Bhutan ist ein buddhistischer Staat, der zwei Entscheidungen getroffen hat, die aufhorchen lassen: Er begrenzt die Einreise von Touristen und misst das Glück seiner Bevölkerung. Die Schönheit des Landes will man nicht den Einnahmen aus dem Tourismus opfern, weniger ist mehr. Und 1972 bereits hat der König als Ziel seiner Regierung das "Bruttoinlandsglück" ausgerufen. Vor 13 Jahren wurde dazu das Volk befragt. Die Kommission, die mit dem Projekt "Bruttoinlandsglück" beauftragt ist, entscheidet nun darüber, was im Lande geschieht oder unterbleibt, was gefördert und was eingeschränkt wird. Das Regierungshandeln bemisst sich an folgenden Faktoren: Zufriedenheit der Befragten mit ihrem Leben, Lebensstandard, Gesundheit, Ausbildung, Teilnahme am kulturellen Leben, Stärke der Sozialgemeinschaft, Umweltqualität und das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit.

Es muss nicht betont werden, dass Bhutan damit für ein Alternativmodell steht. Das "Streben nach Glück" ist zwar dem Wortlaut nach Bestandteil der US-amerikanischen Gründungsurkunde, gemeint ist aber das Glück des Einzelnen. Und wie es um einen Staat steht, wird nahezu ausnahmslos am Bruttoinlandsprodukt bemessen, an Wachstum und Wohlstand. An dieser Stelle hat das kleine Bhutan umgedacht und einen großen Entwurf ins Werk gesetzt, der nun sogar die UN beschäftigt.

Eine verlockende Idee, die einfach klingt und Ausdruck eines völlig anderen Denkens ist. Ein Staat, der seine Bürger fragt: Wie beurteilst du dein Lebensglück, deine Gesundheit, was hast du gelernt und was willst du noch lernen? Wie siehst du deine Chancen, am Leben der Gesellschaft teilzunehmen, wie stark ist der Zusammenhalt der Nachbarschaft, des Quartiers, der Kommune, des Vereins und der Gemeinde? Und neben sauberer Luft und unbelasteten Lebensmitteln ist für das Glück der Bürger von Interesse, ob sie nach der Arbeit noch Zeit für ihre Familie und Freunde, Zeit für ein Ehrenamt und für sich selbst haben.

Das Neue Testament überliefert eine Frage, die Jesus gestellt hat: "Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden nimmt?" Mir scheint, als ließe sich von Jesus und vom Staate Bhutan lernen, was außer Wohlstand noch zum Glück gebraucht wird. Das wäre auch bei uns mal eine Umfrage wert.

Michael Schirmer ist Pastor der Kirchengemeinde Vicelin-Schalom in Norderstedt