ganz schön durchgerüttelt“ worden, sagt Koch. Schließlich habe sich sein Gottvertrauen aber intensiviert.

Zitate von und über Samuel Koch

„Ja, der Auftritt bei 'Wetten, dass..?' war eine Herausforderung, die mich reizte. Ja, das Geld, das ich als Wettkönig verdient hätte, hätte ich sehr gut gebrauchen können. Ja, ich wollte den Leuten auch etwas von dem mitgeben, was mir wichtig ist, wenn ich da vorn stehe, und dies war eine große Chance dazu. Und schließlich: Ja, ich bin harmoniebedürftig und konnte immer schon schlecht Nein sagen. Schon gar nicht zu einer sportlichen Herausforderung.“ (Samuel Koch)

„Es gibt keine individuelle Schuld, keinen bestimmten Umstand, der mich auf den Wagen prallen ließ, der von meinem Vater gesteuert wurde.“ (Samuel Koch)

„Ein übler Moment war, als der Halofixateur in meinen Kopf geschraubt wurde, um meinen Nacken absolut ruhig zu stellen. Die Köpfe von Ärzten, Mechanikern und Pflegern über mir, alle mit Masken. Sie schraubten gemeinsam das Ding in meinen Kopf. Mein Schädel dröhnte und brummte. Ich spürte Schmerzen, die mir das Gehirn wegzusprengen schienen. Bohrer- und Schraubgeräusche in mir. Ich wollte schreien. Aber ich konnte nicht.“ (Samuel Koch)

„Ich fühlte mich ausgeliefert wie eine Schildkröte, die auf ihren Rückenpanzer gerollt ist.“ (Samuel Koch)

„Ich halte es gar nicht aus!, möchte ich manchmal herausschreien. Ich will wieder gehen können! Ich will wieder turnen können, Sand unter meinen Füßen spüren, jemanden umarmen, einen Spaziergang machen, mich ins Gras legen und die Hände hinter dem Kopf verschränken!“ (Samuel Koch)

„Und wenn ich von einer schicksalhaften Verbindung zwischen mir und Samuel gesprochen habe, meine ich nicht den Abschied von einer Samstagabend-Show, sondern die Tatsache, dass ich diesem jungen Mann eine tiefe Einsicht verdanke, wie man mit einem Leben umgehen kann, das eben nicht so verläuft, wie man es geplant und sich gewünscht hat.“ (TV-Moderator Thomas Gottschalk im Vorwort des Buches „Zwei Leben“ von Samuel Koch und Christoph Fasel)

„Wenn man Grenzen nicht überschreitet, entwickelt man sich nicht weiter. Das gilt wahrscheinlich fürs Turnen ebenso wie für andere Lebensbereiche. Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht, kommt nicht voran. Wenn alle nichts anderes machen würden als nur Gesetze einhalten, dann wären wir heute weder als Individuen noch als Gesellschaft da, wo wir sind. Genau wie beim Turnen.“ (Samuel Koch über seine große Leidenschaft Turnen)

„Samuel war immer ein Bewegungsmensch. Der Junge ist immer auf Achse gewesen, sobald er auf eigenen Füßen stand! Eigentlich waren Saltos seine natürliche Fortbewegungsart.“ (Marion Koch, Mutter von Samuel)

„Wäre ich beim Obstbaumschneiden in einem schwäbischen Schrebergarten von der Leiter gekippt und hätte mir exakt die gleiche Verletzung zugezogen, hätten nicht so viele Hähne nach mir gekräht.“ (Samuel Koch)

„Niemand kann mir sagen, ob und wenn ja, wie viel von meiner Bewegungsunfähigkeit jemals zurückkommt. Es kann sein, dass sich erst nach zwei Jahren etwas tut. Es kann auf einen Schlag geschehen. Oder in 30 Jahren. Oder nie.“ (Samuel Koch)

Mit Material von epd und dapd