Allein im Kreis Stormarn ist die Zahl um 40 Prozent gestiegen. Blaue Lichtreflektoren sollen Gefahr minimieren. In der Jagdsaison 2012/2013 sind mehr als 11.000 Rehe im Straßenverkehr getötet worden.

Pinneberg. Auf den Straßen rund um Hamburg kommt es in diesen Wochen fast täglich zu schweren Wildunfällen. Rehe, Wildschweine und Hasen, aber auch Füchse, Marderhunde und Hirsche kreuzen die Fahrbahn. So sind in Schleswig-Holstein in der Jagdsaison 2012/2013 mehr als 11.000 Rehe im Straßenverkehr getötet worden, gut 900 Hirsche und 400 Wildschweine wurden tödlich verletzt. Die Zahlen steigen: Im Kreis Stormarn gibt es im Vergleich zum Vorjahr bereits jetzt ein Plus von 40 Prozent.

Totalschäden wie jüngst auf der Autobahn 21 sind dabei keine Seltenheit. Dort ließ sich ein liebestoller Damhirsch auch vom Wildzaun nicht aufhalten. Gegen vier Uhr morgens hatte er das Hindernis übersprungen und war direkt vor den Ford eines 48 Jahre alten Hamburgers gelaufen. Das gut 80 Kilogramm schwere Tier flog über die Kühlerhaube auf das Glasdach, der Hirsch überlebte den Zusammenstoß nicht.

„Die Zahl der Wildunfälle in Stormarn ist seit Jahren auf einem hohen Niveau“, sagt Hans-Joachim Herrmann, Vorsitzender der Kreisjägerschaft. Von Januar bis September 2012 wurden in Stormarn 560 Kollisionen registriert, in diesem Jahr waren es schon 794. „Das liegt aber auch daran, dass sich die Erfassung in der Statistik verbessert hat“, sagt Polizeisprecher Kay-Uwe Güsmer. Jäger und Polizisten hoffen nun, die Zahl der Wildunfälle mit blauen Lichtreflektoren am Straßenrand zu minimieren. Sie kosten pro Stück allerdings sechs Euro. „In Stormarn müssen die Jäger dafür zahlen“, sagt Hans-Joachim Herrmann.

Auch im Kreis Pinneberg haben Jäger aus dem Hegering I, zu dem Barmstedt, Bokel, Bokholt-Hanredder, Brande-Hörnerkirchen, Groß Offenseth-Aspern, Klein Offenseth-Sparrieshoop, Lutzhorn, Osterhorn und Westerhorn gehören, bei einem Treffen beschlossen, die blauen Reflektoren an Gefahrenstellen anzubringen.

„In einer landesweiten Versuchsreihe sind Unfälle mit Wild durch diese Maßnahme um Dreiviertel zurückgegangen“, sagt Hegeleiter Hermann Maaß-Hell aus Bokholt. „Wir brauchen noch die Genehmigung von der Landesbehörde für Straßenbau, dann geht es los.“ Die Reflektoren kommen vom Landesjagdverein.

Zudem haben die Jäger eine sogenannte revierübergreifende „Wildfolgeabmachung“ verabschiedet: Jeder Jagdbezirk trägt dort die Pächter mit Kontaktdaten ein, so dass die Polizei sofort weiß, wen sie anrufen muss, wenn beispielsweise ein angefahrenes Tier weggelaufen ist und von seinen Qualen erlöst werden soll.

Diese umfassende Vernetzung gab es vorher nicht. So bekommt Hermann Maaß-Hell in der Woche schon mal zwei Anrufe nach Rehwildunfällen. „Die Rehe ziehen von den abgeernteten Feldern weiter, um im Wald Deckung zu suchen“, sagt er. Dabei überqueren sie vermehrt Straßen.

Im Kreis Segeberg führt die Polizei erst seit diesem Jahr wieder eine Statistik über Wildunfälle. Zuvor habe dies wegen Personalmangels nicht nachgehalten werden können. Bis Ende Oktober wurden 613 Unfälle aufgenommen – darunter 15 mit verletzten Menschen. Seit Wochen steigen auch im Kreis Segeberg die Zahlen. So wurde im Oktober (95 Unfälle) der Spitzenwert registriert. Dazu kommt eine Dunkelziffer, wie Funde der Jägerschaft zeigen.

Hans Jochen Hasselmann leitet den Hegering X, dessen Reviere sich im Raum Bad Bramstedt befinden. Genau durch dieses Gebiet verläuft die Bundesstraße 206, die einer der Schwerpunkte für Wildunfälle, insbesondere mit Rehen, ist. „Nur die Jäger wissen, wie viel Wild sich genau in ihrem Revier befindet“, so Hasselmann, der auch Bürgermeister der Gemeinde Föhrden-Barl (Amt Bad Bramstedt-Land) ist. Entlang der Felder verlaufen zahlreiche Landstraßen, die oftmals als Schleichwege genutzt werden. „Teilweise sind die Autofahrer dort viel zu schnell unterwegs. Das Wild hat dann keine Chance – der Autofahrer aber auch nicht.“ Für seine Gemeinde hat Hans Jochen Hasselmann ebenfalls beim Ordnungsamt Bedarf an blauen Wildwarnreflektoren angemeldet. Unter seinen Jagdgefährten seien die Meinungen hierüber jedoch geteilt. „Die einen sagen, es hilft, die anderen meinen, es hat überhaupt keine Auswirkungen. Die Frage ist immer: Hat sich das Wild eine Gefahrenstelle gemerkt oder waren es die Reflektoren?“

Steigende Unfallzahlen melden auch die Jäger südlich der Elbe. Im Jahr 2012/2013 gab es 1368 Wildunfälle im Landkreis Harburg. „Wir tun alles, um die Gefahren zu begrenzen. Jetzt sind die Autofahrer dran“, sagt Heribert Strauch, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft im Landkreis Harburg. Viele Autofahrer nehmen seiner Beobachtung nach allerdings kaum Rücksicht, beachten die Warnschilder und orangefarbenen Aufsteller zu wenig.

Obmann Heribert Strauch sagt weiter : „Unsere eindringliche Empfehlung an alle Autofahrer ist, in jedem Fall überall dort, wo sich Warnschilder befinden, auch nur maximal 70 bis 80 Kilometer pro Stunde zu fahren.“ Die Jäger stellen an gefährlichen Straßenabschnitten außerdem besondere Aufsteller auf. Zudem wickeln sie Aluminiumfolie um Baumstämme oder hängen CDs in Bäume, damit die Tiere von dem reflektierenden Scheinwerferlicht abgeschreckt werden.

Als am effektivsten wirkende Maßnahme gelten aber auch in Harburg die blauen Lichtreflektoren an den Leitpfosten. Allein im Vorjahr waren im gesamten Landkreis Harburg insgesamt 5500 dieser Reflektoren angebracht worden, um Wildunfälle in der dunklen Jahreszeit nachhaltig zu vermeiden.