Budapest. . Gleich zwei niederländische Stars stürzen bei der Leichtathletik-WM kurz vor der Ziellinie. Eine von ihnen fühlt sich betrogen.

Ein Raunen ging am Samstagabend durch das Stadion Nemzeti Atlétikai Központ. Bei der Leichtathletik-WM in Budapest war die niederländische Starläuferin Sifan Hassan (30) auf den letzten Metern des 10.000-Meter-Rennens Schulter an Schulter mit Gudaf Tsegay aus Äthiopien auf Goldkurs als sie plötzlich, kurz vor der Ziellinie ins Straucheln geriet und stürzte.

Dramatische Szene: Sifan Hassan stürzt kurz vor dem Ziel im 10.000-Meter-Rennen.
Dramatische Szene: Sifan Hassan stürzt kurz vor dem Ziel im 10.000-Meter-Rennen. © Getty

Tsegay zog durch und sicherte sich die Goldmedaille. Hassan, Olympiasiegerin und ehemalige Weltmeisterin auf dieser Strecke, wusste sofort, was geschehen war - sie versuchte gar nicht mehr, noch als Zweite ins Ziel zu kommen. Für sie zählte nur Gold - und für die Niederlande auch. Das Bild der am Arm blutenden Hassan war bedauernswert.

Niederländisches Déjà-vu mit der WM-Staffel

Auch interessant

Auch für die niederländische Mannschaft war der Sturz ein schwerer Schlag: Gold durch Sifan Hassan, die in Ungarns Hauptstadt neben den 10.000 auch noch die 1500 und 5000 Meter laufen will, war fest eingeplant.

Umso kurioser, dass sich eine ähnliche Szene kurz danach noch einmal ereignete. Im Finale der 4x400-Meter-Mixed-Staffel erlebte das niederländische Team ein unschönes Deja-vu. Wieder war es ein Star, der auf den letzten Metern durch einen folgenschweren Sturz die Goldmedaille verlor. Diesmal traf es Femke Bol. Die 23-Jährige gewann in München vergangenen Sommer dreimal EM-Gold - über 400, 400 Meter Hürden und mit der 4x400-Meter-Staffel. Über die 400 Meter Hürden ist sie eine Ausnahmeerscheinung, sie gewann 2021 Olympia-Bronze mit Europarekord, und im vergangen Jahr WM-Silber. Doch auch die Stadionrunde ohne Hürden liegt ihr.

USA siegen bei Leichtathletik-WM in Weltrekordzeit

Auch interessant

Als Schlussläuferin der Staffel sah es danach aus, dass sie den Sieg auch über die letzten Meter retten würde, doch plötzlich strauchelte auch sie. Sie kam zu Fall, die Zuschauer im Stadion hielten den Atem an und fragten sich ungläubig: Passiert das hier wirklich? Zweimal innerhalb kürzester Zeit die gleiche Szene mit jeweils einem niederländischen Top-Star in der Hauptrolle?

Doch es war tatsächlich so. Zwar rettete sich Femke Bol noch irgendwie über die Ziellinie, doch den Staffelstab hatte sie aus der Hand verloren, ihr Einsatz brachte keinen Ertrag mehr, ihre Mannschaft wurde disqualifiziert. Die USA siegten in Weltrekordzeit - einer, die auch für die Niederlande möglich gewesen wäre.

Sifan Hasan nach Sturz: "Ich bin geschubst worden"

Sofort kamen ihre Teammitglieder herbei, um die aufgelöste Bol zu trösten. Doch der Schock saß tief. Erklärungen endeten als Versuche. "Ich weiß nicht, was passiert ist", sagte Femke Bol später. "Das ist mir noch nie passiert. Kurz vor der Ziellinie bin ich verkrampft, ich habe gepusht, gepusht, gepusht. Ich bin sehr enttäuscht, dass mein Körper es nicht geschafft hat, das Rennen stark zu beenden."

Femke Bol (rechts) stürzt bei der Leichtathletik-WM im Schlussspurt der 4x400-Meter-Mixed-Staffel.
Femke Bol (rechts) stürzt bei der Leichtathletik-WM im Schlussspurt der 4x400-Meter-Mixed-Staffel. © dpa

Eine simple Erklärung. Anders sah es bei Sifan Hassan aus. "Ich bin geschubst worden von der Äthiopierin, da muss es doch ein Video geben. Aber so ist der Sport", haderte die Weltklasseathletin nach ihrem Sturz im TV-Interview. Kurze Zeit später erklärte sie: "Ich behalte mein Lächeln, aber es ist wirklich hart. Ich bin sehr enttäuscht. Das ist der Sport, solche Dinge passieren. Ich hatte einfach einen schlechten Moment. Ich fühlte mich wirklich stark und habe versucht, in der letzten Runde nochmal zu pushen."

Hasan und Bol mit weiteren Gold-Chancen bei WM

Auch interessant

Und dennoch blieb sie bei ihrem Gefühl: Ich glaube, ich wurde von der Äthiopierin geschubst. Ich hoffe, ich bin nicht verrückt. Ich muss mir die Szene noch einmal anschauen, um zu sehen, was tatsächlich passiert ist." Vor ihren anstehenden weiteren Starts sagte sie: "Ich genieße wirklich, was ich tue. Ich will immer mehrere Distanzen laufen." Ein wenig Entwarnung gab sie auch: "Ich glaube nicht, dass ich mich verletzt habe. Meine Hand ist okay, aber mein Knie muss gecheckt werden. Hoffentlich ist alles gut."

Darauf hofft wohl auch das niederländische Team: Schließlich blieben Hassan sowie Bol noch weitere Chancen Gold oder andersfarbige Medaillen für das deutsche Nachbarland zu gewinnen.