Niedersächsische Gemeinden streben gemeinsamen Unesco-Titel an, Behörden der Hansestadt befürchten aber Nachteile für die Wirtschaft

Jork. Wenn es um das Welterbe geht, werden Jork und Lühe am Ende möglicherweise als Alleinerben dastehen. Hamburg wird die Bewerbung des Alten Landes um den Titel "Dynamisches Weltkulturerbe", der noch mehr Touristen in die Region locken könnte, jedenfalls nicht unterstützen.

Der für den Hamburger Teil des Alten Landes zuständige Harburger Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg sagte dem Abendblatt, die Hansestadt werde eine Welterbe-Bewerbung "nicht befürworten". Denn Verbände der Bauern oder des Wasser- und Schifffahrtsamtes fürchteten Auswirkungen auf die Entwicklung der Wirtschaftsregion. Der Hamburger Teil des Alten Landes - mit Cranz, Neuenfelde, Francop - sei ein kleiner, aber wirtschaftlich wichtiger Teil dieser Region.

"Sehr bedauerlich ist dieser Interessenkonflikt um dieses Altländer Filetstück. Daran sieht man, was Hamburg dort wirklich will", sagt Kerstin Hintz, Vorsitzende des Vereins zur Anerkennung des Alten Landes als Welterbe. Die Altländer Gemeinden Jork und Lühe wollen nun gemeinsam ihre etwa 30 Kilometer lange und rund zehn Kilometer breite einzigartige Kulturlandschaft mit dem Welterbe-Titel der Unesco adeln lassen.

Während die Gemeinde Jork sich seit Jahren für eine Bewerbung starkmacht, kam nach heftig kontroversen Debatten Ende März auch das Signal aus der Samtgemeinde Lühe zur Bewerbung, einstimmig vom Samtgemeinderat befürwortet. Allerdings soll die Zustimmung der Volksvertreter aus den sechs Mitgliedsgemeinden an einen entscheidenden Passus gebunden bleiben: "Eine Anerkennung des Alten Landes zum Welterbe darf zu keinen Einschränkungen in der Obstbauwirtschaft führen. Eine Behinderung in der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit muss ausgeschlossen sein."

Während in den ersten zwei sogenannten Meilen Altes Land von der Schwinge bis zur Lühe und von der Lühe bis zur Este viele Obstbauern der Bewerbung skeptisch gegenüberstehen, favorisieren die meisten Obstbauern, im Hamburger Teil, der dritten Meile, eine Welterbebewerbung. "Die Angst vor Überplanung, Hafenerweiterung, Ausdehnung der Airbus- und Gewerbeflächen und vor weiteren Verlusten landwirtschaftlicher Flächen sind Argumente der Befürworter", sagt Obstbauer Karl Tamke aus Neuenfelde in der dritten Meile. "Ein Welterbestatus könnte ein besserer Schutzschild für die Interessen unserer Obstbauern sein."

Die geografische Geschlossenheit der drei Meilen des Alten Landes länderübergreifend mit Leben zu erfüllen und deshalb eine Bewerbung für die gesamte Region anzustreben ist Ziel des Altländer Welterbevereins. "Bei anderen Welterberegionen, etwa in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wurde der Status über Ländergrenzen hinaus zuerkannt", sagt Hintz.

Um das erfolgreich für den niedersächsischen Teil und den zu Hamburg gehörenden Bereich, also von Cranz, Neuenfelde, Francop bis Rübke, anzusteuern, wurde 2007 eine Kulturlandschaftsanalyse im Auftrag der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege erstellt. Die Autoren der 20 000 Euro teuren Studie bescheinigten der rund 170 Quadratkilometer großen Region an der Unterelbe eine "unverwechselbare, besondere Eigenart", die als Welterbe geeignet sei, so Hintz. "Aber wir brauchen Hamburg nicht für eine Welterbe-Bewerbung", sagt Hintz, theoretisch könne Hamburg nachnominieren, wenn sich die Haltung ändern sollte. Um eine geschlossene Bewerbung bemüht sich seit Jahren Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann. In einem Brief an Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bat Lühmann um Hamburgs Unterstützung, eine Bewerbung mitzutragen. "Ich warte nun auf die Antwort", sagt Lühmann.

Ob sie eine positive Wende bringt, wie im Streit 2008 um das Weltnaturerbe Wattenmeer, bleibt abzuwarten. Das Land Hamburg wollte seine 137 Quadratkilometer des fast 10 000 Quadratkilometer großen Gebietes nicht dafür anmelden, sah Probleme für eine weitere Elbvertiefung, weil das Wattenmeer bis an die Elbmündung reicht. Der Hamburger Senat sei zwar grundsätzlich für das Projekt, müsse aber auch an die Zehntausenden Arbeitsplätze im Hafen denken, hieß es damals aus dem Senat. Dann kam 2010 die Kehrtwende: Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) reichte eine Nachmeldung des Hamburger Nationalparks Wattenmeer als Weltnaturerbe der Unesco ein.