Klaus Schlie verteidigt im Interview die geplante Amtsreform für Schleswig-Holstein. Im ersten Quartal 2012 soll sie verabschiedet werden.

Kreis Segeberg. Aufruhr in vielen kleineren Gemeinden und Ämtern in Schleswig-Holstein: Das Innenministerium will die Amtsordnung ändern und den einzelnen Gemeinden mehr Entscheidungsfreiheit zubilligen. Viele Gemeindepolitiker befürchten, dass auf sie wesentlich mehr Arbeit zu kommt, die sie als Freizeitpolitiker hoffnungslos überfordert. Die Norderstedter Zeitung befragte Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie, der zurzeit auf Regionalkonferenzen im Dialog mit Ortspolitikern ist, nach den Hintergründen und Folgen der angestrebten Reform.

Norderstedter Zeitung: Herr Minister, die Politiker in vielen amtsangehörigen Gemeinden sind in Aufruhr. Sie, als Innenminister, wollen die Amtsordnung ändern und den Gemeinden mehr Aufgaben übertragen. Warum eigentlich?

Innenminister Klaus Schlie: Die Amtsordnung ist nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichts in einem zentralen Punkt verfassungswidrig. Die Gemeinden sollen Entscheidungen über ihre Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht mehr in dem bisherigen Umfang auf die Ämter verlagern können. Das ist der Ausgangspunkt für die Reform, an dem niemand vorbeikommt.

Die Gemeindepolitiker befürchten, dass mehr Arbeit auf sie zukommt.

Schlie: Es geht darum, in den Gemeindevertretungen die politischen Grundsatzbeschlüsse zu treffen, die administrative Vorbereitung und den Vollzug erledigt weiterhin die Amtsverwaltung. Außerdem bleibt das Amt für alle Weisungsaufgaben zuständig. Die Gemeindepolitiker haben nicht mehr Arbeit, sondern können sich ganz auf die Grundsatzfragen der kommunalen Selbstverwaltungsangelegenheiten konzentrieren. Die Gemeindevertretung als Keimzelle kommunaler Demokratie und Selbstverwaltung, als Ort, wo Kommunalpolitik in Reinform stattfindet, wird wieder gestärkt.

+++ Zur Person: Klaus Schlie +++

Wie wird das konkret rechtlich geregelt?

Schlie: Die Einzelheiten wird der Gesetzentwurf regeln, der noch vor der Sommerpause den Landtag beschäftigen wird. Im Mittelpunkt steht, dass die Frage über das Ob und Wie der Wahrnehmung gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr auf den Amtsausschuss übertragen werden kann. Die neue Amtsordnung muss so rechtssicher sein, dass sie langfristig Bestand hat. Diesem Grundsatz muss jeder Vorschlag standhalten. Eine auf Dauer rechtssichere Alternative zu meiner Lösung habe ich bislang nicht gehört. Wir arbeiten allerdings an einer Kompromisslösung.

Gibt es bei Bedarf auch die Möglichkeit, gemeinschaftliche Beschlussfassungen mehrerer Gemeinden zu ermöglichen?

Schlie: Ja. Zweckverbände innerhalb eines Amtes sind dann wieder zugelassen. Diese Zweckverbände können sich nicht, wie Kritiker meinen, zu Gemeindeverbänden entwickeln, da ihnen nur einzelne Aufgaben oder mehrere zusammenhängende Aufgaben übertragen werden dürfen.

Die Zweckverbände müssen personell besetzt werden. Also doch mehr Arbeit für die Politiker?

Schlie: In der Praxis dürfen die Zweckverbände mit den Amtsausschüssen identisch sein. Der Amtsvorsteher ist dann auch gegebenenfalls der Zweckverbandsvorsteher. Das ist rechtlich einwandfrei, wenn es eine klare Aufgabenabgrenzung gibt. Den Zweckverbänden werden ja auch nur Aufgaben im begrenzten Umfang übertragen und die müssen ganz klar definiert werden. Die Steuerung übernimmt der Amtsausschuss

Inzwischen ist bekannt geworden, dass sich die FDP-Fraktion im Landtag gegen eine Änderung der Amtsordnung ausgesprochen hat.

Schlie: Das ist so nicht richtig. Es gibt in einzelnen Punkten noch Diskussionsbedarf. Das ist ja auch der Normalfall in der Politik und ich selbst habe zu einer breiten Debatte über die beste Lösung aufgerufen. Ich bin sicher, dass am Ende CDU und FDP eine gemeinsame Lösung finden.

Der Bürgermeister von Tornesch plädiert dafür, alle Ämter in Schleswig-Holstein aufzulösen. Die Dienstleistungen könnten dann jeweils über die zentralen Verwaltungen geregelt werden.

Schlie: Was aus der Sicht eines Bürgermeisters eines größeren Ortes richtig erscheinen mag, muss nicht automatisch gut für das ganze Land sein.

Sie reisen jetzt durch das Land und machen Reklame für die Änderung der Amtsordnung. Wie ist denn die Stimmung bei diesen Veranstaltungen?

Schlie: Die Stimmung ist sehr sachlich und konstruktiv. Die Veranstaltungen werden sind sehr gut besucht. Einigkeit besteht darin, die Amtsausschüsse nicht direkt zu wählen und möglichst rasch eine rechtssichere Amtsordnung zu schaffen. Kontroversen gibt es noch zu der Frage, ob man einzelne Aufgaben in einem festgelegten Katalog auf das Amt übertragen soll oder auf diesen Aufgabenkatalog doch lieber verzichtet, weil er ein nicht rechtliches Risiko birgt, das auch seine Befürworte nicht ausschließen können.

Sind das nicht reine Schauveranstaltungen? Oder gibt es noch die Chance, dass sie ihre Vorschläge ändern?

Schlie: Die Diskussionen mit den Frauen Männern aus den Gemeinden und Ämtern zeigen mir, dass alle sehr ernsthaft an einer tragfähigen Lösung interessiert sind. Ich empfinde die Veranstaltungen als Bereicherung der demokratischen Debattenkultur. Vor einer Entscheidung von großer Tragweite wird miteinander um die besten Argumente gerungen. Natürlich habe ich eine sorgfältig durchdachte Auffassung über eine neue und verfassungsfeste Amtsordnung. Aber ich bin auch wiederum nicht so festgelegt, dass ich mich überzeugenden Alternativen verschlösse, wenn sie rechtssicher sind und gleichsam über den Tag hinausreichen.

Wie ist der zeitliche Fahrplan für die Änderung der Amtsordnung?

Schlie: Sie soll auf jeden Fall noch vor den nächsten Kommunalwahlen in Kraft treten. Im Mai werden wir die ersten Beratungen im Kabinett haben, vor der Sommerpause soll der Gesetzentwurf ins Parlament, im ersten Quartal 2012 ist die Verabschiedung im Parlament vorgesehen.