FDP fühlt sich bei Postengeschacher in Kiel benachteiligt und kündigt Abkommen mit SPD

Kiel. „Mut, Zuversicht und Tatkraft für die Zukunft“, wünscht Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) den Schleswig-Holsteinern. So steht es in seiner Weihnachts- und Neujahrsbotschaft, die vom Landeshaus am Düsternbrooker Weg in alle Welt hinausgeht. Aber vielleicht ist der Weg zum Empfänger der Botschaft gar nicht so weit, denn auch Klaus Schlie selbst wird in den kommenden Wochen Mut und Tatkraft beweisen müssen.

Im Landtag, dem gläsernen Kubus mit lauter rechten Winkeln, hängt der Haussegen ziemlich schief. Im November hat die FDP-Fraktion das Pairing-Abkommen mit der SPD-Fraktion aufgekündigt. Die Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW muss nun auch erkrankte Abgeordnete in den Landtag karren lassen, um ihre Einstimmenmehrheit zusammenzubekommen. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Birgit Herdejürgen, stellte im Landeshaus schon mal vor laufenden Kameras ein Klappbett auf. Ganz nach dem Motto: Das haben wir alles der FDP zu verdanken.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Grund für die Kündigung des Pairing-Abkommens war ein Streit um Posten und Personen, der sich über Monate hinweg aufgeschaukelt hatte – und der zeigt, wie selbstverständlich die Parteien offenbar immer noch glauben, der Staat gehöre zumindest teilweise ihnen. Wichtige Posten werden nach wie vor nicht allein nach Qualifikation, sondern auch nach der parteipolitischen Farbenlehre besetzt. So war es auch im Herbst 2013, der Geburtsstunde des Streits. Damals hatten sich die noch friedlichen Fraktionen auf einen Handel geeinigt.

Der Handel zwischen den größten Fraktionen hält nicht lange

Das CDU-Mitglied Gaby Schäfer wird mit den Stimmen der SPD neue Präsidentin des Landesrechnungshofs. Im Gegenzug votiert die CDU für die SPD-nahe Maren Thomsen, die so zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts wurde. Dass sowohl Schäfer als auch Thomsen für ihre Posten qualifiziert sind, steht außer Frage. Das Problem ist nur: Welche Chance haben eigentlich Kandidaten, die eine gewisse Überparteilichkeit pflegen und sich ungern einer Partei zuordnen lassen wollen?

Der zunächst scheinbar gelungene Handel zwischen den beiden größten Fraktionen des Landtags hält nicht lange. Die SPD hoffte, demnächst den Posten des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs mit einem Kandidaten ihrer Wahl besetzen zu können – quasi als Gegengewicht zur Christdemokratin Schäfer.

Doch Aike Dopp, CDU-Mitglied und Vizepräsident, entscheidet sich, noch nicht in Rente zu gehen, sondern bis 2017 weiterzuarbeiten. Zwei Christdemokraten an der Spitze des Landesrechnungshofs: In den kommenden Auseinandersetzungen wird SPD-Fraktionschef Ralf Stegner diese Konstellation immer wieder als Argument dafür nehmen, dass die Sozialdemokraten nun doch wirklich nicht die Bösen seien.

Aber sie wollen natürlich auch nicht alles mit sich machen lassen. Bei der Neubesetzung des Leiters der Landeszentrale für politische Bildung läuft es jedenfalls nicht so, wie Stegner sich das vorstellt.

Ein FDP-Mann bekommt im Juni den Job. Ein Kandidat, der den Sozialdemokraten passt, wird vergrault – Stegner jedenfalls sieht das so. Vergrault wird er von der Landtagsverwaltung des Landtagspräsidenten und CDU-Mitglieds Klaus Schlie. Ihr ist die Landeszentrale zugeordnet. Stegner schäumt – und setzt die Einstimmenmehrheit im Landtag dafür ein, Schlie die Landeszentrale zu entreißen. Zum 1.Januar 2015 wird sie selbstständig. Wer den Chefposten bekommt, entscheidet nun der Landtag – und damit die Landtagsmehrheit. Also die Küstenkoalition, also Stegner.

Die Opposition schäumt.

Aber es geht noch weiter. Im Juli soll dem Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert eine weitere Amtszeit verschafft werden. Er steht den Grünen nah. Zwei Amtszeiten hat er schon hinter sich, für eine dritte muss die Koalition extra das Gesetz ändern. Die Opposition spricht von einer „Lex Weichert“ und schäumt. Doch die Wiederwahl scheitert, Weichert fehlt eine Stimme zur Mehrheit.

Die Grünen geben trotzdem nicht auf. Und Weichert macht einfach weiter, solange kein neuer Datenschutzbeauftragter gewählt ist. Vor einem weiteren Wahlgang soll nun ein „Interessenbekundungsverfahren“ durchgeführt werden. Ziel ist es, eine der Oppositionsfraktionen für Weichert zu gewinnen. Das neuartige Verfahren hat allerdings viele rechtliche Tücken. Bis heute ist unklar, wie es funktioniert und wann es startet.

Derweil hat sich im Landesrechnungshof ein neues Problem ergeben. Dort sucht man zwei Abteilungsleiter. Die Behördenleitung wählt zwei Bewerber aus. Einer ist unproblematisch. Der Parteilose kommt aus dem Wirtschaftsministerium. Der andere ist FDP-Mitglied und heißt Christian Albrecht. Die SPD empfindet seine Nominierung als Provokation.

Albrecht war 14 Jahre lang Pressesprecher der FDP-Fraktion im Landtag. Er gilt als Vertrauter des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki und war zuletzt Pressesprecher des Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP). Als Abteilungsleiter im Landesrechnungshof hätte er ein Monatsgehalt von etwa 7800 Euro erhalten. Die Küstenkoalition spielt nicht mit. Albrecht fällt im Parlament durch. „Der Bewerber hat uns fachlich nicht überzeugt“, wird Eka von Kalben später sagen, die Fraktionschefin der Grünen.

Noch hat keiner versucht, den Haussegen geradezurücken

Was auch immer ausschlaggebend für die Ablehnung war: Die FDP nimmt es persönlich.

Fraktionschef Wolfgang Kubicki verkündet am 13. November: „Die FDP-Fraktion wird aufgrund dieser Vorkommnisse das seit 22 Jahren geltende Pairing-Abkommen mit der SPD aufheben.“ Seitdem hängt der Haussegen im Parlament schief. Noch hat keiner versucht, ihn geradezurücken.

Landtagspräsident Klaus Schlie spricht trotzdem von „dem einen oder anderen positiven Signal des Miteinanders“. Dafür müssten sich aber natürlich alle Seiten bewegen. Klaus Schlie: „Insgesamt aber geht die Kurve im Parlament nach oben.“ Das klingt vielleicht nicht nach Mut und Tatkraft, aber immerhin nach Zuversicht. Und das trotz der Tatsache, dass das Parlament in dieser Kurve kräftig ins Schleudern geraten ist.