Angst um die Bildung: Barmstedter Bürger befürchten, dass das kombinierte G 8/G 9-Modell die Gemeinschaftsschule schwächen kann.

Barmstedt. Schulfrieden sieht anders aus. Die Stadt Barmstedt hat jetzt den Antrag ihres Gymnasiums abgelehnt, auch künftig das Abitur in neun und in acht Jahren anzubieten, wie es dort von 2001 bis 2008 zunächst als Pilotprojekt und seit Sommer 2010 modellhaft praktiziert wird. Diese Entscheidung fiel mit nur einer Stimme Mehrheit Dienstagabend in der Stadtvertretung.

Quer durch alle Fraktionen gab es Befürworter und Gegner. Nur CDU und FDP plädierten einmütig für das sogenannte Y-Modell, das nach dem neuem Schulgesetz beide Wege zum Abitur möglich macht. Schulleiter Wolf-Rüdiger Salbrecht vom Gymnasium will aber dennoch daran festhalten. "Ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung den Beschluss der Stadtvertretung überstimmt. Sie ist schließlich die Genehmigungsbehörde."

Fast alle Redner zeigten sich höchst unzufrieden mit der Schulpolitik der schwarzgelben Koalition in Kiel. FWB-Fraktionschef Michael Schönfelder, ehemals stellvertretender Schulleiter des Elsa-Brandström-Gymnasiums in Elmshorn, kritisierte: "Wir sitzen hier zwischen den Stühlen. Wenn wir ja sagen, verärgern wir die Gemeinschaftsschule. Wenn wir nein sagen, ist das Gymnasium auf uns böse. Warum sollen wir jetzt wieder der Gemeinschaftsschule die Flügel stutzen? Ich möchte, dass endlich Ruhe in die Schulpolitik kommt." Darum beantragte er, dazu keine Entscheidung zu treffen. Die Stadtvertretung solle sich für "nicht zuständig" erklären. Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde dieser Antrag nur knapp abgelehnt. Heinz Brabandt (SPD) und Günter Thiel (BALL) waren sich trotz des Unmuts auf die Schulpolitik des Landes einig, dass die Stadtvertretung eine Entscheidung treffen müsse. Thiel forderte dafür: "Minister Klug sollte abdanken, bevor er weitere Amokläufe startet."

Die Gegner des Y-Modells sorgen sich um die Gemeinschaftsschule, der künftig Schüler fernbleiben könnten, wenn am Gymnasium wieder das Abitur auch in neun Jahren zu ereichen wäre. "Das führt zu einer Konkurrenzsituation, die für alle Beteiligten schwierig werden kann", warnte Schulleiter Bernd Poepping. Das Anmeldeverhalten der Eltern würde sich von Jahr zu Jahr ändern, was die Personal- und Raumplanung unvorhersehbar mache. Sein Kollege Salbrecht vom Gymnasium konterte, dass im Sommer die Gemeinschaftsschule fünf fünfte Klassen eingerichtet habe und das Gymnasium lediglich drei - trotz des geltenden Y-Modells. "Dann hätten wir früher doch auch die Realschule gefährden können, was aber nicht der Fall war."

Aber Salbrecht hatte an diesem Tag schlechte Karten. Ihn traf der Unmut über die neuerliche Änderung des Schulgesetzes, das die Kommunen, die gerade neue Gemeinschaftsschulen gegründet haben, nun um deren frische Existenz fürchten lässt, weil aus dem ergänzenden Angebot G8 auf dem Gymnasium und G9 an der Gemeinschaftsschule plötzlich ein direktes Konkurrenzverhältnis wird. Auch persönliche Betroffenheit spielte mit. So berichtete BfB-Stadtvertreter Kai Perner, dass er seine Tochter wegen des geballten G8-Pensums vom Gymnasium nehmen und auf die Gemeinschaftsschule bringen musste. "Jetzt blüht sie wieder auf."

Salbrecht hätte sich gewünscht, die Stadtvertreter hätten sich nur um die finanziellen Belange gekümmert, für die sie auch zuständig seien. "Das Y-Modell kostet die Stadt Barmstedt definitiv kein Geld mehr." Gerade den Schülern aus dem Barmstedter Umland würde ein längerer Weg zum Abitur helfen, ist Salbrecht überzeugt. "Die stehen zum Teil morgens um 5 Uhr auf, um den Schulbus zu kriegen, und sind erst um 17 Uhr wieder zu Hause. Das ist für einige Kinder eine Nummer zu groß."